Anschauen kann man sich das hier *KLICK*
Und hier nochmal die Geschichte, in der es im besagten Beitrag geht:
Der unvergessliche Film
"Titanic" wird vermutlich vielen Menschen auf irgendeine Art und Weise in Erinnerung geblieben sein. Sei es, weil es sich um wahrhaftige Bewunderer des Streifens handelt, oder weil sie von einer weiblichen Person unter Androhung der Höchststrafe gezwungen wurden, sie beim Kinogang zu begleiten. Bei manchen sorgte die unfassbare Länge dafür, dass dieses Werk nicht mehr aus ihrem Gedächtnis zu löschen ist, bei den meisten wahrscheinlich die Geschichte oder die schauspielerische Leistung.
Bei mir ist allerdings ein völlig anderer Grund schuld daran, warum ich noch immer lächelnd an den Abend zurückdenke, an dem ich mich das erste Mal dem besagten Film widmete.
Ich, damals im zarten Alter von achtzehn Jahren, hatte bis dato meine Begeisterung für die Romantik nicht entdeckt. Es vermag demnach nicht viel, um sich ausmalen zu können, mit welchem Entzücken ich reagierte, als meine Freundinnen beschlossen, man begebe sich nun also am Wochenende in die Abendvorstellung der "Titanic". Jegliche Versuche meinerseits, das drohende, über mir hängende Damoklesschwert noch zu vernichten, schmetterten die jungen Damen, die sich Freundinnen schimpften, ohne Ausnahme nieder.
Freitagabend? Da fielen mir aber weitaus sinnvollere Dinge ein, die ich erledigen konnte. Selbst putzen, was ich zugegebenermaßen bis heute als ein lästiges Muss empfinde, wäre mir eine willkommene Alternative gewesen. Denn das Einzige, was ich mit dem Werk in Verbindung brachte, belief sich auf Knieschmerzen. Mir war bereits bewusst, dass ich das Kino für etliche Stunden nicht verlassen durfte. Eine Runde Beine vertreten? Fehlalarm!
Dennoch ließ ich mich von meinen überaus motivierten Freundinnen überreden. Zum einen, da sie mit einer Pause im Film lockten, zum anderen, da ich ahnte, dass sich jedermann den Streifen anschaute. Gewollt oder ungewollt. Und letztendlich würde genau dieses Thema wochenlang in der Schule, dem Freundeskreis und dem Fernsehen diskutiert werden. Somit war es unumgänglich, sich das Schauspiel anzuschauen. Selbst für mich. Man wollte ja schließlich mitreden.
Zuguterletzt wusste ich aber auch, dass es sich in einer Freundschaft wie in jeder anderen Beziehung verhielt: Nehmen und geben. Sie nahmen mir die Aussicht auf ein herrliches Wochenende und ich gab Ihnen dafür meine Begleitung.
Gesagt, getan. Einige Tage später saß ich, meinem Schicksal ergeben, in dem maßlos überfüllten Kinosaal. Aufgrund des immensen Andrangs bekamen wir leider nur noch Plätze in den vorderen Reihen des Kinos, was meine Vorfreude ins Unermessliche steigerte. Ich machte es mir bequem und zwang mich, die positiven Dinge des Abends zu sehen. Wie zum Beispiel den Cocktail, den ich mir nach der Vorstellung genehmigen wollte. Vorausgesetzt, dass ich bis dahin noch gehen konnte und meine Beine nicht völlig taub waren.
Als sich dann allerdings ein äußerst gutaussehender Mann, der allem Anschein nach nur ein paar Lenze älter war als ich selbst, zu meiner Rechten setzte, wagte ich mich kaum zu hoffen.
Nahm der Abend etwa doch eine spontane, positive Wendung? Die ersten Zeichen standen zumindest besser als noch vor ein paar Stunden. Ich ließ mich auf das Spektakel, das ich vor mir hatte, ein. Und insgeheim freute ich mich ja ein klein wenig darauf.
Nachdem meine Begleiterinnen und ich uns mit Unmengen Eiskonfekt aus dem Bauchladen des sich durch die Reihen quälenden Verkäufers eingedeckt hatten, konnte die Vorstellung beginnen. Die Jumbo Packungen Cola und Popcorn lagen bereit und ich entschied, mit dem "Film des Jahrhunderts“, wie ihn alle nannten, vorerst Frieden zu schließen.
Nach etlichem Geschmalze, einer Liebesszene und dem ekelhaften Widersacher des allseits beliebten Leos, war es dann so weit: Todesmutig sprang er vor unseren Augen und in Begleitung mehrerer empathischer Laute aus dem Publikum - vornehmlich aus weiblichen Mündern - ins eiskalte Wasser und gab sich für seine Kate auf. Ein Schluchzen, das mich an die traurige Form einer La-Ola-Welle erinnerte, ging durch das Kino.
Plötzlich wurde ich unsanft aus meinen Beobachtungen gerissen. Jemand warf sich an meine Schulter, begleitet von herzzerreißendem Wimmern. Bäche von Tränen, die langsam, aber sicher den oberen Teil meines Pullis in einen klebenden, nassen Lappen verwandelten, suchten sich geduldig ihren Weg. Schockiert zuckte ich zusammen. Nein, meine Freundin neben mir weinte zwar, aber die Person, die offensichtlich nicht vorhatte, sich in nächster Zeit von mir zu entfernen, war der hübsche Herr zu meiner Rechten.
Nun begann also mein eigenes, kleines Schauspiel in dem riesigen Kinosaal. In Windeseile gestellten sich Engelchen und Teufelchen auf meine Schultern.
"Pah", sprach das deutlich angewiderte Teufelchen, das es sich in den Hinterlassenschaften meines Nachbars bequem machte. "Wirf das Weichei von deiner Schulter. Sofort! Was ist denn das für ein Kerl? Kräftig wie ein Bulle, aber flennen wie ein Baby?"
"Also bitte!", entgegnete ihm jetzt das verzückte Engelchen und fuhr sich durch seine blonden Locken. "Ein Mann der Gefühle zeigt. Wie herrlich!"
Na wunderbar. Auch das noch - Himmel und Hölle saßen diskutierend auf zwei meiner Körperteile. In jeder anderen Lebenslage hätte ich den Herrn unverzüglich in seine Grenzen verwiesen, aber aus mir unersichtlichen Gründen erweckte das weinende Bündel Mitleid in mir. Ich zog ein Taschentuch aus der Box neben meiner Freundin, die selbstverständlich hervorragend für den Film ausgestattet war, und reichte es ihm.
„Kann ja mal passieren“, dachte ich mir. „Engelchen liegt richtig. Schließlich möchten wir Frauen doch, dass Männer Gefühle zeigen?“, redete ich mir die Situation schön.
Als meine kleine Aufmerksamkeit in die Reichweite seines Sichtsfelds gelang, erhob mein Nachbar seinen Kopf und schenkte mir ein wunderschönes Lächeln, das sofort sämtliches Eiskonfekt im Umkreis von zehn Metern zum Schmelzen brachte. Er offenbarte seine weißen, makellosen Zähne und strahlte mich mit überraschten , grünen Augen an.
„Dankefön. Alfo daf ist aber lieb von Ihnen. Ich glaube, meinem Kumpel da drüben bin ich tfiemlich peinlich.“
Fragend schweifte sein Blick zu einem hageren Mann, der neben ihm saß. Sein Freund wirkte weitaus weniger männlich und auch in Sachen Schönheit stand er gehörig im Schatten seiner Begleitung. Seine einzige Reaktion bestand aus einem genervten Nicken.
Jetzt konnte ich nicht mehr an mich halten. „Das glaubt mir doch keiner. Ein Bild von einem Mann, der nebenbei locker als Unterwäschemodel durchgeht, schmiegt sich heulend an mich und lispelt mir ins Ohr, während sein weitaus unmännlicherer Kumpel am allerliebsten im Erdboden versinken würde", dachte ich mir.
Mein ganz persönliches Résumé führte zu einem lauten Prusten und einem Lachanfall, die das einheitliche, mittlerweile wieder leisere, Schluchzen meiner Mitinsassen übertönten. Derweil mir von den Damen erboste „Pssts“ entgegenflogen, klatschten einige männliche Exemplare Applaus und stiegen in mein Lachen mit ein. Es konnte ja keiner wissen, dass es nicht der Film war, der mich so amüsierte. Etwas Romantik lebte sogar zu meiner Blütezeit in mir. Und Freude bewirkte das Schicksal der bemitleidenswerten Protagonisten wahrlich nicht in mir.
Nun meine Frage an Sie: Wo erlebt man denn sonst eine derartige eine Geschichte, wenn nicht im Kino?
Es gibt wohl wenige solche Erlebnisse, die man nach über fünfzehn Jahren noch immer gerne erzählt.
Der junge Mann fragte mich übrigens am Ende der Vorstellung nach meiner Telefonnummer. Er wollte mich doch ernsthaft in eine zweite Runde "Titanic" einladen.
Raten Sie bitte, welche Antwort ich ihm gab.
Ein kleiner Tipp: Das Teufelchen ließ bei seiner Argumentation das blendende Aussehen meines Gegenübers nicht zählen!
Herzliche Grüße, Ihre Lana Silny
Mit diesem Text nahm ich am Schreibwettbewerb "Verliebt ins Kino" anlässlich der 61. Münchner Filmkunstwochen teil und kam unter die 5 Finalisten. Nachzulesen hier : *KLICK*
Mehr Infos: http://www.lana-silny.de/kurzgeschichten/