Kostenlose Wellness am Arbeitsplatz


Von Gaby Feile
Wir wissen und spüren alle, dass wir einen Großteil unseres Lebens bei der Arbeit verbringen. Unsere Kollegen und unseren Chef sehen wir im Durchschnitt länger und öfter als unsere Familien und Partner. Dennoch gibt kaum jemand an, dass er immer gerne zur Arbeit geht und die Zeit am Arbeitsplatz genießt. Warum, frage ich mich, gestalten wir diese Zeit nicht angenehmer für uns? Weshalb kaufen wir uns teure Entspannung in unserer Freizeit? Warum sind Wellness-Tempel am Wochenende voll, und wieso verreisen wir nicht nur einmal sondern mehrmals im Jahr, am liebsten alle paar Wochen? Die meisten Menschen geben zur Antwort, dass sie im Stress sind und abschalten müssen. Work-Life Balance ist ein Modewort geworden, Burn-Out muss man einmal im Leben gehabt haben. Und ich behaupte, man kann am Verhältnis der Spas zur Einwohnerzahl einer Stadt ablesen, welcher Menge Stress die Menschen dort ausgesetzt sind. Ohne genaue Überprüfung der Zahlen habe ich das sichere Gefühl, dass Dubai auch hier die weltweite Liste anführt.
Interessanter Weise treffen die beschriebenen Stress-Fakten eher auf Angestellte
zu als auf Selbständige und Unternehmer. Dabei ist doch bekannt, dass Selbständige viel mehr arbeiten, eigentlich nie einfach nur Privatperson sind und weder Urlaub noch Krankheit bezahlt bekommen. Ein Grund für diese Zahlen, der sich bei Umfragen immer wieder bestätigt, ist, dass Selbständige aus ihrer Arbeit wesentlich mehr Zufriedenheit beziehen, weil sie ihr eigener Chef sind, meist ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht haben und Entscheidungen frei treffen können.
Unternehmen sind sehr kreativ, wenn es darum geht, Mitarbeiter zu motivieren und zu halten. Da werden Partys geschmissen, Ausflüge organisiert, Komitees gegründet und Gehälter erhöht. Innovative Firmen kreieren gar Positionen wie die des Wellness Managers, der sich ausschließlich um das Wohlbefinden der Mitarbeiter kümmern soll. All diese Dinge spielen eine wichtige Rolle dabei, das Unternehmen zu einem begehrten Arbeitgeber zu machen. Sie kosten allerdings alle Geld. Und das ist, nicht nur in Krisenzeiten, meist knapp.

Eine billige Lösung
Dabei gibt es eine kostenlose und sehr effektive Alternative - loben. Man hat herausgefunden, dass Lob gesund macht. Ganz wissenschaftlich erklärt funktioniert das so: Durch eine angemessene Würdigung straffen sich unsere Schultern, und im Vorderhirn wird der euphorisierende Botenstoff Dopamin ausgeschüttet. Die Folge: Man fühlt sich gut und ist mit sich, seinem Leben und seiner Umgebung zufrieden. Zudem steigen über Monate hinweg der Einsatzwille und die Motivation mit Lob bedachter Menschen, da sich durch den Botenstoff das Erfolgserlebnis in das Langzeitgedächtnis einprägt.
Bleibt Lob hingegen aus, werden Menschen frustriert und verlieren an Selbstbewusstsein. Zudem steigt das Erkrankungsrisiko für Depressionen und Herz-Kreislauf-Beschwerden. Im Beruf sind die nicht gehuldigten Personen zudem eher "kündigungswillig", da sie sich oft nicht mit dem Unternehmen identifizieren können. Speziell idealistische Mitarbeiter, die ihren Job ernst nehmen und sich in ihm ähnlich engagieren wie ein Unternehmer, sind betroffen. Die Menge an Arbeit und Energie, die man investiert, deckt sich nicht mit der Rendite, also dem, was man zurück bekommt.
Wie bleiben wir nun alle gesünder und sparen uns das Geld für Erholungsmaßnahmen? Wie kann ein Unternehmen Krankheitsraten, Fluktuation und Kosten senken?
Für die folgenden Vorschläge ist kein Brainstorming, kein Ausfüllen von Formularen samt Einholen von drei Unterschriften und kein Budgetantrag notwendig. Wir können alle sofort damit beginnen, ohne Zeitverzögerung, also jetzt gleich.

  1. Begegnen wir unserem Umfeld aufmerksamer und bringen wir selbst Anerkennung gegenüber Kollegen und Mitmenschen zum Ausdruck. Spontane Komplimente („Du siehst toll aus!“) zaubern sofort ein Lächeln auf das Gesicht des Gegenübers.
  2. Auch ein Schulterklopfen, ein erhobener Daumen oder simpler Applaus zeugen von Anerkennung. Gepaart mit einem Lächeln und einem Dankeschön, kann das Wunder bewirken.
  3. Respekt für die Leistung und die Talente anderer ist eine wichtige Voraussetzung, um loben zu können. Wir alle können irgendetwas besser als andere, deshalb gibt es keinen Grund zur Eifersucht, wenn der Kollege im Meeting brilliert. Nächstes Mal sind wir dran.
  4. Ehrlich und angemessen, aber regelmäßig, haben Lob und Komplimente den erwünschten Effekt. Man muss nicht täglich die Krawatte des Kollegen toll finden, aber an Tagen, wo sie besonders gut mit seinem Outfit und seinem Typ harmoniert, darf man das ruhig sagen.
  5. Auch wenn Kollegen oder Mitarbeiter „einfach nur ihren Job machen“ ist es wichtig, ihnen regelmäßig Feedback zu geben. Denn eine kontinuierlich hohe Arbeitsqualität ist auch etwas, das Anerkennung verdient, weil sie nämlich nicht selbstverständlich ist.
  6. Bei fehlender Würdigung im Beruf lohnt es sich, den Chef zu fragen, wie er z.B. die Präsentation gefunden hat oder wie mit den Ergebnissen der Abteilung zufrieden ist. Selbst wenn man nicht nur Lob erntet, weiß man wenigstens, wo man sich verbessern kann.
  7. Sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren hat sich ebenfalls als gutes Mittel bewährt, um Lob zu erhalten.
  8. Besonders wirksam ist Lob erfahrungsgemäß, wenn es vor Zeugen ausgesprochen wird, z.B. in einer Besprechung oder bei Mitarbeiterveranstaltungen. Meist folgen darauf nämlich weitere Anerkennungen, was dem Lob Echtheit verleiht und den Effekt vergrößert. Denken wir nur mal an die Stehenden Ovationen, die Bühnenkünstler in der Regel ausgiebig auskosten und, weil sie motiviert sind, auch auf die „Zugabe-Rufe“ gerne eingehen.
  9. Lob ist nicht automatisch mehr wert, wenn es von oben kommt. Der Azubi kann den Chef loben, der Abteilungsleiter den Direktor und die Kollegen sich untereinander. Auch Manager brauchen Anerkennung wenn sie gesund und motiviert bleiben sollen.
  10. Gegen ein kleines Geschenk in angemessenem Rahmen ist nichts einzuwenden, wobei hier eher die Geste zählt als der Wert. Bei teuren Geschenken wird man den Gedanken nicht los, dass man gekauft werden könnte.

Hilfreich für die eigene Gesamtzufriedenheit können übrigens auch ehrenamtliche Aufgaben oder sportliche Aktivitäten sein, bei denen die eigene Leistung zur Geltung kommt und geschätzt wird. Lob darf außerdem ausgekostet werden, und wenn es nicht von anderen kommt, darf man sich selbst loben - ohne schlechtes Gewissen.„Eine schöne Handlung aus vollem Herzen loben, heißt in gewissem Maße, an ihr teilhaben."

Diese Aussage des französischen Schriftsteller François de La Rochefoucauld sollte auch dem unsichersten Lobenden die Hemmungen nehmen. Das lächelnde Gesicht des Gegenübers reflektiert das Lob zu uns zurück, und auch wir fühlen uns gut. Ist das nicht schöner, als jemandem sagen zu müssen, was er falsch oder schlecht gemacht hat?


Und das können wir daraus lernen:
Lob erst bei der Abschiedsrede zu verteilen ist eindeutig zu spät.
Risiken und Nebenwirkungen von Lob sind bisher nicht bekannt und nur in äußerst seltenen Fällen zu erwarten.
Kostenlose Wellness am Arbeitsplatz
Es kann so einfach sein und gerne auch schriftlich: ein kleines oder großes Lob.

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