Auch im zweiten Teil der Games-Jahrescharts heißt die Devise: Einfallslosigkeit wird in die Schranken gewiesen, kreative Standpunkte zu den Titeln von 2014 stehen abermals im Vordergrund. Wir haben auch hier einzelne Aspekte von diversen herausragenden Spielen herausgepickt und uns Gedanken dazu gemacht. Den ersten Teil unserer diesjährigen Games-Jahrescharts findet ihr übrigens hier.
Kopfhörerpflicht
Auch 2014 zeigte Sony wie kein anderer Publisher, dass man die Indie-Bewegung ernst nimmt und bereicherte die Releaselisten mit diversen unterhaltsamen Projekten. Allen voran steht dabei aber die surreale Flucht in ein bunt durchgewürfeltes Design-Meisterwerk namens Hohokum, dass geradezu nach Aufmerksamkeit und dank herausragendem Sounddesign nach Kopfhörerpflicht schreit. Einfach mal zurücklehnen, losstarten und keine Fragen stellen.
Multiplayer des Jahres
Das Nintendo bei seinen hauseigenen Veröffentlichungen auch ein Garant für einen gewissen Level von Qualität ist, spürt man in diesem Jahr bei keinem Titel besser als bei Mario Kart 8. Durch und durch zeitgemäße Optik, ein perfekter Soundtrack, DLC, der so wertig ist wie überhaupt nur möglich und über zahlreiche Sequels hinweg perfekt abgestimmtes Gameplay zeigen der Konkurrenz in allen Genres sowie Plattformen eindeutig, wie ein Titel am Release-Tag auszusehen hat. So, jetzt aber zurück zu den schweißtreibenden Multiplayer-Duellen auf grandios gestalteten Rennstrecken, die ihresgleichen suchen.
Hassliebe des Jahres
The Evil Within versucht, Survival-Horror Elemente von unsterblichen Klassiker wie Silent Hill und Resident Evil in sich zu vereinen, soviel ist sicher. Das aber nicht nur die besten Aspekte übernommen wurden, die eben jene Titel so interessant gemacht haben, lässt uns immer noch verunsichert am Kopf kratzen: Ja, die Story verheddert sich in irren Wendungen und mittels eines generell undurchsichtigen Verlaufs, aber erreicht dabei nie den Meta-Level an Interpretationsmöglichkeiten von Silent Hill. Auch das Resident Evil-gleiche Gameplay macht auf Dauer Laune, Limitationen in Sachen Munition und Stealth-Manövern passen aber teilweise nicht so recht zum Action-Fokus. Ein ständiges Hin- und Her-Schwanken zwischen positiven und negativen Eigenschaften des Titels entsteht dadurch, was das im Kategorie-Titel verwendete Wort hoffentlich erklärt.
Großartiges Leveldesign
Gut, hier hätte auch der South Park-Level des WTF-Awards perfekt gepasst (siehe Video weiter unten), wir wollen aber mal einem Titel für Mobilgeräte die verdiente Ehre erweisen. Monument Valley nennt sich das kleine runterladbare Schmuckstück und ausgehend von einem ersten Blick auf das Gameplay scheint hier nichts besonders aufregendes zu passieren. Eine Figur muss von A nach B gelotst werden, der Weg wird durch die Rotation des Levels hergestellt. Der Clou: Die perspektivische Verschiebung jener an M.C. Eschers Werke angelehnten Konstruktionen stellt nicht nur eine ungewöhnliche Puzzle-Variante dar, sondern macht dabei auch visuell Eindruck. Abseits davon bietet Monument Valley auch eine eigenwillige Atmosphäre, die erlebt werden will und den Titel perfekt abrundet.
Fleißige Bienchen Award
Die Entwickler von Telltale Games haben ein außergewöhnliches Jahr hinter sicher: Mit der zweiten Staffel der grandiosen Walking Dead-Reihe konnten sie über den Jahreswechsel hinweg abermals ihre Stärken in Sachen Storytelling ausspielen, während sie nebenbei auch eine andere Graphic-Novel Umsetzung - The Wolf Among Us, basierend auf Fables – genauso geschickt umsetzten. Doch damit nicht genug: Fast zeitgleich folgenden noch in diesem Jahr zwei weitere Kracher, die Fans in Verzücken versetzten: Tales from the Borderlands und Game of Thrones. Es scheint fast, als ob die ehemaligen LucasArts-Gamedesigner nicht falsch machen können, bedenkt man, mit welcher Fan-Community hier zu rechnen war und wie gut das Feedback auch seitens der internationalen Kritik ausfiel. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass den Herren nicht in nächster Zeit das Material ausgeht – und das vielleicht auch mal eine neue Grafikengine in Entwicklung geht.
Mindfuck des Jahres
Sicher, man hätte hier vielleicht auch sowas wie den als Scherz entstandenen Goat Simulator auszeichnen können, aber wer sich einmal Mountain auf sein Smartphone und diese, naja, “Simulation” gestartet hat, wird verstehen, warum der Platz hierfür besser geeignet ist. Am besten lässt sich der Titel über seine Features beschreiben, die folgendes beinhalten: “no controls, time moves forward, things grow and things die“. Schon mal einen Mix aus Relax em’ up und Art-Horror “gespielt? Zeit wirds. Eine andere Art des Wahnsinns und der Herausforderung bietet ein Titel für Nintendos Handheld. Es gehört schon eine Menge Geschick dazu, ein Videospiel mit genau der richtigen Dosierung an Zeitreisen und Paralleluniversen auszustatten, um die Geduld des Spielers nicht zu überspannen. Dessen war man sich wohl auch bei Bravely Default bewusst, als man entschied, einfach mal zu sehen, wie weit man denn nun eigentlich gehen kann, ehe der erboste Spieler seinen 3DS an die Wand knallt. Die Antwort darauf muss jeder für sich finden, wer jedoch wirklich das selbe Szenario gefühlte 30 mal durchspielt um das Ende zu erreichen, verdient auf jeden Fall Respekt.
Retro-Teil des Jahres
Viele erfolgreiche Kickstarter-Projekte erschienen 2014 und sind der lebende Beweis, dass diese neue Form der Finanzierung die Videospiellandschaft um genau jene Kreativität bereichert, die teile der AAA-Industrie derzeit so schmerzlich vermissen lässt. Shovel Knight als guten Retro-Vertreter abzutun wäre dabei eigentlich unzureichend: Der Titel ist einfach generell ein gutes Videospiel – gut natürlich im Sinne einer völlig subjektiven, von reiner Willkür geleiteten Redaktionsempfehlung.
WTF-Award
Schräger Award, schräge Gewinner: Obwohl es sicherlich viele Momente in South Park: The Stick of Truth geben würde, die den Ausdruck “What the Fuck” inne hatten, so war wohl das Leveldesign beim Kampf gegen die Unterhosenwichtel absolut herausragend. Klar, abgetriebene Zombie-Nazi-Föten bekämpfen ist jetzt auch nicht sonderlich alltäglich, unterhaltsamer war sicherlich der gesamte Aufbau jenes erwähnten Kapitels: Einfach das Video bei Minute 01:50 ansehen und sich selbst davon überzeugen. Nicht ganz so In-Your-Face-Crazy erweist sich ein anderer Vertreter - Mini Metro. Kleine Vorgeschichte: Alle paar Jahrzehnte wird ja in Wien mal eine neue U-Bahnlinie gebaut. Nur dann darf man auf einen neuen Fahrplan blicken und sich vor dem inneren Auge stundenlang all die neuen Möglichkeiten überlegen, die sich durch die Streckenführung ergeben. Doch das reicht nicht man einem nicht und so gibt es nun dankenswerter Weise eben jenen Titel, welches sich an alle Freunde effizienter U-Bahn-Benutzung (!) richtet, an denen ein Stadtplaner verloren gegangen ist. Fahrgäste von Punkt A zu Punkt B zu befördern war noch nie so spannend, schräg aber wahr.
Gleich wieder vergessen Award
Ja, der Thief-Reboot kam in diesem Jahr raus und dürfte wohl von vielen – vor allem Fans der Vorgänger – schnell wieder vergessen worden sein. Ein Dishonored-Klon ohne große Reize, der nur Zeitweise zu überzeugen wusste und gänzlich humorfrei blieb. Danke, aber nein danke. Grundsätzlich lässt sich das Vergessen aber auch gleich auf das ganze Videospieljahr 2014 ausweiten: Mit wenigen Ausnahmen waren vor allem die Versprechen auf kommende Titel die herausragendsten Ereignisse. Kaum Überraschungen, viele Pflichtbewusste und ihrer eigenen Linie streng folgenden Fortsetzungen, ein Trend zur Veröffentlichung halbfertiger Blockbuster und vielleicht zusammengenommen eine Handvoll Exklusivtitel für die neuen Konsolen von Sony und Microsoft. Da mag es niemanden wundern, wenn der Tod der Heimkonsole immer wieder erwähnt wird.
Bad Boy Award
Wenn ein Bild mehr als tausend Worte sagt, dann dürfte bei diesem Video zu Luigis Blick in Mario Kart 8 wohl eine ganze Bibliothek an dicken Wälzern entstehen. Oh, diese in den Augen sichtbare Genugtuung des ewigen Nachzügler – was sich wohl die Entwickler dabei gedacht haben? Diese Frage stellt sich beim Auftritt von Ramsay Snow in Telltales erster Episode zu Game of Thrones: Iron from Ice nicht, denn die Intention, dem Spieler beim Gespräch mit dem Psychopathen Angst und Schrecken zu bereiten, war schnell spürbar.
Atmosphäre des Jahres
Nur das Schnaufen von Amanda Ripley ist zu hören. Sie versteckt sich vor dem Alien in einem Schrank, sieht dabei aus einer kleinen Luke das unheimliche Wesen mit ausladenden Schritten durch den Raum schreiten. Plötzlich bewegt sich das Ungetüm in Richtung des Verstecks und Ripley hält den Atem. Ein scheinbar unendlicher Moment ensteht, als das Alien nur wenige Zentimeter vor dem Schrank halt macht und ansetzt, die mittlerweile auf der Rückseite zusammengekauerten und der Ohnmacht nahen Frau aus ihrer Behausung zu reißen. Genau jener Moment steht exemplarisch für die gekonnte Schaffung der Atmosphäre von Alien: Isolation. Auch wenn der Titel mit fortlaufender Spieldauer viel an Reiz einbüßen muss, so bleibt er beim Spieler sicherlich noch länger als man anderer im Gedächtnis. Schicksalhafte Erlebnisse in ganz anderer Ausführung bietet This War of Mine, in dem das Überleben einer kleinen Gruppe von Zivilisten inmitten eines Kriegsgebietes gemeistert werden muss. Wenn sich dann aber einzelne Charaktere aufgrund einschneidender Erlebnisse nicht mehr steuern lassen und am Boden kauern, während sich andere aufgrund der hoffnungslosen Situation erhängen, dann vergeht dem Spieler einiges. Jene Momente hätte zwar auch gut in die WTF-Kategorie gepasst, das Setting des Titel versprüht aber so gekonnt seine ernüchternde Atmosphäre, das man nicht umhin kommt, ihn – neben einer Spielempfehlung übrigens – hier unterzubringen. In einem Jahr, dass vor allem für seine eintönige Einfallslosigkeit in Erinnerung bleiben wird, waren die beiden Danganronpa-Titel absolute Lebensretter. 15 Charaktere die bis an den Rand der Verzweiflung getrieben werden, bis sie sich gegenseitig grausam ermorden und dabei genügend Hinweise hinterlassen um dem Spieler eine lückenlose Aufklärung der Verbrechen zu ermöglichen. Spannung, Charme, Atmosphäre, drei Zutaten die man 2014 selten in so einer Konzentration gefunden hat.