Interview mit dem IVS! Till Völger meldet sich zu Wort!

Interview mit dem IVS! Till Völger meldet sich zu Wort! Wie wir in unserem letzten Artikel zu diesem Thema schon angekündigt haben, erwarten euch weitere Interviews. Wir haben den IVS (InteressenVerband Synchronschauspieler) kontaktiert und es dauerte auch nicht lange bis wir eine Antwort bekamen. Herr Till Völger hat sich dazu einverstanden erklärt mit uns ein Interview zu führen, welches wir jetzt veröffentlichen möchten.

Doch zuvor richten wir gerne auch noch einige Worte an unsere LeserInnen. Nicht selten liest man Beiträge in denen erläutert wird wie schön das Leben als Synchronschauspieler und Sprecher ist. Nachdem wir telefonisch mit dem IVS Kontakt aufgenommen haben, wurden uns einige Dinge erzählt, die uns teils sogar ziemlich schockiert haben. Also zitieren wir einige Worte von Herrn Völger, die für uns wichtig erscheinen.

Der erste Teil bezieht sich auch ein Telefongespräch mit Till Völger, das zu verschiedenen Sachverhalten Stellung bezieht. Danach folgt das schriftlich geführte Interview.

In dieser Aussage bezieht sich Till Völger auf das Kommentar von „Anime House" bezüglich der Arbeit von LAB SIX sound&media AG:

Diese Aussage dürfte für viele LeserInnen schockierend klingen, da man hier ein deutliches Qualitätsmanko feststellen kann:

Völger: „Die Erklärung von Anime House, dass Publisher erfolgsorientiert arbeiten und dass es sie nichts anginge mit welcher Arbeitswiese das Studio den Erfolg erreicht, gibt in der Form Anlass zur Sorge. Letztlich hat die Arbeitsweise unmittelbare Auswirkungen auf das Arbeitsergebnis weshalb auch ein Publisher hier involviert ist bzw. involviert sein sollte."

Der folgende Beitrag handelt von den Arbeitsbedingungen unter denen manche Synchronsprecher schon einmal arbeiten mussten:

Völger: „Tatsächlich wissen wir von Extremfällen, in denen Fans oder andere 'Newcomer' sinnbildlich von der Straße geholt und ins Studio gestellt wurde. Die dann auch keine oder nur eine sehr geringe Vergütung erhielten."

Völger: „In einem Fall wurde ein Kollege wegen einer Mehrforderung von ca. €50.- sofort umbesetzt. Wobei diese Mehrforderung auf die Produktionsbedingungen zurückzuführen war, da ein zusätzlicher und vorher nicht geplanter Aufnahmetag eingebaut werden musste. Eine an den erhöhten Arbeitsaufwand angepasste Vergütung wollte man dann aber eben nicht zahlen."

Hier spricht Herr Völger über die Einsparungsmöglichkeiten. Einige Studios sehen es nämlich nicht für nötig an die Sozialversicherungsbeiträge der Sprecher zu bezahlen, die zwischen 20- und 30% betragen können:

Völger: „Auch aktuell wissen wir von Einsparungen, die durch das Nichtabführen von Sozialabgaben zustande kommen. Auf die Weise kann man um ca. 20% bis 30% günstiger arbeiten. Dass dadurch ggf. auch Straftatbestände erfüllt werden, scheint nicht immer abzuschrecken."

Dieses Zitat bezieht sich auf die Frage, warum einige Unternehmen mit den billigen Synchronisationen durchkommen:

Völger: „Es wird immer Leute geben, die die Produkte der Publisher konsumieren und solange das der Fall ist, wird sich auch nicht viel daran ändern. Allerdings gibt es da auch Positivbeispiele, die dann zu einer Neusynchronisation geführt haben."

Nachdem wir nun einige Auszüge unseres telefonischen Interviews veröffentlicht haben, folgt nun der schriftliche Teil:

Japaniac: Die Meinungsunterschiede zwischen Ihnen und Anime House bzw. dem Studio war ja der fehlende Cutter. Auch wenn Sie antworteten, dass es in seltenen Fällen auch ohne Cutter funktioniert, sehen Sie diesen Beruf als wichtigen Bestandteil bei Synchronisationen?

Völger: Der Cutter / die Cutterin ist wesentlicher Bestandteil des Teams während der Sprachaufnahmen. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde, unterstützt ein Cutter / eine Cutterin die jeweiligen Schauspielerinnen und Schauspieler darin sich auf die künstlerische Gestaltung der Rolle konzentrieren zu können. Es handelt sich um eine sprachtechnische Unterstützung, die auch über die reine Kontrolle der Lippensynchronität hinausgeht. Im Zusammenspiel mit dem Cutter gelingt das Spiel des Schauspielers.

In der Tat ist es in seltenen Fällen so, dass die Einsparung dieses Postens durch die dann erforderliche Mehrleistung der übrigen Mitglieder des Teams kompensiert werden kann. Das hängt allerdings auch stark von den jeweiligen Schauspielerinnen und Schauspielern ab. Die Leistung eines Cutters / einer Cutterin entfällt dementsprechend nicht sie wird von anderen übernommen, die sich damit auf einen zusätzlichen Bereich konzentrieren müssen. Manchmal gelingt das, in der weit überwiegenden Zahl der Fälle allerdings nicht.

Die Einschränkung des Statements über das „kann" erfolgte demnach nur der Vollständigkeit halber. Es ist keinesfalls so, dass es hier ein ausgewogenes Verhältnis an Positiv- und Negativbeispielen gibt. Der Qualitätsverlust tritt in der weit überwiegenden Zahl der Fälle zutage.

Japaniac: Sie meinten ja, dass der Synchronmarkt derzeit boomt. Ist das ein Grund weshalb immer mehr Qualitätsunterschiede entstehen, da einfach durch den hohen Andrang an neuen Serien keine Zeit für Qualität bleibt?

Völger: Das ist definitiv einer der Hintergründe. Der Zeitdruck wird dadurch erhöht, dass es mittlerweile viele Projekte gibt, die kurz nach oder ggf. sogar gleichzeitig mit der Erstausstrahlung im Ursprungsland in Deutschland veröffentlicht bzw. gesendet werden sollen. Der hohe Andrang führt gleichermaßen dazu, dass Aufträge von weniger gut ausgestatteten Produzenten durchgeführt werden, da die Kapazitätsgrenzen der Studios, die eine entsprechende Qualität bieten können, erreicht sind. Insofern ist es also auch ein Kapazitätsproblem. Andererseits scheint mitunter auch kundenseitig keine Bereitschaft dazu zu bestehen, für die entsprechenden Synchronfassungen die notwendigen Budgets zur Verfügung zu stellen. Eine Sparpolitik, die sich unmittelbar in der Qualität des Endproduktes niederschlägt.

Japaniac: Wieviel verdient ein professionell ausgebildeter Synchronsprecher, der sagen wir mal eine Hauptrolle in einer amerikanischen Sitcom spricht oder welcher Betrag wäre für solch eine Rolle in Ihren Augen angemessen?

Völger: Das ist eine Frage, die sich pauschal kaum beantworten lässt. Das hängt letztlich stark davon ab, welchen Umfang die Sitcom insgesamt und welche Länge die Folgen im Einzelnen haben. Wenn wir davon ausgehen, dass ein 45-Minüter ca. 500 Takes hat, dann wirkt ein Hauptdarsteller an vielleicht 100 bis 120 Takes mit (das ist dann schon sehr hoch gegriffen). Wenn wir annehmen, dass er pro Tag eine solch Folge abdreht (was selten der Fall ist, da an einem Tag meist gleich mehrere Folgen aufgenommen werden), dann käme man bei einem Standard-Gagensatz auf ca. € 350,- bis € 450,- pro Folge.

Die branchenübliche Vergütungsstruktur sieht allerdings keine Orientierung am tatsächlichen Nutzungsumfang vor. Die Gagen werden als Pauschalen für ein sog. „Total Buy Out" gezahlt. Das heißt, dass für diese Pauschalsumme alle Rechte abverlangt werden - zeitlich und räumlich unbefristet. Das beinhaltet dann meist auch die Rechte, die für eine anschließende „Merchandising-Auswertung" erforderlich sind.

Um einen „angemessenen" Betrag als Gage identifizieren zu können, müsste man also erstmal über die Art der Auswertung sprechen. Im Anschluss daran müsste ein Modell gefunden werden, das sich tatsächlich an den Nutzungsvorgängen orientiert und im Falle eines Übererfolges auch eine Teilhabe gewährleistet. Eine solche Herangehensweise stünde dann auch im Einklang mit der geltenden Rechtslage des Urheberrechts. Das einzufordern ist den Einzelnen aber natürlich nicht möglich - da sind die Gewerkschaften gefragt.

Japaniac: Wie sieht in Ihren Augen eine professionelle Ausbildung für Synchronsprecher aus?

Völger: Die Einsätze als Sprecher in der Synchronbranche sind schauspielerische Tätigkeiten - weswegen die Bezeichnung „Synchronschauspieler" auch genauer ist und von den Bereichen abgrenzt, die sich nicht primär im schauspielerischen Segment bewegen (bspw. Werbung oder ggf. Voice-Over).

Damit sind an Synchronschauspielerinnen und Synchronschauspieler die gleichen Anforderungen zu stellen, wie an alle anderen Schauspielerinnen und Schauspieler auch. Im Idealfall liegt eine Ausbildung bzw. ein Studium an einer Schauspielschule vor. In einigen Schulen wird auch das Spiel hinter dem Mikro gelehrt. Darauf kann man natürlich auch mit weiteren Workshops oder Seminaren aufbauen. Auch ist es nicht unüblich, dass wenn schon im Kindesalter mit der Arbeit hinter dem Mikro in der Synchronbranche begonnen wird, gleichermaßen begleitend die schauspielerische Ausbildung im Studio erfolgt.

Für gänzlich schauspielerisch Unerfahrene sind derartige Workshops unserer Erfahrung nach allerdings eher wenig geeignet. Oftmals wird hier in vermeintliche Fortbildungen investiert, die einem dann aber gerade keinen Eintritt in die Branche ermöglichen. Das ist insofern problematisch, als bei den betreffenden Interessenten Vorstellungen und Erwartungen geweckt werden, die im Nachgang zu großer Enttäuschung führen.

Japaniac: Wie könnte man die Arbeitsbedingungen für SynchronsprecherInnen verbessern bzw. unter welchen Bedingungen müssen manche SprecherInnen arbeiten, welche Sie für nicht akzeptabel halten?

Völger: Die Arbeitsbedingungen sind zunächst mal sehr unterschiedlich, genauso sind es die einzelnen Problemfelder. Ein nicht unerhebliches Problem stellen bspw. die teilweise monatelangen Zahlungsrückstände einiger Synchronproduzenten dar. So kann es durchaus vorkommen und ist bei dem ein oder anderen Produktionshaus nicht unbekannt, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler 6 Monate oder länger nicht bezahlt werden. Währenddessen werden die entsprechenden Produktionen trotzdem längst verwertet. Die möglichen Sicherungsmechanismen, die man in die Verträge einbauen könnte, lehnen gerade diese Produktionshäuser ab und verweisen auf die hinter ihnen stehenden Kunden.

Ein weiteres Problemfeld ist das Gagendumping. Das Preisgefälle ist mancherorts so stark, dass in Einzelfällen bis zu 70% weniger bezahlt wird als das, was eigentlich branchenüblich wäre. Die Schauspielerinnen und Schauspieler sind allerdings teilweise auch gezwungen zu solchen Bedingungen zu arbeiten - da wird auch gerne mal mit der Angst vor der Nichtbeschäftigung gespielt, um die Gagen klein zu halten.

Letztlich ist auch die allgemeine Vergütungsstruktur längst nicht mehr nachvollziehbar. Erforderlich ist eine Vergütung, die sich tatsächlich an dem wirtschaftlichen Erfolg der Projekte orientiert. Wo diese Summen genau liegen, wäre natürlich im Rahmen von Tarifvertragsgesprächen festzustellen bzw. auszuhandeln. Es ist niemandem daran gelegen, kleine Arthouse-Projekte mit unbotmäßigen finanziellen Forderungen zu überziehen. Andererseits ist es nicht einsehbar, dass an dem wirtschaftlichen Erfolg, den einige Projekte generieren (Blockbuster etc.), keine Teilhabe derjenigen erfolgt, die diesen Erfolg erst ermöglicht haben.

Insofern sehen wir große Chancen in einer kollektivrechtlichen Lösung. Fair, auf Augenhöhe und handhabbar. Damit wäre allen geholfen, davon sind wir überzeugt.

Japaniac: Es gibt ja viele VoD-Anbieter wie „Netflix" und „AmazonPrime". Würden Sie sagen, dass solche Anbieter meist nicht auf die Qualität der Synchro achten, sondern nur darauf, dass es auch auf Deutsch verfügbar ist?

Völger: So pauschal lässt sich das nicht sagen. Die Eigenproduktionen im VoD-Bereich weisen vielfach auch hochwertige Synchronfassungen auf. Viele aber eben leider auch nicht. Tatsächlich ist es leider so, dass gerade bei Netflix viele Produktionen nicht die Qualität aufweisen, die eigentlich den Standards der Branche entspricht. Der Hintergrund sind auch hier massive Einsparungen. An diesen Stellen fehlt es dann auch oftmals an einem entsprechenden Qualitätsmanagement. Die Einstellung „Hauptsache deutsch!" ist in der Tat bedauerlicherweise immer häufiger anzutreffen.

Nun einige Fragen, die für angehende Synchronschauspieler bzw. Sprecher sicher interessant sein dürften.

Japaniac: Zählen Sprachfehler bei SprecherInnen als Ausscheidungskriterium für den Beruf?

Völger: Grundsätzlich schon. In unserer Branche arbeiten wir mit Sprache, demnach müssen wir sie auch beherrschen - fehlerfrei. Das bezieht sich auch auf die korrekte Aussprache einzelner Wörter und deren Betonungen. Darauf aufbauend muss es dem Schauspieler dann natürlich möglich sein, seinen Sprachduktus der jeweiligen Rolle anzupassen. Wenn die Rolle einen Sprachfehler hat, dann muss der Schauspieler sich diesen zu eigen machen.

Japaniac: Gibt es eine Altersgrenze in der man behaupten kann, dass man zu alt ist um den Beruf des Synchronsprechers zu erlernen?

Völger: Zur Schauspielerei gehört auch immer Talent. Manche Dinge kann man da nicht erlernen. Deswegen ist es für manch einen sicher auch nicht zu spät, wenn er / sie erst später zu diesem Beruf findet. Trotzdem gehört eine gewisse Ausbildung dazu, um die technischen Aspekte erlernen zu können. Per se „zu alt" ist man dafür allerdings eher nie - das ist eine Frage der individuellen Fähigkeiten.

Japaniac: Wir bedanken uns für das Interview und wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft.

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