Lohnstrukturerhebung – Anstieg des Medianlohnes und was sonst noch alles dahinter steckt

Vor zwei Tagen hat das Bundesamt für Statistik die ersten Resultate der Lohnstrukturerhebung für das Jahr 2012 preisgegeben. Demnach betrug der Bruttomonatslohn im Durchschnitt in der Privatwirtschaft 6118 Franken. Dies bedeutet ein Anstieg des Medianlohnes um 13.4% in den letzten zehn Jahren. Auch gegenüber 2010 ist eine Zunahme zu bemerken (+ 3.2%).

Die Lohnschere geht weiter auf

Klingt alles schön und gut, doch der Medianlohn ist nun mal nur der Durchschnitt und ein Anstieg dessen muss noch lange nicht heissen, dass alle Löhne anstiegen. Obwohl durch die Erhebung entdeckt wurde, dass selbst die Tiefstlöhne etwas anstiegen, erhöhten sich die oberen Lohnstufen umso stärker, womit die Lohnschere sich weiter öffnet. Denn die Gehälter der am besten bezahlten 10 Prozent der Arbeitnehmenden stiegen seit 2002 um 22.9%, währende jene der am schlechtesten bezahlten 10 Prozent nur um 9.5% anstiegen. Im Jahr 2002 betrug der Abstand zwischen den höchsten und den tiefsten Löhnen noch den Faktor 2.6. Im Jahr 2012 erhöhte sich dieser nun auf 3.0. Die gute Nachricht: der Anteil an Tieflohnstellen blieb laut BfS in den letzten zehn Jahren ungefähr gleich (2002:10.5% – 20012: 10.0%). Vor allem der Detailhandel, das Gastrogewerbe und Dienstleistungen für Private haben einen hohen Anteil an Tieflohnstellen.

Frauen verdienen ein Viertel weniger als Männer

Ebenfalls verändert hat sich der Lohnunterschied zwischen den beiden Geschlechtern.  In den letzten zwei Jahren stieg die Differenz von 18.4% auf 18.9%. Vom BfS wird dieser Unterschied zunächst durch “unterschiedliche Profile” (Alter, Ausbildung, etc.) begründet, obwohl die Medienmitteilung gleich im darauf folgenden Satz bemerkt, dass bei gleichen Profilen die Frauen durchschnittlich 25,1% weniger verdienen als Männer. Ausserdem steigt der Unterschied bei zunehmender Verantwortung.

Reaktionen

Die Lohnerhebung hat, wie man sich denken kann, zu diversen Reaktionen geführt. Vor allem der geschlechterspezifische Lohnunterschied hat die Diskussionen um Lohnungleichheit neu entfacht. So erklärt Arbeitsgeberpräsident Roland Müller in seinem Referat zur BfS-Lohnstrukturerhebung, dass Männer eher dazu bereit seien, längere Arbeitsstunden zu leisten und daher auch besser entlöhnt würden. Frauen hingegen würden geregelte Arbeitszeiten bevorzugen und daher automatisch und logischerweise weniger verdienen. (Aus dem selben Grund seien Frauen in höheren Positionen und Kadern auch weniger vertreten). Gegen diese Aussage verfasst Michèle Roten im Tagesanzeiger einen Artikel und gibt dem System (also unserer Gesellschafts- und Arbeitsstruktur) die Schuld: die Firmenkulturen seien frauenfeindlich und liessen Frauen keinen Platz für Familie. Ob dieses Argument die Aussage von Herrn Müller entmächtigt, ist fraglich. Hier entfacht sich allerdings eine Diskussion in eine ganz andere Richtung.

Gerade zum richtigen Zeitpunkt ist die Lohnstrukturerhebung auch für Gegner und Befürworter der Mindestlohninitiative erschienen. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung scheint mir kaum zufällig gewählt worden zu sein. So benutzt der Chefökonom des Gewerkschaftsbundes die Ergebnisse sogleich für die Werbung der Initiative und die NZZ betitelt ihren Artikel dazu mit “Rückenwind für Forderung nach Lohnpolizei”. Die Handelszeitung beschäftigt sich vor allem mit dem regionalen Unterschied, wobei Basel Zürich eingeholt hat und das Tessin lohnmässig weg vom Fenster ist.


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