Land ohne Worte

Die Schriftstellerin Dea Lohner unternahm im Jahr 2005 eine Reise durch Afghanistan und verarbeitete ihre Erfahrungen und Eindrücke in dem Werk „Land ohne Worte“, im Englischen “Land without words”. Anlässlich des „Festival premières“ brachte die deutsche Regisseurin Lydia Ziemke dieses Stück auf die Bühne des TNS in Straßburg.

Land ohne Worte

Lucy Ellinson in "Land without words" (photo: Claire Schirck)

Der Monolog gewährt uns Einblick in den emotionalen Zustand und die psychologisch, therapeutische Aufarbeitung dieser Reise. Es ist ein „Kriegsbericht“, der an die Nieren geht und das nicht zuletzt aufgrund der hervorragenden schauspielerischen Leistung von Lucy Ellinson, die überzeugend ihre Machtlosigkeit und die emotionale Achterbahnfahrt während des Aufenthalts in Kabul darzustellen weiß.

Das Stück beginnt eigentlich mit dem Eingeständnis der absoluten Sprachlosigkeit anlässlich der Gräueltaten und der Entsetzlichkeiten, derer sich Lohner ausgesetzt sah. Das schlichte Bühnenbild, welches in keiner Weise Bezüge zu Afghanistan oder Kabul zeigte, machte deutlich, dass es hier nicht nur  die Erlebnisse  der Schriftstellerin in Afghanistan angesprochen werden sollen, sondern vielmehr die Position von Künstlerinnen und  Künstlern während eines Krieges, wo auch immer er stattfindet. Welche Ausdrucks- und Darstellungsmöglichkeiten bleiben noch, wenn man vor Schaudern, Elend, Angst und Grausamkeit sprachlos ist? Wann ist es einem subjektiv nicht mehr möglich, Kunst in welcher Art und Weise auch immer zu produzieren, da der tägliche Kampf ums Überleben zu übermächtig wird und die psychische Belastung nicht mehr zu ertragen ist? Dea Lohner lässt ihre Figur als Malerin nach Afghanistan reisen. Als Malerin, die nach ihrem eigenen Gefühl vor ihrem Kriegstrauma alles malen hätte können, was mit Farbe auszudrücken ist. Diese Malerin ringt und kämpft mit ihren Impressionen und es fällt ihr äußerst schwer, diese Emotionen auf eine Leinwand zu bringen. Doch angesichts des Krieges bleibt ihre Palette nur mehr braun und schwarz – das einst so strahlende Weiß ist darauf nicht mehr zu finden. Immer wieder monologisiert sie über Kunsttheorie, um zugleich auch die Verzweiflung und die Abgründe, die sich in ihrem Inneren und auch in ihren Erlebnissen in Kabul aufgetan haben, offenzulegen. Bis zum Schluss zweifelt sie an den Möglichkeiten der Kunst, ja hadert mit ihr, da die Malerei ihrer Meinung nach tatsächlich nicht fähig ist, sich dem Schmerz, der Gewalt und dem Elend auch nur zu nähern.

Ellinson schafft es, durch die stringente Regie von Lydia Ziemke, bei den Besucherinnen und Besuchern Betroffenheit und auch Nachdenklichkeit auszulösen. Wie sich ihre zu Beginn so makellos weiß entblößte Brust bis zum Schluss hin mit Resten von schwarzer Erde verklebt, erzeugt eine extrem anschauliche Metapher, die bildlich macht, wie sehr Terror einen Menschen entstellt.  Die in dunkles Licht getauchte Bühne, beherbergt nur einen schmalen, hohen Tisch, der fast an eine Werkbank erinnert, welcher der Protagonistin auch als Bett dient. Nichts  in ihrem persönlichen Umfeld strahlt mehr Wärme und Geborgenheit aus, alles Menschliche ist darin verschwunden. Lohners Text bewirkt, dass man, angesichts solcher Eindrücke, in den herkömmlichen Kategorien über Kunst und deren Wirkung anders nachdenken muss, ja dass man förmlich danach gezwungen ist, sich sowohl über die Kunst als auch deren Produktion und Rezeption ein völlig neues oder zumindest modifiziertes  Gedankengebäude zurecht zu legen. Nach diesem Stück bleibt keine Chance in ein wohliges, bürgerliches Kunstverständnis zurückzukehren und so zu tun, als ob Gewalt, Elend und Hass keine Denkkategorien für uns mehr seien. Wir müssen akzeptieren und hinnehmen, dass außerhalb der Grenzen Europas, Elend und Krieg immer noch an der Tagesordnung ist und Kunst – zumindest für die Autorin und die Regisseurin – in diesem Umfeld keinen Platz findet. Das Stück endet kein bisschen versöhnlich, was gut ist. Eine sperrige, aber zugleich packende Arbeit, die es verdient, auf vielen Bühnen gezeigt und gespielt zu werden. Vielleicht sogar in Afghanistan, wenn statt Krieg Kunst in diesem Land wieder Einzug halten kann.


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