Lucia – Engel des Todes?

Lucia sitzt in einem Van, wird begrüßt von dutzenden aufblitzenden Kameras, denn sie ist eine Geächtete.
Angeklagt, etliche Morde begangen zu haben, Morde an den Schwachen dieser Gesellschaft. Mutmaßliche Opfer sind Kleinstkinder und Altersschwache. Menschen, die angewiesen sind auf die Hilfe Anderer, allesamt stationiert in einer Klinik, für die besagte Verdächtige arbeitet.
Lucia sprüht nur vor Ehrgeiz für ihren Job, erledigt die ein oder andere Aufgabe auch nach Ende der Schicht. Von Glück verfolgt ist sie jedoch nicht: Auffällig viele Patienten erleben ihre letzten Atemzüge in der Obhut der umsorgenden Krankenhilfe.

Als schließlich ein Säugling in den Armen der Frau zu Tode kommt, melden sich erste Zweifler zu Wort. Es werden Ermittlungen eingeführt und so formt “Lucia – Engel des Todes?” letztendlich ein Gerichtsdrama, das sich seltsam leer anfühlt.
In kapitelartigen Abschnitten wird der Fortgang der sich immer länger ziehenden Anklagen erzählt, fühlt sich dabei allerdings immer gehetzt an. Man bekommt hier zwar bewegte Bilder zu sehen, diese kommen inhaltlich aber nicht wirklich aus der Hüfte.
Das grundsätzliche Problem:
Wir sitzen zwischen den Stühlen, erleben die Momente, die den Stein ins Rollen bringen, aus Lucias Perspektive. Der Zuschauer weiß um die Schuld oder Unschuld seiner Protagonistin – somit setzt sich die vollkommen unnötige Frage im eingedeutschten Titel außer Kraft -, verfolgt aber gleichzeitig die Umwege, über die Staatsanwaltschaft und Gericht zu einem Ergebnis kommen, das schlicht zum Haare raufen ist.
Die Logik, nach der gearbeitet wird, bewegt sich auf Kleinkind-Niveau. Eins und eins werden hier addiert und ergeben plötzlich dreieinhalb.

Nun könnte man die Entwicklungen als abgekartetes Spiel, ja, als Korruption abtun. Doch dazu fehlen Anhaltspunkte, Motivationen oder allgemein charakterlich starke, in irgendeiner Art motivierte Figuren, die Initiative ergreifen, anstatt Stereotypen zu verkörpern.
Die Schuld Lucias ist zu keinem Zeitpunkt auch nur im Ansatz zu beweisen, der Grundgedanke von fehlerhaft, vielleicht fahrlässig arbeitender Justiz greift deshalb nie. Als Täterin kommt sie letztlich allein in Frage, weil sie typische Charakteristika eines Psychopathen erfüllt: Im Umgang mit ihren neuen Arbeitskollegen ist sie eine Einzelgängerin, war einst verwickelt in Prostitution, hatte eine schwierige Kindheit und besitzt – wie kann es anders sein?- Horrorbücher, die sich mit Psychopathen befassen und zu guter Letzt auch ein Tagebuch, das Andeutungen auf komische Mysterien um seelische Abgründe macht.
Anstatt sich allerdings rational zu verhalten und das eigene Verhalten plausibel zu erklären, wird Lucia von Szene zu Szene charakterisiert, wie es dem Fortgang der Dramatik gerade passt. Da ist keine Kontinuität, kein greifbarer Mensch hinter diesem Opferlamm von Justiz und Allgemeinheit. Das Drama macht es sich zu leicht, ist zu hölzern und undicht, als dass man sich als Zuschauer identifizieren könnte mit den eigentlich so tragischen Geschehnissen, dessen Zeuge wir werden.

Endgültig um die Glaubhaftigkeit geschehen ist es dann, als die Anklage dann plötzlich auf knapp zehn Todesfälle erweitert wird. Das kommt mit der Brechstange, ohne jegliche Vorahnung, ohne auch nur einen Versuch von Erklärung. “Diese Frau liest Horrorgeschichten, ist unter Umständen für den Tod eines Säuglings verantwortlich. Sämtliche Todesfälle in einer Klinik gehen mit Sicherheit auch auf ihr Konto.” So oder so ähnlich könnte man das Kredo, die Logikschlüsse der Beteiligten zusammenfassen.
Auch wenn ich den Ansatz der mitreißenden, beeinflussenden Presse, der Bloßstellung des Mitläufertums, besonders zu aktuellen Anlässen, zu schätzen weiß:
Das ist nicht geerdet genug, fühlt sich an, wie eine pure Abhandlung von Dummheiten und stumpfem, künstlichem Aufbau von Betroffenheit.

Lucia – Engel des Todes? wählt falsche Ansätze; setzt auch in der bildlichen Umsetzung auf stumpfe Erregung.
Besonders harte Zeiten drücken sich durch eine aus der Luft gegriffene Umquartierung von einer möblierten “normalen” Zelle in einen leeren Raum aus. Alleingelassen mit kahlen Wänden und einer spärlichen Toilette, zur Einsamkeit verurteilt. In Momenten der Hoffnung wiederum darf die Insassin in einen fast nett wirkenden Raum umziehen, bekommt dazu sogar eine äußerst freundliche Zellengenossin.

Verzeihen kann man die Darstellung der sprunghaften Ermittlungen da schon eher. Wenn die Wohnung von Lucias Großmutter aus heiterem Himmel verwanzt ist, stößt das komisch auf, fiele aber nicht so schwer ins Gewicht, würde denn der Rest stimmen.
Der größte – und tödliche – Kritikpunkt ist und bleibt das äußerst schwache Drehbuch. Rein visuell, auch schauspielerisch, ist Lucia- Engel des Todes? solide, wenn auch nicht außergewöhnlich oder gar fantastisch.
Die Geschichte, die hier erzählt wird, mag sie auch auf wahren Begebenheiten beruhen, ist unausgereift, wirkt löchrig, macht zwischenzeitlich sogar ratlos. So viel Fahrlässigkeit kann nicht bestehen.
Sollte Lucia- Engel des Todes? allerdings den Fortgang einer inszenierten Intrige zeigen wollen, fehlt es an Motivation, fehlt Dynamik, fehlt alles, was einen als Zuschauer involviert oder mitreißt.
So jedoch plätschert das holländische Drama dahin, wirkt nie langsam, sogar recht flott, aber doch irgendwie unbeschreiblich inhalts- und seelenlos.


Bewertung: 2/5 


Regie:  Paula van der Oest
Darsteller:  Barry Atsma, Amanda Ooms, Marwan Kenzari
Laufzeit: 1h 37min
Release:  3 April 2014 (Netherlands)


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