Ich komme aus einem anderen Soziotop

Slawische Sozialisation unterscheidet sich von der deutschen insbesondere dahingehend, dass – zum Beispiel – slawische Frauen in ihrer Welt stets von Komplimenten umgeben sind. Als männlicher Slawe sieht man sich hierzu verpflichtet. Solch Verhalten wird einem dortzulande in die Wiege gelegt.

Andererseits sehen ja auch wirklich gut aus, sind häuslich, manchmal sogar klug. – Das kann man ruhig sagen.

Man sagt es ihnen im Übrigen auch dann, wenn es nicht unbedingt sooo stimmen sollte, wie man(n) es sagt. Mann sagt es oft. Es ist stets eine schwarzzahlige Bilanz.

Die Verstehenden unter den Osteuropäerinnen wissen Komplimente sehr wohl zu schätzen und richtig einzuordnen. Sie nehmen Gesagtes als Blumenstrauß, als Dekoration, als jenen Alltagsschmuck, der das triste Leben leichter macht. Sie wissen zugleich aber auch, dass Blumen jederzeit welken können und dass Dekoration verstaubt.

Schlimm ergeht es nur den Jenigen (ich liebe diesen Gag immer noch), die so etwas glauben, nur weil sie so etwas glauben wollen. Die sich auch dann noch für jung halten, wenn jedermann heimlich deren Jahre zählt. Und einer solchen – finde ich jedenfalls – hilft der Boden der Tatsachen mehr als ein halbherziges Kompliment.

Die kleine Ukrainerin, Tochter meines Freundes, zog vor ihrer Abreise nach Kiew noch durch die Innung, durch den Kreis der Teufelinnen, um Tschüss zu sagen. Küsschen rechts, Küsschen links – Abschiedsworte.

“…und wenn du wieder einmal nach Berlin kommst, gehen wir gemeinsam zur Disko!”

Diese Freundin – kapiere ich sofort – meint es mit ihrem Vorschlag ernst. Vergisst häufig wer sie ist.

Und – zweite Beobachtung – wenn ein Mensch ästhetisch schön ist, wie die Tochter meines Freundes etwa, oder überhaupt, wenn eine Frau optisch was her macht, hängt sich die andere gerne an. Auf dass vom Aussehen oder von der Jugend etwas auf sie zurück fällt.

Doch leider rechnete sie nicht mit dem Wanderer, der des Weges kam, nur um eine Nadel aus der Tasche zu ziehen und der ausgerechnet diesen Luftballon platzen zu ließ. Den Ballon, der gerade weit-weit hoch in den Himmel steigen wollte.

“Gibt es denn überhaupt Ü-40-Diskos?

Treffer!

-–> Versenkt!

Ich traf wohl so sehr ins Schwarze, dass ich DAFÜR von meiner Frau kritisiert wurde.

Sofort ist mir klar: Hätte Harald Schmidt seine Auftritte in der Ukraine, würde frau ihn lynchen lassen. Unseren Humor – so wissenschaftlich begründet er auch sein mag – mag man in Slawien nicht. So ist es auch kein Wunder, dass meine Erklärung meine Gattin nicht überzeugen konnte.

“Immer wenn du ein schlechtes Gewissen hast, entwickelst du eine neue Theorie.”


Filed under: Kommunikation Tagged: Lebensweise, slawisches Soziotop

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