Sauber, organisiert und stylish – diese drei Adjektive könnte man einem Wohnzimmer beimessen. Oder: einem Festival in Schweden, das mit Film, Musik und Tanz alles bietet, was das feierwütige Kulturherz begehrt. Hier meine Eindrücke vom Way Out West 2018 (9. August – 11. August).
DONNERSTAG – Ganz im Zeichen der Superstars.
Kurz nach halb sechs schaffte ich es tatsächlich ans Festival. Die Szenerie überzeugte voll und ganz und das lag nicht nur am aussergewöhnlich warmen Wetter. Aus einem alltäglichen Park, dem Slottsskogen, ist eine sehr eindrucksvolle und durchmischte Location geworden. Mit fünf Bühnen gibt das Way Out West Festival jeweils ziemlich an und verspricht schon vieles beim Eintritt. Während die anderen noch die letzten Minuten von der zauberhaften Jorja Smith hörten, bahnte ich mir einen Weg zur Azalea Stage.
- St. Vincent – 17:50 Uhr Azalea Stage
Für das St. Vincent Konzert war mein Ablauf klar: WC, Bar, Bühne. Die erste Hürde bildete sich erstaunlicherweise bei der Bar. Für den Konsum von Alkohol sind spezielle Zonen vorgesehen, die von einem Türsteher streng überwacht werden. Dabei geht es sekundär um den Einlass von Minderjährigen (die waren erst am Freitag wirklich präsent), sondern um das Verbot, alkoholische Getränke ausserhalb der Zonen zu konsumieren. Das erachtete ich nicht als sonderlich optimal, denn die Zonen befanden sich meist seitlich von den Bühnen, mit Winkeln, die nicht viel Sicht auf die Bühne versprachen. Doch beim regulierten Schweden (was Alkohol unter anderem betrifft) war das nicht gross erstaunlich.
Es erwies sich immer mehr als eine ‘Foifer oder Weggli’ Geschichte. Ich entschied mich das Konzert vom Bier-Bereich zu schauen. St. Vincent schaffte es mit ihren einschneidenden Gitarrenriffs, einer gut ausgewählten Setlist und skurrilen Visuals die ersten Besucher des Way Out Wests zu begeistern. Ein guter Start in den eng gedrängten Festivaltag.
- Iggy Pop – 20:15 Uhr Azalea Stage
In gewohntem Outfit empfing Iggy Pop seine Gäste vor der Bühne. Die meisten hatten vorher die Show von Patti Smith genossen und waren bereit für mehr Nostalgie. Als das Intro Riff von I Wanna Be Your Dog erklingt, gab es schon die ersten zustimmenden Rufe aus dem Publikum. Mit Hits von seiner Zeit als er noch bei den The Stooges war, wie auch mit seinem Solo Material, bot The Godfather of Punk eine abwechslungsreiche Show, die Jung und Alt nicht vergessen werden.
- Pale Honey – 02:30 Uhr Bananpier
Den Abschluss des gelungenen ersten Festivaltags bildeten die beiden Locals von Pale Honey. Weit abseits von Slottsskogen in der Stadt am Bananpier fand das Konzert von Pale Honey im Rahmen des Clubprogramms Stay Out West statt. Einige Nachteulen konnten noch vorgefunden werden, das Konzert von Pale Honey war aber alles andere als rappelvoll. Schade, denn das Duo, bestehend aus Drums und Gitarre, gab Gas und überzeugte voll und ganz.
FREITAG – Rap und so.
- Fever Ray – 21:20 Azalea Stage
Fever Ray hat mich schon am Nos Primavera Sound in Porto begeistert. Wer noch nie eine Live-Show von Karin Dreijer gesehen hat, sollte unbedingt eine besuchen. Viele kennen die Sängerin noch von der Elektronik-Gruppe The Knife, doch seit 2009 ist sie solo als Fever Ray unterwegs. Bei ihrer aktuellen Tour wird sie begleitet von einer all-female Band in schrägen, exzentrischen Kostümen. Ihr Auftritt war ein bisschen kürzer als in Porto, aber gleichermassen überzeugend. Fever Ray schafft es mit ihrem dunklen Elektro-Pop und ihrem Bühnen Alter Ego, eine Atmosphäre zu schaffen, die unter die Haut geht.
- Kendrick Lamar – 22:30 Flamingo Stage
Kendrick Lamar war an diesem zweiten Festivaltag Headliner. Man merkte, dass der zweite Festivaltag ganz im Zeichen des Raps und Hip-Hop stand. Es hatte viel mehr Besucher und das Publikum war deutlich jünger.
Ganz in Orange gekleidet trat Kung Fu Kenny auf die Bühne und fackelte nicht lange. Er begann seinen Auftritt mit DNA und HUMBLE., zwei Songs aus seinem jüngsten Album DAMN und ging nahtlos in ältere Hits wie King Kunta oder Backseat Freestyle über. Das Publikum im Barbereich hielt es nicht mehr länger auf den Stühlen und sie verwandelten die Festbänke zu ihren eigenen Tanz- und Feierbühnen. Das Sicherheitspersonal musste dann auch nach mehrfachem Auffordern der Gäste, nicht auf die Festbänke zu steigen, resigniert aufgeben.
- Alex Cameron – 02:00 Pustervik
Der letzte Act, den wir am Freitag sahen, war Alex Cameron in einem Klub im Herzen von Göteborg. Da die Location eher klein war, mussten wir das Festivalgelände schon früh verlassen, um überhaupt ins Pustervik Eintritt zu bekommen – ein kleiner Nachteil am sonst sehr gut organisierten Festival: Man musste bei den kleinen Locations jeweils sehr gutes Zeitmanagement besitzen, wenn man in die Locations auch hinein wollte.
Alex Cameron trat, wie man es von ihm gewöhnt ist mit nach hinten gekämmten Haaren und einem Tanktop auf die Bühne. Begleitet wurde er von einer fünfköpfigen Band, zu der auch der Saxophonist und Business Partner Roy Molloy gehört. Die Musik lässt sich irgendwo zwischen Indie-Pop und Bruce Springsteen einordnen. Ohne grosse Schnörkel, jedoch mit coolen Tanzeinlagen, lieferte Alex Cameron mit seiner Band ein unvergessliches Konzert ab. (Plus: er hat uns in seiner Instastory erwähnt, 2 Sekunden Freude).
SAMSTAG – der Regen und ein Feuer von den Arkaden.
Am dritten Tag des Festivals fiel mir der Gang zum Festival schon ein bisschen schwerer. Die Müdigkeit setzte langsam zu und die vielen neuen Eindrücke hielten mein Hirn immer noch auf Trab. Aber es gab keine Zeit, müde zu sein, denn auch am Samstag boten sich wieder einige Highlights.
- Moodymann – 15:00 Uhr Dungen Stage
Das Warm Up fand zum Set von Detroit DJ Moodymann statt – eine gute Entscheidung. Obwohl die Soundanlage etwas leise war, was Moodymann auch anmerkte, war die Stimmung freudig und erwartungsvoll und die Müdigkeit wie weggeblasen. Auch war das Tanz Zelt der einzige Ort, an dem man Musik direkt vor der Stage mit einem kühlen Bier geniessen konnte. Nach einer intensiven Tanzstunde und einigen Fläschchen Bier war die Euphorie wieder da und wir pilgerten zur nächsten Bühne.
- Lykke Li – 20:00 Uhr Flamingo Stage
Um 20:00 Uhr versammelte sich der grösste Teil des Publikums vor der Hauptbühne. Die schwedische Künstlerin Lykke Li war an der Reihe. Die Aufregung war dem schwedischen Publikum regelrecht anzumerken. Das Interesse hielt sich meinerseits in Grenzen, da ich nur einen Song von ihr kenne (ratet welchen). Schon beim Klang der ersten Töne von No Rest For The Wicked wurden die Leute in den Bann der Sängerin gezogen, während ich mir überlegte, was ich als nächstes essen sollte.
- Arcade Fire – 22:40 Uhr Flamingo Stage
Nun war es endlich soweit. Das Arcade Fire Konzert war mit einer der Gründe, wieso ich mich entschied, nach Göteborg zu reisen, da ich leider das Konzert in Zürich im Hallenstadion (Monique berichtete, ihr findet ihren Bericht hier) nicht besuchen konnte. Dass es während dem Konzert in Strömen regnete, störte das verbliebene Publikum nicht – Und ebenso wenig die Mitglieder von Arcade Fire. Gut gelaunt betraten sie die Bühne und begannen ihr Set mit Everything Now. Darauf folgten Hits von Funeral, Reflektor und The Suburbs und natürlich durfte ABBAs Dancing Queen im Outro von Reflektor nicht fehlen.
Fazit
Für Menschen, die sich gerne mit Musik und Film beschäftigen, aber nicht gleich an ein Sziget möchten, bietet das Festival eine grosse Auswahl an Aktivitäten und Konzerte. Der Preis eines 3-Tagestickets beläuft sich auf 220.-CHF – also etwa gleich teuer, wie ein 3-Tagespass für ein Schweizer Festival. Würde ich das Festival weiterempfehlen? Auf jeden Fall.