Vor gut einem Monat war mal wieder das wunderschöne, aufbauende, erfrischende, iman-geladene MJD Meeting! Und ich war auch da, konnte mein Glück kaum fassen, da ich letztes Jahr leider nicht dabei sein konnte. Das Programm war abwechslungsreich, die Themen tiefgehend und das Wetter wunderschön. Und: Wo sieht man schon so viele Muslime, vor allem muslimische Jugendliche, auf einem Fleck?
Eben! Dabei ist mir aber – neben Geschwisterlichkeit und vielen freundlichen Gesichtern – etwas aufgefallen. Wir sehen alle gleich aus! Und nein, damit meine ich nicht das Kopftuch oder den Bart. Eher so etwas wie Röhrenjeans. Oder die allseits getragenen H&M Shirts und Tuniken. Oder Nike Schuhe. Ich weiß. Damit unterscheiden wir uns nicht wesentlich von der Jugendkultur insgesamt. Man könnte also einfach sagen: Das ist eben Teil unserer Kultur – wir sind schließlich Jugendliche.
Aber etwas stört mich trotzdem ungemein daran. Einerseits das Offensichtliche: Hautenge Röhrenjeans sind, weder für muslimische Jungs noch Mädchen, irgendwie angebracht. Sie vertragen sich nicht mit Bescheidenheit. Mit dem bewussten Verweis auf innere Werte und Schönheit. Bei Schwestern fällt dieser Stil allerdings noch krasser auf, denn der Kontrast zwischen Röhrenjeans und Kopftuch ist nun mal stärker, die Paradoxie wird hier deutlicher. Man sollte wirklich nachdenken bevor man einfach jeden Trend unreflektiert übernimmt, und dieser Trend sich dann sogar zum Standard unter uns mausert.
Aber das Ergebnis ist eben auch: Wir sehen alle gleich aus! Ich weiß, das habe ich oben schon geschrieben. Trotzdem. Etwas läuft mir kalt den Rücken herunter, wenn mir dieser Gedanke durch den Kopf geht. Allah hat uns alle individuell geschaffen. Das ist ein Zeichen seiner kreativen Allmacht: Bei Gott gibt es keine «Norm», wir sind nicht alle gleich groß, haben die gleiche Augenfarbe oder die gleiche Schuhgröße. Ist das nicht wunderschön? Und nicht nur sind wir alle individuell. Allah sagt in Sura at-Tin in Vers 4:
„Wir haben den Menschen ja in schönster Gestaltung erschaffen.“
Jeder ist verschieden, jeder von uns ist schön, ganz egal, was uns die Werbeplakate mit ihrem Allgemeinheitsanspruch wahrmachen wollen. Und gleichzeitig ist Gott uns allen nah. Jetzt werden einige sagen: Ich bin doch trotzdem individuell, auch wenn ich eine Hose trage, die viele andere auch tragen. Und das ist sicher nicht verkehrt. Unsere Individualität ist so stark ausgeprägt, dass sie sich nicht so leicht untergraben lässt. Aber wir müssen uns klar machen: Massenproduktion ist eben für die Masse. Wird also von MASSENHAFT Menschen getragen. Erich Fromm beschreibt in seinem Buch „Die Kunst des Liebens“, dass Menschen (und der Mann hat das Buch in den 50′ern geschrieben, ein wirklicher Hellseher meiner Meinung nach) denken sollen, sie seien individuell. Sie sollen glauben, dass sie ihren eigenen Geschmack haben. Aber Massenkonsum tötet Individualität:
„Sie (die Menschen) leben in der Illusion, sie folgten nur ihren Ideen und Neigungen, sie seien Individualisten, sie seien aufgrund eigenen Denkens zu ihren Meinungen gelangt und es sei reiner Zufall, dass sie in ihren Ideen mit der Majorität (Mehrheit) übereinstimmen.“
Aber es ist kein Zufall – wir denken, wir seien individuell bei unserer Wahl von Produkten, wir meinen, dass etwas ganz Unverwechselbares in uns mitbestimmt, was wir kaufen oder nicht, und damit das Gekaufte zu einem Teil von uns machen, etwas das zu uns passt. Uns gefällt. Uns schmeckt. Leider ist das eine Illusion. Diese Illusion muss aufrechterhalten werden, damit die Wirtschaft mit ihrer Massenproduktion weiter funktioniert. Menschen sollen das Gefühl haben, sie wählten aus und bestimmen. Erinnert euch an die Werbesprüche die ihr so kennt.
”Ich will so bleiben, wie ich bin” (Werbung für JOGHURT VERDAMMT NOCH MAL!)
“Warum L`Oreal? Weil Ichs mir wert bin”
“Entdecke den Tiger in dir”
Alles Sprüche die signalisieren sollen: Es geht um DICH!! DU bist wichtig! Wenn DU dieses Produkt aussuchst, bist du schöner, intelligenter, gesünder, attraktiver!
Aber all diese Produkte wurden nicht für dich oder für mich hergestellt. Sie wurden für die Masse produziert, werden von der Masse konsumiert und machen so Unternehmen wie KRAFT, Procter&Gamble und Coca Cola zu globalen Playern, die sich sogar in die Politik vieler Länder einmischen. Wollen wir das? Wie viel Respekt und Ehre erweisen wir unserer von Gott einzigartig und individuell erschaffenen Seele, wenn wir auf diese Art konsumieren – und uns auf diese Art kleiden? Können wir uns wirklich mit dem Image identifizieren, das zusammen mit den Klamotten verkauft wird? Mit dem verträumten Schlafzimmerblick der Models auf den großen H&M, Zara und Mango Plakaten? Lasst uns also aus dem Schatten dieser übermächtigen Industrie heraustreten und aufhören passiv zu konsumieren – lasst uns herausfinden, was wir wirklich für uns wollen, was du wirklich für dich willst. Du bist eben nicht, was die Marketing-Experten sagen, dass du bist. Du bist nicht, was irgendjemand anders will, dass du bist – sondern, frei nach und im Geiste von Gertrude Stein:
Du bist du.
von Ilhaam E.