Ich habe ja nichts zu verbergen! – Ach ja?

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“Je mehr Sicherheitsgesetze verabschiedet werden, desto häufiger treten Kollateralschäden auf und schränken die Freiheit ein.” Quelle: https://twitter.com/15MBcn_int

“Ich habe ja nichts zu verbergen!” erhält man häufig als Antwort, wenn man Leute mit ihrem unverantwortlichen Umgang mit ihren eigenen Daten konfrontiert. Es ist auch ein klares Anzeichen des Verdrängens, denn Edward Snowden, der prominenteste Whistleblower auf unserem Globus, hält seit Jahren unserer Gesellschaft den Spiegel vor, welcher die fatale Ignoranz eines sehr ernsten Problems zeigt. Geheimdienste jagen mit hohem Aufwand und erheblichem Finanzbudget den Daten aller Menschen hinterher. Wer würde diesen Aufwand betreiben, wenn doch niemand etwas zu verbergen hätte?
Dieses Argument selbst zeugt schon von beschämender Unkenntnis der Problematik. Selbst privatwirtschaftliche Konzerne schöpfen massenhaft Daten ihrer Kunden ab und verdienen damit Milliarden Euros und Dollars. Demnach müssen die Daten der Menschen doch einen Wert besitzen? Es klingt doch beinahe schizophren, dass angeblich belanglose Daten so begehrt sind, dass sich daraus quasi eine Industrie entwickelen konnte…

Es gibt sehr wohl Menschen, die etwas zu verbergen haben, was nicht unbedingt von strafrechtlicher Bedeutung ist. Das können chronische Krankheiten sein, körperliche Defizite, finanzielle Schwierigkeiten bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen oder nicht so gesellschaftsfähigen Vorlieben. So banal es klingen mag, es gibt Leute, die einfach nicht möchten, dass ihre Privatangelegenheiten andere erfahren. Das sollte man respektieren, auch wenn man selbst freizügiger handelt. Nicht ohne Grund wird den Persönlichkeitsrechten im Grundgesetz Artikel 1 & 2 hohe Bedeutung beigemessen. Es spielt auch keine Rolle, ob Geheimdienste, staatliche Behörden oder privatwirtschaftliche Unternehmen diese Informationen erhalten und womöglich ausnutzen.

Das beste Beispiel aus dem Prä-Internetzeitalter stellt vielleicht die allseits verhasste Schufa dar. Auf ihrer Internetpräsenz bewirbt sich das Unternehmen unter anderem mit folgendem Statement:

“Die Bereitstellung kreditrelevanter Informationen ist das Kerngeschäft der SCHUFA. Als innovativer Dienstleister und Partner im modernen Wirtschaftsleben bieten wir unseren 9.000 Firmenkunden wie Banken, Sparkassen, Handel und weiteren Branchen die Grundlage für eine sichere Kreditvergabe; Verbrauchern ermöglichen wir eine bequeme und kostengünstige Kreditaufnahme.”

Wer bereits Erfahrung mit der Schufa oder anderen Kreditauskunftsunternehmen machen durfte, hat in der Regel keine gute Erinnerung daran. Gesammelte und analysierte Daten von Menschen entscheiden in hohem Maße über deren Kreditwürdigkeit, obwohl nachweislich diese Daten in vielen Fällen inkorrekt sind. Mit fatalen Folgen, wie sich inzwischen herausstellte und schon lange keine Einzelfälle mehr sind…

Die Mentalität eines Herdentieres ist einem gebildeten und verantwortungsbewussten Menschen eigentlich nicht würdig. Dennoch verhalten sich die Menschen wie die Schafe, aus deren Herde ein Wolf eines gefressen hat. Man ist froh, nicht selbst Opfer geworden zu sein und hofft, dass beim nächsten Mal das eigene Glück beständig bleibt und der Wolf sich ein anderes Schaf aussucht.

Die Daten im elektronischen Kommunikationsverkehr verraten allerdings mehr als nur so manche Peinlichkeit. Datenspuren sind Grundlage für das Erstellen von Bewegungs- und Persönlichkeitsprofilen. So konnte eine Kaufhauskette anhand der gekauften Artikel ihrer Kundinnen beinahe auf den Tag genau bestimmen, wann Schwangere entbinden würden.

Einzelfälle häufen sich. Der Sozialwissenschaftler Andrej Holm beispielsweise geriet durch ein für das Bundeskriminalamt verdächtiges Verhalten in Verdacht, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. Nur weil der grundlos Verdächtige die Begriffe “Gentrification” und “Prekarisierung” in einem Internetcafe recherchierte und sich ohne Mobiltelefon mit angeblich dubiosen Personen traf, genügte dies den Ermittlungsbehörden zu einer Verhaftung. Man darf jetzt spekulieren, welchen Überwachungstechniken sich die Strafverfolger bedienten und sich im gleichen Moment darüber empören, dass solche Ungeheuerlichkeiten in einer Demokratie überhaupt möglich sind.

Ein anderer Fall handelt von einer deutschen Studentin, welche in den USA ein Jahr als Au- Pair Kraft bei einer Familie leben wollte, um den Auslandsaufenthalt zu finanzieren. Die vorwiegend über Facebook- Chat stattgefundene Kommunikation mit dem Vater der Gast- Familie wurde von der US-Einwanderungsbehörde mitgelesen mit dem Ergebnis, dass die junge Frau am Flughafen abgefangen und zurückgeschickt wurde. Ihr wurde wohl zurecht vorgeworfen, kein gültiges Visum beantragt zu haben sowie eine illegale Beschäftigung antreten zu wollen. Weniger die Umstände für die Ausweisung sind hierbei zu beanstanden, sondern vielmehr die Beschaffung der Indizien.

Je mehr Sicherheitsgesetze verabschiedet werden, desto häufiger treten Kollateralschäden auf und schränken die Freiheit ein.

Inzwischen gilt es als erwiesen, dass die massenhafte Überwachung durchaus nicht allein der Sicherheit eines Volkes vor beispielsweise terroristischen Anschlägen dient. Wirtschaftsspionage gehört ebenso ins Portfolio der Geheimdienste.

Max und Erika Mustermann haben nach eigner Aussage nichts zu verbergen, sperren allerdings ihre Haustür ab, lassen abends regelmäßig die Rollläden hinunter und ziehen sich in Umkleidekabinen um, wenn sie im Schwimmbad oder im Kleidergeschäft sind.

Ein weiteres, oft verwendetes Totschlagargument lautet: “Wenn nur ein Täter gefasst wird, hat sich die Verschärfung der Sicherheitsgesetze gelohnt.”

Man darf dabei nie vergessen, dass nachweislich und nach wie vor die meisten Straftaten auf konventionelle Weise aufgeklärt werden und insbesondere bei Hochkriminalität die angepriesenen digitalen Sicherheitsinstrumente versagen. Hingegen mehren sich Kollateralschäden, welche Unschuldige ins Fadenkreuz der Ermittlungsbehörden rücken. Wer schon einmal das Sondereinsatzkommando im Schlafzimmer zu unchristlicher Zeit begrüßen durfte oder die Nachbarn in der ersten Reihe sitzen, wenn eine Hausdurchsuchung in der Biedermann- Wohnsiedlung für Abwechslung sorgt, haftet das den Betroffenen lange Zeit nach. Ob jemand, der den zuvor genannten Spruch leichtfertig hinausposaunte, nach einer solchen Erfahrung immer noch dieser Auffassung anhängt? Oder greift doch eher der Herdentrieb samt Glücksfaktor, hoffentlich nicht jenes Schaf zu werden, welches sich der Wolf schnappt?

Wie ausgeprägt der ganz persönliche Wunsch nach Sicherheit auch sein mag, man opfert Stück für Stück die Freiheit der Allgemeinheit, wenngleich darunter auch manche mehr und andere weniger zu leiden haben.

Während Willi Brand seinerzeit als Bundeskanzler die Verantwortung in der Spionage- Affäre um Günter Guillaume übernahm und zurück trat, verhält sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die restliche Bundesregierung auffallend zurückhaltend. Obgleich die bisherigen Enthüllungen kaum einen Zweifel daran lassen, dass massiv Wahlbetrug mit der offiziellen Beendigung der NSA- Affäre durch den damaligen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla vollzogen wurde, leugnet man beharrlich jegliche Mitwisserschaft um die grundgesetzwidrigen Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND). Der eigentliche Skandal im BND- Skandal ist das Lügengeflecht jener politischen Elite, welche das eigene Volk für mächtig dumm verkaufen will und zudem auf unverschämte Weise die Freiheit dieses Volkes beschneiden möchte. Das grenzdebile Volk ist kaum noch von einer Herde Schafe zu unterscheiden, möchte man glauben…

Ausgerechnet die Staatenlenker und Machteliten scheinen einiges zu verbergen zu haben, während des dummen Michels Vorstellungen der eigenen Persönlichkeitsrechte längst weichgespült worden sind. Gegen die Aussicht, dass Kindergeld erhöht oder die Mehrwertsteuer gesenkt wird, opfert die Masse der Bevölkerung bereitwillig so manches Grundrecht.

Mit der CDU ist jede Diskussion sinnlos, denn Gegenargumente mit Fakten werden gnadenlos gelöscht, um das eigene kranke Weltbild aufrecht erhalten zu können und die Leser und eigenen Mitglieder belügen zu können. Bei der SPD regt sich verhaltener Widerstand von der Basis, welchen die Parteispitze jedoch ebenfalls mit Lug und Trug zu zerstreuen versucht. So wurde eigens aus Propagandazwecken für die Vorratsdatenspeicherung ein Infoschreiben an die Landesverbände versendet. Darin werden genau 2 Beispiele aufgeführt, welche die Vorratsdatenspeicherung als unverzichtbares Instrument für die Strafverfolgung darstellen sollen:

Ein Beispiel, das die Dramatik der fehlenden Zuordnungsmöglichkeit der IP-Adresse verdeutlicht (BKA, Fall nach Wegfall der VDS durch BVerfGE von 2010):
In einem Forum wurde ein Hinweis eingestellt, in dem eine Mutter mitteilt, dass ihr Sohn vom Stiefvater missbraucht und in Teilen zu diesem Zweck sogar mit Medikamenten ruhig gestellt werde. Ausschließlich die IP-Adresse war sichtbar. Das Auskunftsersuchen beim Provider wurde noch am gleichen Tag gestellt, jedoch nicht beauskunftet. Eine Überprüfung am gleichen Tag ergab, dass keine Anhaltspunkte für einen weiteren zuzuordnenden Login vorlagen. Aus dem Inhalt des Textes ergaben sich ebenfalls keine Hinweise auf die Identität des Users. Dem konkreten Verdacht eines schweren Kindesmissbrauch konnten die Ermittler mangels Auskunft über Inhaber der IP-Adresse nicht nachgehen.

Das klingt plausibel, ist aber völliger Blödsinn. Wenn jemand in einem Forum Schreibrechte besitzt, was ja im Fall dieser “Mutter” so gewesen sein muss, existiert dazu ein Benutzeraccount. Dieser Benutzeraccount wird in Internetforen über eine gültige Emailadresse verifiziert. Man benötigt in Foren somit gar keine IP- Adresse, um die Identität zurück zu verfolgen. Auch existiert, wenn nicht vom Foren- Betreiber gelöscht, die IP- Adresse. In diesem Fall soll das so gewesen sein. Unverständlich und auch merkwürdig erscheint die Aussage, dass ausschließlich die IP- Adresse “sichtbar” gewesen sein soll. Angeblich soll ein Auskunftsersuchen beim Provider nicht beauskunftet worden sein. Das weist darauf hin, dass die Ermittlungsbehörden offensichtlich keine richterliche Genehmigung vorlegen konnten, womit der entsprechende Provider völlig korrekt und legal diese Auskunft verweigerte. Jenes Kriterium soll allerdings auch bei der Vorratsdatenspeicherung zwingend Anwendung finden und auch nur, wenn ein begründeter Verdacht auf eine schwere Straftat besteht. Das hätte man tun können. Man müsste nun eher die Frage stellen, warum man diesen Weg nicht beschritten hat? Zudem wird sogar darauf hingewiesen, dass man noch am gleichen Tag ein Auskunftsersuchen in die Wege leitete. Da die Vorratsdatenspeicherung rückwirkend über mehrere Wochen die Verkehrsdaten erfasst und zwar von allen Anschlussinhabern, wirft man buchstäblich die “Nadel in den Heuhaufen”, welche man ja im Prinzip längst in Händen hält. Auch ist es völlig sinnlos, weitere “zuzuordnende Logins” nach zu verfolgen. IP- Adresse und Benutzeraccount sind ja ohnehin vorhanden und auch jeder Zeit zuzuordnen. Es ist auch völlig hanebüchen von einem konkreten Anfangsverdacht zu sprechen, wenn man den Text nicht veröffentlicht. Da offenkundig kein Richter eine Ermächtigung erteilte oder diese gar nicht angefordert wurde, ist diese Behauptung reine Spekulation und kritisiert lediglich das Urteilsvermögen des Richters. Fakt ist und bleibt, dass diese Strafverfolgung hätte völlig ohne Vorratsdatenspeicherung fortgesetzt werden, wenn man gesetzeskonform gehandelt hätte. Dieses Beispiel darf man als komplett entkräftet anerkennen…

Mit „Handydaten“ können Mörder überführt werden. In einigen Fällen konnte ein Mordversuch mittels noch zufällig vorhandener Information, dass sich das Handy eines Tatverdächtigen in einer bestimmten Funkzelle befand, aufgeklärt werden. Der öffentlich bekannt gewordene „Flensburger Bahnhofmord“ wäre ohne ebenfalls nur zufällig vorhandener Mobildaten nie aufgeklärt worden, sondern wäre als Suizid zu den Akten gelegt worden. Mit dem neuen Gesetz überlassen wir es nicht mehr dem Zufall, dass Daten zur Aufklärung vollendeter oder geplanter Verbrechen führen, sondern sorgen dafür, dass die Daten über einen kurzen Zeitraum zur Verfügung stehen und zur Aufklärung eingesetzt werden können?

Dass man mit “Handydaten” Morde aufklären kann, klingt so pauschal wie die Aussage, dass bei Regen sich die Gefahr von Autounfällen erhöht. Man redet von “einigen Fällen” ohne jedoch konkret werden zu wollen und führt dann nur den einzigen Fall auf, bei dem eine Mobilfunkortung möglicherweise entscheidend für die Aufklärung gewesen sein soll. Durchstöbert man die Presseberichte zu diesem Fall, wird jene “Handyortung” nicht einmal erwähnt. Dass der Geliebte der Ehefrau sowieso in die engere Wahl der Tatverdächtigen rückt, sollte logisch erscheinen. Ob ein Suizid durch Kopfschuss als solcher erkannt wird, gehört in den Fachbereich der Gerichtsmedizin. Der Fall wäre also nie als Suizid zu den Akten gelegt worden. Bestenfalls konnte man dem geständigen Mörder nachweisen, dass er zum Tatzeitpunkt in der Nähe des Tatorts war oder zumindest sein Handy. Auch so etwas ist manipulierbar und wird mit wieder eingeführter Vorratsdatenspeicherung zunehmend Anwendung finden. Oder mutmaßliche Täter schalten in Zukunft Mobilfunkgeräte einfach aus…

Durch die Vorratsdatenspeicherung werden allerdings auch alle Personen mit Mobilfunkgeräten zu potentiell Verdächtigen, wenn sie zum Tatzeitpunkt ebenfalls in der gleichen Funkzelle registriert waren. Das führt zu Vernehmungen bis hin zu Hausdurchsuchungen von vollkommen unschuldigen Menschen nur weil sie zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren…

ein Zwischenruf von Thomas Brück

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Quellen – weiterführende Links

Foto – Quelle: https://twitter.com/15MBcn_int


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