Kommentar zur Männergesundheit

Meistens versuche ich ja, meine eigene Meinung nicht zu offensiv in die Beiträge einzubringen. Ich halte es da mit Karl Popper, demnach eine objektive Sicht (auf die Daten) zwar niemals wirklich möglich ist, aber zumindest versucht werden soll. Bei einem Thema aber fällt es mir schwer, weshalb ich diesen Beitrag auch als Kommentar gekennzeichnet habe.

Die Gender Life Expactancy Gap

Die Rede ist von der unterschiedlichen Lebenserwartung von Männern und Frauen, genauer gesagt von der totalen Ignoranz des Problems durch die Politik. Vor kurzem fragte ich die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock nach den Plänen ihrer Partei, hier etwas mehr Geschlechtergleichheit herzustellen. Die Reaktion war eine lieblos dahin geschmierte Antwort, nach der die Politik hier leider nichts machen könnte, da der Unterschied in biologischen Unterschieden sowie unterschiedlichen Verhaltensweisen zu suchen sei. Genannt wurden der höhere Tabak- und Alkohlkonsum und das fehlende zweite X-Chromsom bei Männern.

Diese Antwort ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen sind biologische Geschlechterunterschieden für die Partei von Baerbock sonst kein Argument. Allerdings legen viele Studien nahe, dass die große Differenz in der Lebenserwartung ohnehin überwiegend sozial bedingt ist. Nach Aussage von Baerbock sind unterschiedliche Verhaltensmuster von Männern und Frauen kein Thema für die Politik. Das ist erstaunlich, wenn man weiß, wie lautstark sonst Rollenbilder beklagt werden. Warum die Tatsache, dass mehr Männer als Frauen auf der Karriereleiter nach oben streben gesellschaftlich bedingt ist und bekämpft werden muss, die geringere Rücksicht der Männer auf ihren Körper aber deren alleiniges Problem ist, weiß vermutlich nur Baerbock selbst. Dabei könnte man hier mit wenig Geld viel tun. Immerhin bietet der Bayerische Volkshochschulverband sogar zwei Weiterbildungen für vhs-Dozenten zum Thema „Fitness für Männer an". Aber ausgerechnet die selbsternannte „Gleichstellungspartei" findet, das Aufbrechen tradierter Rollenbilder sei kein Thema für die Politik.

Die Behauptung von Baerbocks Büro ist aber auch schlicht falsch. Ärzte gehen davon aus, dass rund zehnmal mehr Geld für die Bekämpfung typischer Frauenkrankheiten wie Gebärmutterhalskrebs als für die von Männerleiden wie Hodenkrebs ausgegeben werden. Trotzdem beschäftigt sich die Gendermedizin international vor allem mit der Frauengesundheit.

Und es gibt noch ein drittes Argument gegen Baerbocks Position. Das längere Leben der Frauen kostet die Kranken- und Pflegeversicherung Milliarden. Es wäre geradezu eine Pflicht, den gleichen Betrag in die Verringerung des Unterschieds bei der Lebenserwartung zu stecken.

Die Daten

Aber jetzt habe ich viel politisiert. Daten zu den Ausgaben von Pflege- und Krankenversicherung nach Geschlecht versuche ich für die nächste Woche zu bekommen. Heute geht es erst einmal um das Thema Lebenserwartung an sich. Ich habe ja bereits einmal dazu geschrieben, möchte aber noch einmal neue Daten hinzuziehen. Und damit es nicht zu langweilige für treue Leser wird, möchte ich dieses Mal auch etwas weiter zurückschauen.

Die Prognose für Jungen liegt bei den aktuell von mir verwendeten Daten für die Jahre 2015 bis 2017 (zu denen geht's hier) bei 78,4 Jahren, für Mädchen bei 83,2. Das ergibt einen Unterschied von 4,8 Jahren. 2010 (genauer für die Jahrgänge 2009 bis 2011) lag er noch bei 5,0 Jahren.

Das ist deutlich weniger als die im vergangenen Beitrag genannten 5,5 Jahre, was auf unterschiedliche Prognosen zurückzuführen ist. Denn wir wissen natürlich nicht, wie lange die 2015, 2016 und 2017 geborenen Kinder im Schnitt wirklich leben werden. Sollte es morgen zu einer Katastrophe kommen, kann sich die Schätzung als ziemlich falsch herausstellen. Das zeigt ein Blick auf weiter zurück liegende Daten.

Daten seit 1871

Man findet sogar Daten, die bis zum Geburtsjahrgang 1871 zurückreichen. Sie kommen sogar auf eine Lebenserwartung bei Geburt von 88,2 Jahren für Mädchen und 84,3 Jahren für Jungen. Das bedeutet auch eine noch geringere Differenz bei der Lebenserwartung von jetzt 3,8 Jahren.

Auch wenn diese Daten zu optimistisch sein sollten, sicher ist, dass die Lebenserwartung für beide Geschlechter stark angestiegen ist. Die absolute Differenz in der Lebenserwartung liegt heute aber immer noch höher als 1871, als sie bei 3,0 Jahren lag. 1873 bis 1877 betrug die Differenz sogar nur 2,9 Jahre, so niedrig war sie nie wieder. In den folgenden Jahren erhöhte sich die Lebenserwartung für beide Geschlechter deutlich, vor allem aufgrund der niedrigeren Kindersterblichkeit. Für Frauen hatte das aber noch einen zweiten positiven Effekt. Sie mussten deutlich weniger Kinder auf die Welt bringen, die Geburtenrate brach in den Jahren zwischen 1880 und 1910 geradezu ein, der Rückgang der Fertilität in den 1960er Jahren ist dagegen lächerlich.

Der Unterschied in der Lebenswartung wurde bis zum Geburtsjahr 1929 immer größer, als er 8,0 Jahre betrug. Verantwortlich für die steigende Differenz dürfte auch das Rauchen gewesen sein, denn zunächst rauchten vor allem die Männer. Gleichzeitig starben die Männer in den Kriegen, wobei der Jahrgang 1929 hier deutlich weniger betroffen sein dürfte als beispielsweise die 1920 oder 1921 geborenen Männer, die praktisch vom ersten Tag an im Zweiten Weltkrieg kämpfen mussten.

Betrachtet man den relativen Unterschied, ergibt sich ein etwas anders Bild. Die Lebenserwartung von Männern im Vergleich zu Frauen stieg zunächst etwas an, sie betrug 1871 rund 92,9 Prozent der weiblichen und stieg bis 1877 auf 93,3 Prozent an. Dann stieg die Lebenserwartung der Männer zwar weiter, der relative Unterschied wurde aber immer größer. 1901 geborene Männer hatten nur eine Lebenserwartung, die 88,5 Prozent der weiblichen entsprach.

Immerhin muss man sagen, dass der relative Unterschied zwischen Männern und Frauen seit Beginn der Statistik noch nie so gering war wie heute, wenn die Prognose sich bewahrheiten sollten. Gleichberechtigung lohnt sich also auch für die Männer. Aber lieber Grüne, das reicht noch nicht.

P.S.: Wer jetzt fragt: Wie aussagekräftig sind die Daten eigentlich und wie wird das Ganze berechnet, der stellt genau die richtige Frage. Die wollen wir in der kommenden Woche beantworten.

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