[Erstveröffentlichung: 24. Oktober 2009]
Ich bin selbst etwas verwundert, dass ich Hosseinis Buch “Der Drachenläufer” in meinem Blog nicht reviewte. Denn gelesen habe ich es natürlich. Da gibt es also noch etwas nach zu holen.
Doch dieses Buch “Tausend strahlende Sonnen” halte ich für das bessere Buch. Und das ist erstaunlich wenn man bedenkt, dass Autoren beim zweiten Buch immer an ihrem ersten gemessen werden; zumal, wenn dieses ein Bestseller war. Und häufig genug diesem Druck nicht standhalten und versagen. Anders Khaled Hosseini.
Die “Tausend strahlenden Sonnen” sind Teil eines Gedichtes, das im Buch zweimal wiederholt wird. Immer dann, wenn die Lage der Protagonisten besonders hoffnungslos scheint.
Dieses Buch ist eines, das die Geschichte des Landes Afghanistan nachzeichnet. Und es gibt Momente, da ist das kaum noch zu ertragen. Dieses Land wurde Zeit seiner Geschichte immer und immer wieder fremdbestimmt. Und das Volk musste sich immer mit Aggressoren von Außen auseinander setzen und gegen die Stammesfehden, die es im Inneren zerreißen, wehren. Mit dem Lesen der “tausend strahlenden Sonnen” zu einer Zeit, da der Chef der NATO um mehr Soldaten und Waffen bittet… das ist hart.
Ich fühlte beim Lesen den permanenten Schmerz, den das afghanische Volk seit Jahrhunderten fühlen muss, nach.
Mariam ist ein harami, ein uneheliches Kind. Als ihre Mutter sich umbringt, wird sie von ihrem Vater deshalb schnellstmöglich mit einem Schuhhändler aus Kabul verheiratet. Die junge Laila ereilt Jahre später ein ähnliches Schicksal, das sich mit dem Mariams verflicht – sehr zu deren Unwillen. Dann jedoch versuchen beide Frauen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, doch unter dem Terrorregime der Mudschaheddin und später der Taliban bleibt ihnen dazu so gut wie kein Spielraum. Und so bleibt schließlich nur ein Ausweg. “Tausend strahlende Sonnen” ist ein Buch, das den Leser in keiner Weise schont, ihn oft schreckerstarrt weiterlesen lässt, das aber auch außerordentlich behutsam mit seinen Figuren umgeht. Khaled Hosseini malt die Charaktere der beiden sehr unterschiedlichen Frauen nur durch Nuancen aus, schafft es aber, sie einem innerhalb weniger Seiten fest ans Herz wachsen zu lassen. Ein brandaktuelles Thema, verpackt in eine mitreißende Geschichte – unbedingt lesen!(Quelle: Kulturnews.de bei Amazon)
Insbesondere die Beschreibung der Zeit, in er die Taliban herrschten, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Wenn ich noch nicht religionskritisch wäre; beim Lesen der Vorschriften, die diese völlig verblendeten Islamisten erließen, wäre ich es auf jeden Fall geworden:
Alle Bürger müssen fünfmal am Tag beten. Wer während der Gebeszeit etwas anderes tut…wird ausgepeitscht.
Singen ist verboten.
Tanzen ist verboten.
Kartenspielen, Schach, Glücksspiele, und Drachen-steigen-Lassen sind verboten.
Bücher zu schreiben, Filme anzusehen und Bilder zu malen ist verboten.
…
Überführten Dieben wird die Hand am Handgelenk abgetrennt. Wiederholungstätern wird ein Fuß abgeschnitten.
…
Frauen:
Ihr werdet euch zu allen Zeiten ausschließlich im Haus aufhalten. … Ausgänge sind nur in Begleitung eines … männlichen Angehörigen gestattet.
Ihr werdet … Burka tragen.
Kosmetik ist verboten.
Schmuck ist verboten.
…
Ihr dürft nur sprechen, wenn ihr dazu aufgefordert werdet.
Ihr werdet mit Männern keinen Blickkontakt aufnehmen.
Ihr werdet in der Öffentlichkeit nicht lachen. …
Das Lackieren der Fingernägel ist verboten.
Für Mädchen wird der Besuch von Schulen verboten
…
Gehorcht! Allah-u-akbar
Ist das wirklich und wahrhaftig vorstellbar für uns, die wir in Mitteleuropa leben? Würde irgendwer das ernst nehmen, wenn eine Regierung dies verlauten ließe? Hier in Mitteleuropa?
Leider denke ich, dass sogar das möglich wäre. Nicht, dass ich meine, dass Islamisten in Mitteleuropa diese Macht bekämen; aber wenn ich mir manche derer anschaue, die mit Kreuzen auf der Straße stehen und das Mittelalter wieder einführen wollen… wird mir Angst und Bange. Denn es ist gleichgültig, welche Religion versucht, das Leben zu verbieten.
Doch das am Rande.
Ich meine, dass dieses Buch mehr über das Land Afghanistan erzählt, als alle Pressemeldungen zusammen. Und das in einer erzählerischen Qualität, die seinesgleichen sucht. (Und neben der eben zitierten islamistischen Lesart wird auch ein Islam gezeigt, der menschlich und aufgeklärt ist.) Als Leser kommt man den beiden Hauptfiguren Mariam und Laila so nahe, dass man denen, die ihnen immer und immer wieder Ungerechtigkeiten antun, entgegentreten und sie beschützen möchte. Selbst ein Mord, der im Buch beschrieben wird, lässt mich kalt – soweit es das Opfer betrifft. Lässt mich sogar fragen: weshalb erst so spät?
Deshalb: meine unumschränkte Empfehlung für dieses Buch!
Nic