Kitchen Impossible: Tim Mälzer und Tim Raue schicken sich gegenseitig in fremde Länder, um dem Kontrahenten fiese Koch-Aufgaben zu stellen. Das klingt wie Joko gegen Klaas, macht aber viel mehr Spaß, weil dieses großartige Koch-Format Macho-Sprüche-Klopperei mit selten gebotenen Einsichten in die Arbeitsweise und Emotionen von Gourmet-Koryphäen bietet.
Es ist fast schon eine Schande, dass die Macher dieser Show mit “Kitchen Impossible” einen regelrecht trashigen Namen für eine Sendung gewählt haben, die mehr Tiefgang hat, als ihr Name verspricht. Kitchen Impossible ist Reality-TV, Show-Duell und interkulturelle Reportage gleichzeitig. Insgesamt eine Mischung, die eine verödende Koch-TV-Landschaft herrlich herb erfrischt.
Kitchen Impossible lebt und funktioniert nur durch die beiden Antagonisten Raue und Mälzer, die auch entsprechend als absolute Antipole inszeniert werden. Verbindendes Element ist einzig die große Klappe, die sie sich vielleicht das ein oder andere mal hätten verkneifen können – aber geschenkt! Raue ist der Techniker, präzise-rational, der Haute Cuisine zelebriert und komplexe Teller kreiert. Mälzer gibt den groben Hobler, Wie-bei-Muttern-Kocher – emotional, spontan, aus dem Bauch. Genau darauf fußen die Herausforderungen.
Raue schickt Mälzer direkt ins Herzen der Schweizer Gourmetwelt – in die Küche von Andreas Caminada. Dort soll er Caminadas Siganture Dish nachkochen. Ein Gericht aus 17 Komponenten, die Mälzer analysieren muss. Anschließend: Zutaten kaufen und das Meistwerwerk mit aller Akribie, die ein enges Zeitfenster zulässt (alleine!) für 10 Gäste nachbauen. Mälzers heillose Überforderung wirkt in keiner Sekunde gespielt. Man leidet mit, als ihm mitten im Endspurt heißes Fett ins Auge spritzt und der Zuschauer erkennt, warum man bei einem Sternekoch nicht mal eben für 10 Euro Mittagstisch essen kann. Wenn selbst ein begnadeter Koch und ein Berufs-Großmaul wie Mälzer hier kurz vor dem Scheitern steht, dann wird auf ganz banale Art und Weise Wertschätzung für das Kunsthandwerk Kochen vermittelt. Gleichzeitig entzaubert er ein Kunstwerk auf dem Teller, indem es analytisch in seine einzelnen Bestandteile zerlegt. Dass beides zusammen gelingt ist der Verdienst eines tollen Konzepts.
Herrlich erfrischend ist dann auch Mälzers “Rache”. Er schickt Raue in die tiefsten Tiefen Polens und der steht dort vor einer vollkommen andersartigen Challenge: Hefezopf, Fleisch-Strudel und Eistee-Gebräu sind die Vorlage für Raues Irrlauf durch ein verschlafenes Tataren-Dorf. Wenn der Sternekoch Raue biedere Hausmannskost zerpflügt lacht sich der Zuschauer mit dem Rivalen Mälzer ins Fäustchen und ist dann fasziniert, wie sich Raue durch Verständigung mit Händen und Füßen seine Zutaten im Dorfladen beschafft. Nebenbei erklärt die Ober-Tatarin des Dorfes das Geheim-Rezept (natürlich in Abwesenheit des Kandidaten). Kleine interkulturelle Exkurse in einfach eingerichteten Küchen treffen auf echte Emotionen und glaubhaften Ehrgeiz. Der schmierige Raue, der eben noch mit Louis Vitton-Täschchen ins Gasthaus marschierte, stürzt sich Film-Sekunden später in die fremde Kultur, legt seinen elitären Schleier ab und macht sich die Hände schmutzig. Das sind Momente, die Kitchen Impossible zu einem revolutionär besseren Koch-Format machen als alles, was bisher so über den Äter rauschte.
Da lässt sich verschmerzen, dass hier und da etwas viel geflucht wird (Fuck, Fucker, Fuck, Scheiße”), die Musik dem actionmäßigen Namen der Show mehr als gerecht wird und die Bildsprache gerade in Polen etwas zu sehr in düstere Klischees abrutscht. Was Raue und Mälzer hier an kulinarischer Aufklärungsarbeit leisten kompensiert das alles locker. Warenkunde, Reportage, Kochduell – mit Staunen, Ekel, echtem Schmerz und echtem Schweiß. Koch-Fernsehen, ich will dich NIE wieder anders.