ICSI-Tagebuch Teil 1

9. April 2016

Nein nein nein! Ich bin noch nicht bereit!
Es ist Samstag, und ich bin gerade aufgestanden und stelle fest, dass meine Periode da ist. 4 Tage früher als ich errechnet hatte. Wenn ich jedoch einberechne, dass die beiden vorherigen Zyklen Kryo-Zyklen waren und jeweils 2 Tage länger dauerten, wegen der Progesteron-Einnahme, ist mein Zyklus in seinem natürlichen Rythmus.
“Ich habe meine Periode!” schreie ich zu meinem Mann runter. Er ist unbeeindruckt. Ich bin nicht bereit.
In den nächsten Stunden werden meine Freunde anrücken, denn ich feiere meinen Geburtstag nach.
Verwirrt laufe ich durch die Wohnung und versuche herauszufinden, ob ich jetzt erst Kaffee mache oder erst Leo seine Insulinspritze gebe, oder erst meine Menstruationstassen desinfiziere, oder erst atme.

Ich bin nicht bereit.
Das erkläre ich auch meinen Freunden, denn ich finde Konzepte wie Overblushing oder Oversharing total overbewertet, ich finde:

Es muss drauf was drauf muss, und raus was raus muss.

Ich schieße mich ab. Mit 3 ½ Leuten versaufen wir eine Flasche Kaffee-Sambuca, ich trinke zwei Bier und spanischen Spüli-Likör. Irgendwann ist das Bier alle und es wird Rotwein aus Weißweingläsern getrunken. Wir haben keine Rotweingläser, ich bekomme Kopfschmerzen von Rotwein, und überhaupt, ich bin noch nicht bereit.

10. April 2016

Sonntag. Ich rappel mich wach. Mein introvertiertes Ich fragt sich, warum es die Hälfte der Freunde zur Übernachtung eingeladen hat. Die brauchen jetzt Kaffee, und ich brauche doch eigentlich morgens mindestens eine Stunde für mich.
Kannste vergessen wenn Du mal ein Kind hast, sagt die hämische Besserwissermutti-Stimme in meinem Kopf. Ich karre die Besserwissermutti-Stimme mit ihrem Christiania-Bike auf eine Sondermüllhalde und halte mir den Kopf.
Die erste Hälfte des Tages vergeht wie im Flug. 3 Stunden lang versuche ich, aufs Klo zu gehen, aber ich komm ja zu nichts.
Immer wieder sage ich: Mein ganzes Leben hat sich um 4 Tage verschoben, und damit meine ich eigentlich: Ich bin nicht bereit. Ich habe Angst. Dass mir die Idee kommt, dass “mein ganzes Leben hat sich um 4 Tage verschoben” nur bedeuten kann, dass es diesmal klappt.
Am frühen Nachmittag ist das Haus leer und wir hängen wie zwei Häufchen Elend auf der Couch. Der Mann hat Halsschmerzen und nen Kater, und ich habe dieses ausgewrungene Gefühl, das ich immer habe, wenn ich so viel Zeit mit so vielen Menschen verbracht habe. Vor allem Menschen, die mir wichtig sind. Wo jede Sekunde der Anwesenheit zählt und so wichtig ist.
Morgen muss ich auf den Rückruf der Kinderwunschklinik warten. Zur Klinik fahren. Das Rezept abholen und den Behandlungsplan. 500 Euro für Medikamente ausgeben, Gonal F. und so.
Ich denke daran, dass Gonal F. stinkt. Und dass ich in 14 Tagen wieder einen angeschwollenen Bauch habe und mir eine Vollnarkose verpassen lassen muss und ich bin jetzt schon müde.

11. April 2016

Montag. Keine Kraft zu schreiben. Ein bisschen Kraft, etwas in die Kamera zu blubbern. Die Kinderwunschklinik ruft erst um halb 8 an. Ich breche heulend in der Küche zusammen. Einfach nur so, weil alles so viel ist.

12. April 2016

Dienstag. Fahre zur Klinik und hole meine Rezepte ab. Apotheke, knapp 700 Euro. Was ein Glück dass wir den Eigenanteil nur vorstrecken müssen, und ihn später erstattet bekommen. Die Rechnung für die letzte Kryo ist immer noch offen. Hole mir eine Dönerbox und bringe Eric seine Visitenkarten. Er freut sich. Ich freu mich.
Ich bin zen.
Kaufe 2,5 Kilo Butter bei Penny. Ein Tag mit viel Dinge tun und wenig denken. auch ganz gut.

13. April 2016

Immer noch unmotiviert. Heute wäre NMT. Heute wäre es eigentlich erst losgegangen. Gestern habe ich mir das erste Mal Gonal F. gespritzt. Wenn man dieses ganze ICSI-Ding das zweite Mal macht, wird vieles unspektakulär. Und es geht alles schneller, wenn man nicht noch monatelang auf einen Heiratstermin und Ergebnisse der humangenetischen Untersuchung warten muss. Abends gibt es ein kleines Drama, weil mein Mann Chili an den Gurkensalat getan hat, während ich versuchte, unerwünschte Werbung abzubestellen. Er geht noch eine Gurke kaufen und ich fühle mich schrecklich. Er tröstet mich und sagt, es wäre eben etwas anstrengend, seine Babies zu bekommen, und dass das alles okay ist. Das ich okay bin.

14. April 2016

Viel Arbeit. Und ich schneide das Video. Es wird jetzt schon ewig lang sein und ich frage mich, warum ich das überhaupt mache. Dann denke ich wieder daran, wie weniger allein ich mich mit dem ganzen Thema fühle, wenn ich Videos von anderen ansehe, die auch einfach nur erzählen, dass Spritzen doof sind und alles anstrengend. Mein linker Eierstock piekst zum ersten Mal beim Hinsetzen. Vielleicht nehme ich aber auch nur alles sehr viel stärker wahr als beim letzten Mal.
Mir ist ein bisschen schlecht. Bäh!


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