The Revenant

Iñárritu ist spätestens seit dem letztjährigen Birdman (ich war beigeistert) und den dazugehörigen Oscargewinnen ein richtiger Big Player in der Filmwelt.
Ein Jahr später, pünktlich zur fünften Jahreszeit, die der Oscarbaits, reiht der mexikanische Filmemacher gemeinsam mit einem Haufen anderen bekannten Gesichtern in die lange Reihe von Anwärtern und greift erneut nach den Sternen Oscars (12 Nominierungen sind es geworden).
Die erwünschte Aufmerksamkeit hat er dabei schon bekommen, passend dazu gleich 3 Golden Globes, fehlt nur noch Leonardo DiCaprio in der Gleichung, der dankbar auf den Zug namens Iñárritu  aufspringt; Endstation: Bester Hauptdarsteller.
Zwischen die allgemeine Begeisterung mischen sich nun nach und nach kritische, unbeeindruckte Stimmen. Zu welcher Fraktion ich gehöre?
Nun, begeistert war ich nicht gerade.

The Revenant (in Deutschland mit dem ärgerlichen, vielleicht fast peinlichen, Untertitel “Der Rückkehrer” versehen) erzählt uns die Geschichte des Trappers Hugh Glass (Leonardo DiCaprio). Dieser ist Mitglied einer Handelsexpediotion, die, geleitet von Captain Andrew Henry (Domhnall Gleeson), auf der Jagd nach kostspieligen Pelzen ist, um so ans große Geld zu kommen.
Durch einen plötzlichen Bärenangriff und den folgenschweren Verwundungen, entscheidet die Truppe nach und nach, den Mann seinem Schicksal zu überlassen.
Glass allerdings ist zäher als gedacht.

Und dabei startet doch alles so imposant. Nach minimal kurzer Vorstellung des Expeditionsteams werden Charaktere und Zuschauer gleichermaßen von einem groß aufgezogenem Indianerangriff überrascht. Die Kamera weiß kaum, was sie uns zeigen soll, Chaos macht sich breit und die uns noch völlig unbekannten Opfer verfallen langsam der Panik. Da die Kamera verschiedensten Geschehen folgt, durch die Menge gleitete, Opfer porträtiert, sie dann fallen lässt, sich an das nächste herandonnernde Pferd heftet, nur um einem vorbeisegelnden Pfeil zu folgen, verliert man den Überblick über das volle Ausmaß des Hinterhaltes – und das ist gut so. Die Umgebung breitet sich zu einem Schlachtfest, kurz kommen Erinnerungen an die beeindruckende Kriegsschauplätze der ersten halben Stunde von Saving Private Ryan, nur sind das hier Indianer. Andere Zeiten, andere Waffen, tolle Szene.
Wenn sich dann die letzten Überlebenden zusammenscharren und durch Hugh Glasses Verwundung vor eine große Entscheidung gestellt werden, ist von derart Stringenz allerdings weit und breit keine Spur mehr.
Der Regisseur scheint angesichts der wunderschönen Landschaften mit erhöhter Laufzeit immer weiter in eine Art Schockstarre zu verfallen, voller Erfurcht von seiner eigentlichen Geschichte abzukommen. Schauplätze wirken nicht gewählt eingesetzt, sondern teilweise wie die alleinige Motivation einer Szene. Da sind Einstellungen, in denen Charaktere scheinbar planlos durch wunderschöne Wildnissen stapfen – man weiß wo sie hinwollen, ein Gefühl für Fortschritt der Reise, wenigstens Kontinuität, bekommt man nicht. So wirkt es fast wahllos, wenn Leonardo DiCaprio, Tom Hardy (der mir noch am besten gefällt, Hardy halt) oder eine dritte Truppe von einem etwa identischen Ausgangspunkt völlig wiedererkennungslos durch die Gegend stapfen oder kriechen.

Apropos kriechen: In The Revenant gibt es eine Szene, die wirkt, als wäre die Uhr wieder auf null gestellt. Wer ihn gesehen hat wird wissen welche ich meine, das war zu viel für mich, hat mich fast zum unfreiwilligen Lachen gebracht. Gleiches gilt für die Art, wie in einer Sequenz, in der zwei Reisende aufeinander treffen, der Satz “Ich habe meine Familie auch verloren” fällt.
Das alles vermittelt zwanghafte Gefühle so einhämmernd, dass wahre Emotionen eben gar nicht erst entstehen können. The Revenant ist tumb, lässt DiCaprio Leid als Akkord durchstehen und lässt diesem dabei keinen Raum, einen glaubhaften, echten Charakter aufzubauen. Er wirkt fast wie eine Karikatur eines schon so oft gesehenen Schreies nach der höchsten Auszeichnung der Filmbranche.
Iñárritu möchte Gefühle, möchte Tragik, erstickt sie aber schon den kleinsten Keim mit einem großen Holzhammer namens Leid. Es sind die kleinen Zwischentöne, das was zwischen den Zeilen steht, die den Zuschauer berühren und einbeziehen. Eben das, was Gefühle zu etwas menschlichem machen, statt einer puren Inkarnation seiner selbst.
Überraschend, wie kalt einen das hier Gezeigte lässt, wo das Fundament der Geschichte doch wie geschaffen scheint für greifbare Charaktere und wahre Bestürzung.

Auch sonst biedert sich der diesjährige Oscarfavorit leider eher an, als das er erfreuen würde. So zieht sich eine immer wiederkehrende Mystik, eine Religionsmetaphorik, durch den Film, die sowohl auf Christen, als auch auf die einheimischen Indianer anspielt. Das sind Szenen, die dem Geschehen Tiefe verleihen sollen. Stattdessen wird uns die Illusion von einer tieferen Ebene geliefert. Nichts von dem hier gezeigten hat Hand und Fuß, ist stattdessen eher ein Taschenspielertrick, der uns in einen doppelten Boden der Bedeutsamkeit entführt, uns aber vor Augen führt, dass hier allein Leere herrscht, kein wirklicher Inhalt.

Dass die angespannte Lage von Indianern und den “Eroberern” fast vollkommen außer acht gelassen wird, ist schade, aber doch verständlich. Es ist das Einzelschicksal, von dem Iñárritu erzählen wollte, nicht aber die Dramatik, die sich zu dieser Zeit in den Weiten Amerikas abspielt.

Zwischenzeitlich scheint der Plot langsam vollkommen in Stillstand zu geraten, muss künstlich wieder Schwung aufnehmen, um irgendwie zum matten Finale zu finden.
Als das Drama dieses dann erreicht, wirft der The Revenant alles weg, was ihn noch zusammengehalten hat. Weit über zwei Stunden Laufzeit steuern unaufhaltsam auf diesen Punkt hin, bauen den Druck auf, richtig knallen zu müssen, letztendlich entweicht die angestaute Luft aber ganz langsam und unauffällig. Befriedigend für den Zuschauer ist das keineswegs. Hinterlassen wird ein aufgeplustertes, gezwungen dramatisches Stück Film, das größtenteils aus Taschenspielertricks besteht und sich letztendlich anfühlt, als habe die Landschaft die Kontrolle an sich gerissen und den Film regiert, nicht jedoch der gelobpreiste Mann auf dem Regiestuhl.


Es hätte eine spannende Geschichte werden können, die Iñárritu hier erzählen wollte, hätte dieser sich nicht auf dem Weg in einer wunderschönen Landschaft verrannt, um sich schließlich von einer Lawine voll stumpfer Gefühle zu überhäufen.
Bewertung: 2/5 (Enttäuschung)


Regisseur:  Alejandro González Iñárritu
Darsteller:  Leonardo DiCaprio, Tom Hardy, Will Poulter
Laufzeit: 156 min
Startdatum: 07.01.2016


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