USA 2013
Mit Kaya Scodelario, Jessica Biel, Frances O’Connor, Alfred Molina, Aneurin Barnard u.a.
Drehbuch und Regie: Francesca Gregorini
Dauer: 95 min
Was für ein pompöser – und völlig unpassender – deutscher Verleihtitel! Da kann man nur den Kopf schütteln: Guckt man sich das Cover der deutschen DVD/Blu-ray an, stellt man zudem entsetzt fest, dass dieses sensible Psychogramm als Horrofilm verkauft wird. Sogar der Aufkleber „ab 16“ fehlt nicht. Was für ein unglaublicher Unsinn! Mit einem Horrorfilm hat The Truth About Emanuel etwa soviel gemeinsam wie ein Sperling mit einem Flugsaurier. Schade, denn so wird ein durchaus sehenswertes Kammerspiel vor lauter Verkaufseifer im falschen Genre verheizt!
Bei Francesca Gregorinis Zweitlingsfilm handelt es sich um eine feinsinnig gesponnenes Beziehungsdrama, in dessen Mittelpunkt zwei Frauen und ein Baby stehen. Die Titelgebende Emanuel (Scodelario), eine von Schuldgefühlen zerrissene Teenager-Göre, gibt sich die Schuld am Tod ihrer Mutter (sie starb während Emanuels schwieriger Geburt) und rebelliert prizipiell gegen alles, vor allem aber gegen die neue Freundin des Vaters. Als eines Tages eine offensichtlich alleinstehende junge Frau (Biel) mit ihrem Baby ins Nachbarhaus einzieht, ist Emanuel sofort fasziniert – nicht nur, weil die neue Nachbarin, Linda, der verlorenen Mutter ähnlich sieht.
Emanuel bietet sich als Babysitterin an, die beiden Frauen freunden sich langsam an. Allerdings spürt Emanuel (und mit ihr die Zuschauer) dank kleiner, vor der Regisseurin subtil eingestreuter Irritationen, dass mit Linda etwas nicht ganz zu stimmen scheint. Und der Film ist nocht nicht mal in der Hälfte angekommen, da erfahren wir auch, was es ist.
Ab dort verfolgt der Film eine ganz andere Spur: Er zeigt, wie Emanuel sich mit Linda arrangiert, wie die beiden Frauen durch die Offenbarung des schrecklichen Geheimnisses nur noch näher zusammenrücken und eine abgezirkelte Gemeinschaft in einer Art Fantasiewelt formen. Die Zuschauenden ahnen spätestens jetzt, worauf der Film hinauslaufen wird. Doch geschickte Drehbuchwendungen halten die Spannung aufrecht – es droht nämlich plötzlich die Aufdeckung von Lindas Geheimnis durch die Aussenwelt.
Man kann den Film tatsächlich so nacherzählen, dass er wie ein Horrormärchen klingt. Die Regisseurin jedoch vermeidet jegliche Ingredienzien dieses Genres (umso stupider, dass der Film in Deutschland in diesem Genre vermarktet wird). Dafür setzt sie auf feine Zwischentöne, subtile Beziehungsschilderung, psychologische Feinheiten. Von Ihren Schauspielerinnen fordert sie damit Höchstes – Jessica Biel und Kaya Scodelario meistern ihre schwierigen Rollen hervorragend. Nur in der extrem heiklen Schlusszene ist Scodelario sichtlich überfordert und mit ihr in gewisser Hinsicht auch die Regisseurin, was die Szene leider ihrer beabsichtigten Wirkung beraubt und sie leicht ins Lächerliche kippen lässt.
The Truth About Emanuel ist einer jener Filme, die eine Besprechung dadurch erschweren, dass man nicht zuviel von der Handlung preisgeben sollte. Das wirklich Beachtenswerte an Francesca Gregorinis Streifen ist allerdings die Figurenzeichnung, die psychologisch stimmige Darstellung der Beziehungen und die feinfühlige Dramaturgie und Schauspielerführung. Man kann nur hoffen, dass die Frau weitere Filme drehen wird.
Die Regie: 8 / 10
Das Drehbuch: 9 / 10
Die Schauspieler: 8 / 10
Gesamtnote: 8 / 10
Für Bewohner der Schweiz: (Die vorgängige Installation eines Adblockers ist zu empfehlen)
Originalversion ohne Untertitel (rechts auf „Mirror 3“ klicken)
deutsch synchronisierte Version
Für EU-Bewohner:
The Truth About Emanuel gibt es im deutschsprachigen Raum auf DVD und auf Blu-ray (deutsche Synchro / englische Originalfassung mit deutschen UT). Gestreamt werden kann er zudem bei
amazon prime video, iTunes, maxdome, Google Play, Sony, Videoload und Microsoft; sie alle haben den Film nur in deutscher Synchro im Programm. Als einziger bietet Videobuster den Film in deutscher und englischer Fassung (ohne UT) an.