Ich wünsche mir einen kleinen Weltuntergang

Natürlich ist die Welt auch zu dieser Wintersonnenwende wieder nicht untergegangen – dabei hätte ich mir so sehr einen Neuanfang gewünscht. Wenigstens der Kapitalismus hätte untergehen können, die Ausbeuter, die Banken, die Heuschrecken, ihre Seilschaften und Helfershelfer – keine Träne würde ich denen nachweinen. Und wenn sie alle weg wären, die auf Kosten anderer ihre Geschäfte machen, dann würde sich schnell heraus stellen, dass es auch anders ginge.

Ich kenne die Argumente der Kapitalismusgläubigen, der Geldfetischisten, der Ohne-Konkurrenz-geht-es-nicht-Behaupter, der Anhänger des angeblich einzigen denkbaren Systems bis zum Erbrechen. Von wegen, es würde keiner mehr arbeiten, wenn jeder ohnehin bekäme, was er bräuchte, es gäbe keine Motivation mehr, keinen Fortschritt, die Menschheit läge quasi brach, wenn die Menschen nicht mehr als Produktionsmittel zur Profitmaximierung benutzt würden – was für ein unsäglicher Scheißdreck! Das behaupten nur Leute, die wirklich faul sind und lieber andere für sich arbeiten lassen. Denen ginge es natürlich nicht mehr so gut wie heute.

Morgenrot über Berlin.

Ein neuer Tag bricht an: Morgenrot über Berlin. Unbearbeitetes Handyfoto.

Es ist doch gerade umgekehrt: Weil die meisten Menschen irgendwelche Scheißjobs machen müssen, um zu überleben, haben sie keine Kraft mehr, wirklich kreativ, innovativ und produktiv zu sein. Menschen wollen das, sie brauchen das sogar – sie sind in der Regel gern nützlich. Sie haben Freunde daran, sich Dinge auszudenken oder einfach etwas gut zu machen, schöne Dinge zu schaffen, sich zu verausgaben, etwas Neues zu schaffen – das haben sie schon immer getan, auch ohne Geld und Patentwesen. Einfach weil es ihnen Spaß macht, weil es menschlich ist, solche Dinge zu tun. Ja, man will vielleicht nicht immer abwaschen oder das Klo putzen, aber nützliche Dinge zu tun macht den meisten Menschen Freude.

Und die allermeisten Menschen kapieren auch die Notwendigkeit, Sachen zu tun, die keinen Spaß machen, aber halt getan werden müssen. Würde man von heute auf morgen das Geld abschaffen, aber allen eine Wohnung und was sie zum Leben brauchen, einfach zur Verfügung stellen, so bin ich mir sicher, dass alle notwendigen Dinge weiter getan würden – auf andere Weise vielleicht. Aber selbstverständlich würden Kranke und Alte versorgt, Kinder unterrichtet, Brot gebacken und der Müll weggebracht. Vielleicht würden nicht mehr so viele Panzer für den Export gebaut, denn man muss damit ja kein Geld mehr verdienen – die industrielle Produktion könnte endlich auf die wirklich nötigen Dinge konzentriert werden und würde deshalb viel effizienter und umweltfreundlicher – man muss ja nicht mehr für die Müllhalde produzieren, sondern nur noch für den täglichen Gebrauch.

Außerdem: Wer kreative Spitzenleistungen bringen will, fragt doch nicht, ob er davon leben kann, sondern tut das, weil er oder sie es tun muss, tun will – ich kenne eine ganze Menge Menschen, die ökonomisch gesehen total schwachsinnig handeln, weil sie tun, was sie tun wollen, und nicht, was sie tun müssten, um in dieser Gesellschaft ein angenehmes Leben zu haben. Dabei sind die eigentlich nicht faul – die arbeiten den ganzen Tag. Nur bekommen sie kein Geld dafür. Und kümmern sich oft auch nicht darum, welches zu bekommen. Was ich oft genug kritisiere – denn irgendwohin muss man ja leben, und diese Gesellschaft ist nun einmal so gestrickt, dass man sich überlegen muss, wie man sich am besten verkaufen kann. Für diejenigen, die nicht immer nur ihr Ding durchziehen, sondern auch mal an die anderen denken, wird es deshalb besonders anstrengend. Schon weil sich die anderen immer auf sie verlassen – die müssen dann tatsächlich für sie mitarbeiten. Und tun das oft genug auch noch! Es tickt halt nicht jeder wie ein BWLer. Viele Menschen verhalten sich nicht so, wie die Ökonomen in ihren Modellen annehmen. Zum Glück – sonst wäre die Welt noch viel hässlicher, als sie ohnehin schon ist.

Es gibt übrigens keine andere Wissenschaft, deren Modelle so wenig mit der Realität übereinstimmen, wie die der Wirtschafts”wissenschafter”. Wenn in einer normalen Wissenschaft eine Theorie nicht bestätigt werden kann, dass wird sie verworfen. Nicht so in der Wirtschafts”wissenschaft”. Wenn die Märkte nicht so funktionieren, wie die Theorie vorgesehen hat, dann wird nicht etwa angenommen, dass die Theorie falsch ist, sondern dass mit der Realität etwas nicht stimmt. Was überall sonst als komplett irre gelten würde, ist unter Ökonomen völlig normal. Und das Schlimmste ist: Von genau diesen Leuten müssen wir uns sagen lassen, wie wir zu leben haben! Als billiges Maschinenfutter nämlich, das notfalls zu Disposition steht, wenn Finanzsysteme zugunsten irgendwelcher “Hochleister” gerettet werden müssen – deren einzige Leistung es ist, andere bis aufs Blut auszubeuten. In Griechenland beispielsweise wird deshalb gerade eine komplette Gesellschaft geopfert. Die Berichte darüber sind auch in konservativen und wirtschaftshuldigenden Medien wie FAZ oder Handelsblatt erschütternd – ohne dass die Berichterstatter logische und notwendige Konsequenzen daraus ableiten würden: Dieses unmenschliche System muss weg!

Ich bin gespannt, wie spätere Geschichtsschreiber über diese Epoche urteilen werden – wird man dann lesen können “obwohl die europäischen Länder nach dem zweiten Weltkrieg ihre Feindschaften überwanden und eine Gemeinschaft gründeten, die den Einwohnern Europas jahrzehntelangen Frieden und Wohlstand sicherte, die wirtschaftlich sehr stark war und viel mehr produzierte, als die Einwohner der EU verbrauchen konnten, so folgte dieser Blütezeit doch schnell der Niedergang: Die Europäer ließen in ihren südlichen und östlichen Randgebieten Menschen verhungern und erfrieren, überließen sie einem unvorstellbaren Elend, so dass viele aus Hoffnungslosigkeit in den Tod gingen. Doch dieser Niedergang ergriff auch schnell die restlichen Gebiete: Die Menschen waren gezwungen ihren Lebensunterhalt mit Hungerlöhnen zu bestreiten, ihre Kultur zerfiel rasch unter dem Einfluss der globalisierten Wirtschaftsprozesse, am Ende war Europa kaum mehr als Arbeitslager für chinesische Weltkonzerne. Und das alles, damit eine kleine, aber sehr mächtige Klasse der internationalen Finanzelite weiterhin ungeheuren Reichtum anhäufen konnte.” Oder so ähnlich.

Wenn die Gemeinschaft – und damit meine ich jetzt nicht die EU, sondern ganz allgemein die Gesellschaft, in der wir jeweils leben, die sich dann hoffentlich nicht mehr nach Nationen definiert, sondern nach dem Wunsch ihrer Mitglieder, gemeinsam ein gutes Leben zu haben – darauf ausgerichtet wäre, dass alle etwas beitragen müssen, dafür aber auch eine sichere und zumindest was das Materielle angeht, sorgenfreie Existenz haben, wäre alles sehr viel einfacher. Dann könnten alle die meiste Zeit mit ihrer Familien und Freunden verbringen, ihre schöne Umwelt genießen, Musik machen, Gedichte schreiben, Grünzeug pflanzen, Bilder malen oder was sie sonst gern tun möchten, und die Gemeinschaft würde darauf achten, dass jeder auch mal dran wäre, ein paar Stunden pro Woche auch die unangenehmeren Jobs zu erledigen – Dinge müssen halt getan werden und jeder wird gebraucht.

Dann müssten Mann und Frau sich auch in ihren privaten Beziehungen nicht mehr damit verschleißen, wer jetzt den Müll runterbringt und die Rechnungen bezahlt. Denn Geld verdienen müssen sie nicht mehr und alles andere können sie entspannt verteilen. Beziehung dient in unserer Gesellschaft der Nebenkriegsschauplatz für die Stellvertreterkriege der kapitalistischen Weltordnung. Denn warum die einen den anderen den Hintern abputzen sollen, während es sich die anderen gut gehen lassen, ist echt nicht einzusehen. Insofern wäre ein Weltuntergang mehr als überfällig.



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