Es gibt Dinge, die bei denen ich mich immer wieder frage, das das eigentlich soll. Beispielsweise Umfragen. Ein typisches Beispiels ist etwa diese Pressemitteilung über eine Umfrage des Finanzdienstleisters Skrill.
Darin geht es um die Frage, wie viel Geld die Deutschen zum Leben brauchen. Oder besser: Mit wieviel Geld die Leute meinen, in Deutschland über die Runden kommen zu können. Da frage ich mich doch: Warum will Skrill das wissen? Wollen die damit herausfinden, dass die Leute zu wenig Geld zum Leben haben? Oder gar zu viel?
Wenn ich die Leute frage, wieviel Geld sie denn bräuchten, heißt das ja längst nicht, dass sie auch darüber verfügen. Okay, Skrill wird schon wissen, was sie mit dieser Umfrage wollen. Aber verraten tun sie es nicht. Vielleicht müssen sie einfach alle paar Monate eine verdammte Umfrage machen, weil der Umfragenbeaufragte des Unternehmens darauf besteht, damit man dann eine schöne Pressemitteilung machen kann. Öffentlichkeitsarbeit, Marke bekannt machen und so. Man kann ja nie wissen, vielleicht findet man am Ende sogar wirklich etwas heraus. Dabei sind die meisten Fragen bei Umfragen schon so dämlich formuliert, dass dabei nichts Vernünftiges heraus kommen kann.
So viel Geld brauchen die Leute zum Überleben: Übersicht nach Bundesländern. Quelle: http://corporate.skrill.com/
Wobei, interessant sind die Ergebnisse schon, auch wenn nicht klar wird, was Skrill davon hat. Aber vielleicht ist genau das die Absicht. Ein Ergebnis ist jedenfalls, dass 69 Prozent der Befragten angeben, von weniger als 1000 Euro pro Monat leben zu können. Das finde ich erstaunlich – mehr als zwei Drittel der Deutschen haben offenbar eine vergleichsweise bescheidene Lebensführung oder könnten sich zumindest vorstellen, entsprechend bescheiden zu leben. Leider verrät Skrill nicht, was es denn konkret bedeutet, dass man von einer bestimmten Geldsumme pro Monat leben kann. Ist damit wirklich leben und sich dabei gut und zufrieden fühlen gemeint? Wohnung, Auto, Urlaub, mal nett Essen gehen, schicke Klamotten, Smartphone samt Vertrag und so weiter? Oder vielmehr gerade so überleben – also alle lebenswichtigen Kosten – Wohnung, Energie, Nahrung, Kleidung, Kommunikation, Mobilität – bestreiten zu können ohne irgendwelche Extras?
Von 1000 Euro in einer deutschen Großstadt überleben zu müssen, ist für eine Einzelperson natürlich machbar, aber nicht so richtig komfortabel, da geht ja schon die Hälfte für die Miete weg, selbst wenn man nicht auf ein Luxusappartment besteht. Mit mehreren Menschen im Haushalt sind 1000 Euro pro Nase natürlich gleich viel angenehmer – wenn mein Drei-Personen-Haushalt über ein Nettoeinkommen von 1000 Euro pro Person verfügen würde – das wäre nicht nur komfortabel, sondern purer Luxus.
Auf dem Land im eigenen Haus ist die Sache noch mal ganz anders. Da fällt ja der große Kostenblock Mietzahlung weg – dafür braucht man aber meistens ein Auto, um von A nach B zu kommen, was auch kostet.
Ich hätte gefragt, was die Leute denn zum Überleben brauchen und was das jeweils kostet. Da würde man doch viel eher heraus finden, wie der Finanzbedarf tatsächlich ist. Und dann könnte man noch fragen, wie groß die Spanne ist zwischen dem, was die Leute tatsächlich brauchen und dem, was sie tatsächlich an Einnahmen haben. Dabei würde man vermutlich heraus finden, dass es eine Menge Menschen gibt, die trotz bescheidener Ansprüche weniger haben als sie bräuchten. Aber offenbar ging es weniger um eine Bestandsaufnahme der konkreten finanziellen Situation der Deutschen als um die gefühlte.
Außerdem hat die Skrill-Umfrage wenig überraschende Verteilungen ergeben: Die unter 30-Jährigen begnügen im Durchschnitt mit weniger Geld als die älteren Befragten, Frauen brauchen im Durchschnitt weniger Geld als Männer und in Mecklenburg-Vorpommern sind die Leute mit viel weniger zufrieden als in Niedersachsen oder Baden-Württemberg. Interessant auch, dass die Menschen in den Stadtstaaten Bremen, Hamburg oder Berlin trotz der hohen Mieten vergleichsweise wenig Geld zum Überleben brauchen. Wobei ein Hartz-IV-ler ja relativ genau weiß, was er zum Überleben braucht – das ist nämlich konkret das, was er jeden Monat zugewiesen bekommt. Und gemessen am staatlich festgelegten Existenzminimum sind 1000 Euro pro Monat schon wieder vergleichsweise viel.
Die Hitliste der Bescheidenheit nach Skrill:
1. Mecklenburg-Vorpommern 643 Euro
2. Bremen 667 Euro
3. Thüringen 675 Euro
4. Hamburg 707 Euro
5. Berlin 756 Euro
6. Saarland 768 Euro
7. Schleswig-Holstein 777 Euro
8. Sachsen-Anhalt 792 Euro
9. Bayern 792 Euro
10. Sachsen 804 Euro
11. Brandenburg 805 Euro
12. Nordrhein-Westfalen 809 Euro
13. Hessen 904 Euro
14. Rheinland-Pfalz 966 Euro
15. Niedersachsen 1076 Euro
16. Baden-Württemberg 1127 Euro
Für die repräsentative Erhebung wurden 1001 Personen in der Zeit vom 2. bis 7. März 2012 online befragt, mit wie viel Geld pro Monat sie über die Runden kommen würden. Im Auftrag des Online-Bezahldienstes Skrill hat die Goldmedia Custom Research GmbH die Umfrage durchgeführt. Es gibt auch noch ein Video dazu, erzählen Deutsche unter anderem, wie viel Geld sie zum Leben mindestens brauchen und was Luxus für sie bedeutet: