Drittletzte Guy-Hamilton-Regiearbeit, zweite Rolle von Peter Ustinov als meisterlich-scharfsinniger belgischer Detektiv Hercule Poirot mit sonderbaren Vorlieben: exquisite Mahlzeiten und halbnackte Trockenübungen. Paradiesisch in Art-Decó-getaucht, gerinnt die selbstironische Suche nach dem Täter eines (nicht gerade überraschenden) Meuchelmordes an einer vergifteten Diva und lüsternen Prostituierten (mit Asia-Kopfbedeckung: Diana Rigg) zum verzwickten Rätsel darüber, wer zur richtigen (Tat-)Zeit ein unumstößliches Alibi hatte. Denn: Eigentlich hatte jeder, auch unfreiwillig, ein unumstößliches Alibi zur richtigen Zeit, aber auch jeder ein Motiv. Die Kulisse dazu ist traumhaft, ein abgelegenes Eiland mit reichlich Sonnenschein, flirrender Hitze, blauem Himmel und sexy Körpern, das ebenso atmosphärische wie mediterrane Urlaubsmotiv, überaus stilvoll-elegant und locker-leicht eingefangen und so viel besser als klassisches Regenwetter von der Insel. Hamilton illustriert gewohnt leichtfüßig ein buntes Einerlei unterschiedlichster Evolutionsbremsen, karikiert sie geradezu und überzeichnet sie über den Rand des Comichaften hinaus, deren Charakter sich weitgehend aus dem speist, was am Strand getragen wird: hinreißend die charmante Hotelbesitzerin (Maggie Smith) und das finanziell am Rande des Bankrotts vorbeischlitternde Produzentenpaar samt großzügig aufgetragenem Make-up (Sylvia Miles, James Mason), unheimlich die verhüllte Alleingelassene (Jane Birkin) und das bockige Gör (Emily Hone) sowie der tuntige Verleger (Roddy McDowall). Zwischen englischem Humor schrägster Art ("Linda, Darling, steh' doch nicht da wie ein Hustenbonbon. Im Übrigen, wenn du dich langweilst, spiel' doch mit den Quallen.") und galligen Wortspielen ("Ich hab' ihn durch den ganzen Lebensmittelladen gejagt. Erst zum Gemüse, dann zum Brot, dann zum Fleisch und bei den Eiern habe ich ihn endlich gepackt.") arbeitet sich "Das Böse unter Sonne" nach einer sehr schwerfälligen Exposition zur relativ gehetzten Ermittlungsarbeit vor, die schließlich ihr ultimatives Resümee in einer typisch verschachtelten Theorie jeglicher Indizien ohne Beweise erfährt. Darin wird minutenlang in die Vergangenheit zurückgeblendet, Zweifel ausgeräumt und bedient, Vorurteile bestätigt oder widerlegt, Handlungsdetails zurechtgerückt oder umgedichtet und scheinbar logisch argumentiert bis die Reizüberflutung ungeachtet einiger bemerkenswerter Drehbuchschnörkel allmählich ihre Spuren hinterlässt. Alles wird verknüpft, kalkuliert und überkonstruiert, obwohl die ganz, ganz große, ganz, ganz zufällige und ganz, ganz unerwartete Pointe fehlt – trotz wiedergefundenem Diamanten.
6/10