Iran - Ein Land verschiedener Nationen

10.02.2011Artikel zu Iran Hintergrund erstellt von Nasser Boladai

Dieses Dokument wurde von Nasser Boladai in der Konferenz “Iran – Country of Ethnic and Religious Diversity: Challenges and Opportunities”, Brüssel, 21. January 2011, vorgestellt. Nasser Boladai is der Sprecher der Balochistan Peoples Party und ein Mitglied der internationalen Delegation des Kongress’ der Nationalitäten für einen föderalen Iran.

Iran - Ein Land verschiedener Nationen

Iran – Land Ethnischer und Religiöser Vielfalt:

Herausforderungen und Chancen

Iran ist ein Land verschiedener Nationen mit vielen anderen bedeutenden Nationalitäten neben den Persern. Hierbei handelt es sich um Araber, Aserbaidschaner, Belutschen, Kurden, Luren und Turkmenen. Diese Nationen stellen über 50 Prozent von Irans Gesamtbevölkerung, allerdings erfahren sie weiterhin kulturelle, soziale und politische Diskriminierung.

Die iranische, zentralisierte Regierung verweigert linguistische und religiöse Freiheiten sowie soziale Rechte. Dadurch wird ein System geschaffen, in dem die nicht-persische und nicht-schiitische Bevölkerung diskriminiert wird. Ethnische und religiöse Minderheiten gemeinsam mit Frauen leiden unter Ausgrenzung und systematischer Diskriminierung, da aufeinander folgende Regierungen ihren Machtausschluss konstitutionell zementiert haben.
Unterdrückung von Untergeordneten Nationalitäten

Die Unterdrückung von Iran’s untergeordneten Nationalitäten tritt auf verschiedene Weise zu Tage. Eins der düsteren Gesichter der Unterdrückung ist körperliche Bedrohung, welche sich in kontinuierlichen Hinrichtungen ohne angemessene Strafverfahren und Zugang zu Anwälten ausdrückt.

Die Todesstrafe wird weiterhin in politischen Fällen angewandt, in denen die jeweiligen Angeklagten gemeinhin der „Feindschaft gegenüber Gottes“ bezichtigt werden.


Während der ersten Wochen des Jahres 2011 lag die Zahl der Todesstrafen bei 57, was ein Wachstum darstellte (http://www.dw-world.de/dw/article/0,,6407276,00.html).

Außergerichtliche Tötungen sind ein Markenzeichen der iranischen Staatspolitik in den Regionen ethnischer Minderheiten – speziell in Belutschistan, Kurdistan und dem Gebiet der Araber. Dies wurde von einem Mersad-Führer und Parlamentarier deutlich formuliert: „Wir haben keine Befehle, Bewaffnete zu verhaften und auszuliefern. Auf Grundlage der Anordnungen, die wir erhalten haben, werden wir jeden Banditen hinrichten, wo immer wir ihn aufgreifen mögen (Ettela'at, 25 February 1998)".[1]

All diese unterdrückenden Maßnahmen sind Indikatoren, dass die untergeordneten Nationalitäten darum kämpfen, ihre kulturellen und nationalen Rechte durchzusetzen. Sie bewerten die Situation als untragbar und sie bemühen sich unablässig, Änderungen an der politischen Machtordnung vorzunehmen, um ihr Bestreben für Eigenregierung und gemeinsame Souveränität in Iran zu bewirken.

Um ihre Souveränität und nationale Selbstbestimmung innerhalb eines demokratischen und säkularen Irans zu erreichen, ist der „Congress of Nationalities for a Federal Iran” (Kongress der Nationalitäten für ein föderales Iran) zur Kooperation bereit mit dem Ziel, eine allgemeine Allianz mit demokratischen Kräften in Iran zu bilden.

Unterdrückung von Frauen

Die iranische Verfassung und Regierungspolitik haben zu einer Ausgrenzung von Frauen im wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und politischem Leben geführt. Jegliche Versuche von NGOs, sich für die Rechte und die Ermächtigung von Frauen einzusetzen, wurden vom Staatsapparat unterdrückt. Kleine Vorstöße, die von Frauenrechtlerinnen in diesen Regionen gemacht wurden, führten stets zu Schikanierung und Verhaftung und viele Aktivisten waren gezwungen, in den Untergrund abzutauchen oder das Land zu verlassen.

Religiöse Diskriminierung

Artikel 12 der Verfassung besagt: „Die offizielle Religion des Iran ist der Islam und die dschafaritische Rechtsschule, die Schule der Zwölfer-Schia. Eine Änderung dieses Artikels ist nicht zulässig.“ Diese explizite Unterstützung einer Schule des Shia-Islams entfremdet die Kurden, Turkmenen, Belutschen und Araber, welche Sunni-Islam praktizieren. Artikel 114 schließt nicht-Schias von der Ausübungen des Präsidentenamts der Republik aus. Die Umsetzung dieses Artikels hat auch zu einer Unterdrückung von Sufi-Gruppen geführt. Es ist ihnen nicht erlaubt, ihre religiösen Zeremonien in Freiheit auszuüben.

In den letzten zwei Jahren wurden zwei Moscheen und religiöse Schulen von Sunni-Muslimen, hauptsächlich in Belutschistan, zerstört und religiöses Personal wurde festgenommen. Die „Abu Hanifa Moschee“ in Azimabad, einem Vorort der Stadt Zabol, wurde am 27. August 2008 angegriffen und zerstört und ihre Studenten und Angestellten wurden verhaftet. Am 27. Oktober 2007 wurde eine andere Moschee im selben Distrikt attackiert und niedergerissen von den Gefolgsleuten des Revolutionary Guard in Belutschistans Zabol-Region. Die Moschee wurde geschlossen und ihr Imam, Hafez Mohammad Ali Shahbkhsh, wurde festgenommen.

Zwei religiöse Arbeiter, Molvai Abdulqoddoos Mollazahi und Molavi Yusof Sohrabi wurden am 9. April 2008 hingerichtet. Hunderte religiöser Aktivisten wurden festgenommen und sind noch immer im Gefängnis.

Das islamistische Regime hat in den letzten Monaten seinen Druck auf traditionelle religiöse Institute in Belutschistan verstärkt. Um Molavi Abdul Hamid Shahbakhsh, einen respektierten Sunni-Kleriker, unter Druck zu setzen, wurden zwei seiner Schwiegersöhne, Ismail Mulahzadeh und Abdul Halim Shahbakhsh festgenommen. Seit ihrer Verhaftung im Oktober 2010 war es ihren Familien unmöglich sie zu besuchen und ihr Schicksal bleibt ungeklärt.

Unterdrückung von Arbeitern
Das derzeitige iranische Regime verbietet Arbeitern, freie Verbände zu gründen, um sich für ihre Klassen- und Sozialrechte einzusetzen. Die Anführer der Arbeiter werden schikaniert und einige - wie Mansor Usanloo und Mahmood Salhi - sind im Gefängnis.
Studentenbewegung

Neben diesen Vereinigungen gibt es andere Gruppen, insbesondere Studentenbewegungen und –organisationen, welche für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen.

Oppositionsgruppen

Die Vielfalt der iranischen Gesellschaft spiegelt sich in seiner Opposition und verschiedenen internen Bewegungen wider, welche sich alle für Sozial-, Klassen-, Geschlechter-, Nations-,  Religions- und Demokratie-Rechte einsetzen.

Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen politischen Umstände kämpft jede Gruppe ohne systematische und greifbare Kooperation für die Umsetzungen ihrer Ziele. Die fehlende Einheit hat den Fortschritt im Bereich des Demokratisierung erschwert und die Bemühungen der Regierung, jede einzelne Gruppe zu unterdrücken, ohne ernste Konfrontation vereinfacht.

Es ist auffällig, dass aufgrund verschiedener Ansätze und ideologischer Differenzen Oppositions-Gruppen innerhalb der persischen Nationalität in der Bildung aktiver und effektiver Allianzen gescheitert sind.

Eine Allianz mit stabiler Grundlage zu bilden, ist die größte Herausforderung für die liberalen, demokratischen und sozialdemokratischen Kräfte der Opposition. Es ist zu bedenken, dass ohne die Identifizierung einer gemeinsamen Basis nur ineffektive Allianzen zu Stande kommen können.
Das Formen einer aktiven und effektiven Allianz ist notwendig, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen und sie dazu zu bewegen, sich einem völkischen, friedlichen Aufstand gegen das Diktat und gegen die wirtschaftliche Krise, welcher sie ausgesetzt ist, anzuschließen.
Die fehlende Kultur eines politischen Diskurses in Abwesenheit von systematischem Dialog zwischen verschiedenen Allianzen in Iran hat zum gegenseitigen Misstrauen der Gruppen geführt.

Um ihr Misstrauen zu überwinden und eine existenzfähige demokratische Allianz zu bilden, haben Repräsentanten der Gruppen begonnen, einen systematischen Dialog in Form einer Konferenz mit gemeinsamer Resolution und explizitem Zeitrahmen bilden. Ziel ist es, zu einem Einverständnis zu gelangen und einen politischen Rahmen zu beschließen, welcher sie im Streben nach einer liberalen, demokratischen Staatsordnung vereint. Diese soll auf Volkssouveränität, Selbstbestimmung und einer nicht-zentralisierten Macht basieren, welche das Bemühen der Nationalitäten für gemeinsame Souveränität und Selbst-Regierung ermöglicht.

Die Mehrzahl der politischen Parteien der untergeordneten Nationalitäten haben sich vereint, um den “Congress of Nationalities for a Federal Iran” (Kongress der Nationalitäten für einen Föderalen Iran) zu bilden.

Die verschiedenen Gruppen besitzen unterschiedliche Ideen bezüglich der Inhalte und Reichweite der Dezentralisierung und der Form, welche sie anzunehmen haben. Sie unterscheiden sich auch in der Vorstellung, wie Föderalismus und Demokratie in Irans spezieller Situation umzusetzen seien. Allerdings gibt es viele Gemeinsamkeiten, welche sie als natürliche Verbündete gegenüber des derzeitigen theokratischen und absolutistischen Systems in Iran gezeichnet haben. Jede Gruppe ist der Demokratie verschrieben in Form eines liberalen, demokratischen Systems mit einer dezentralisierten Struktur, der Ebenbürtigkeit der Geschlechter und der Meinungs- und Religionsfreiheit.

Wir, im Kongress der Nationalitäten, setzen uns für einen systematischen und intensiven politischen Dialog zur Entwicklung eines politischen Programms ein - um eine breite demokratische Opposition zu bilden, welche sich für Demokratie, Föderalismus, die Bewilligung von Säkularität, Selbstbestimmung, Souveränität, Geschlechtergleichheit und  Religions- und Meinungsfreiheit einsetzt.

Eine Opposition mit solch stabiler Grundlage sollte eine föderale Republik mit Demokratie, Geschlechtergleichheit und Säkularität herbeiführen können, basierend auf dem Grundprinzip der Gleichwertigkeit.

Die föderale Struktur sollte jeglicher Art von Diskriminierung gegen untergeordnete Nationalitäten ein Ende bereiten. Die Bestrebungen sollten die Rechte der Nationalitäten bedenken, sodass diese Vertrauen entwickeln, dass die neue Struktur alle Diskriminierungen in Hinblick auf Nationalität, Geschlecht oder Religion beenden wird.
Schlussfolgerung
Iran ist ein multinationales Land bestehend aus verschiedenen Nationalitäten. Die demokratische Allianz sollte die unterschiedlichen Nationalitäten auf die gleiche Ebene setzen. Gemeinsam sollten sie über die Zukunft Irans entscheiden und darüber, wie sie chronische interne Krisen lösen können, die von aufeinander folgenden Diktaturen ausgelöst wurden.

Ziel ist es den Zukunftskurs Irans aufzuzeichnen und eine gewaltlose Änderung zu Gunsten einer friedfertigen, stabilen, demokratischen und säkularen Zivilgesellschaft zu ermutigen, um Demokratie, soziale Gerechtigkeit und den Schutz der Menschenrechte zu fördern sowie die Rechte aller ethnischen und religiösen Minderheiten einschließlich der Baha'is, Christen, Juden, Sunnis und Sufis.

Es ist notwendig, die Beziehungen zwischen verschiedenen nationalen, sozialen und religiösen Gruppen in Iran zu stärken. Wir müssen jetzt handeln – bevor es zu spät ist.


[1] UN-Menschenrechtskommission, Unterkommission zur Verhinderung von Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten, 50. Sitzung, 24. August 1998,  Zitat eines Mersad-Kommandanten in seiner Deklaration zu Iran im August 1998 (Ettela'at, 25. Februar 1998), Weblink zum UN Report: www.unhchr.ch/Huridocda/Huridoca.nsf/TestFrame/e8fd3e68a3e4b563802566880051d10e

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