Ich bin, wie ich bin – Du bist, wie Du bist

Nachdem letzten Artikel und den zahlreichen Rückmeldungen habe ich mich dazu entschieden auch meinen Ansatz zum zweiten Aspekt von Jorge Bucay aus seinem Buch “Geschichten zum Nachdenken” zu beschreiben. Seine Worte sind: “Ich bin, wie ich bin und Du bist, wie Du bist”.

Ich starte heute mit dem ersten Teil: “Ich bin, wie ich bin”.

Wenn Sie diesen Satz auf sich wirken lassen, was löst er bei Ihnen aus? Geben Sie sich einen Moment Zeit und spüren Sie nach. Was sind die Bilder, Gedanken und Gefühle die aufkommen, wenn sie den Satz zu sich sagen: „Ich bin, wie ich bin“. Können Sie diesen Satz so akzeptieren?

Bei den meisten Menschen – vielleicht auch bei Ihnen – regt sich sofort ein “Ja, aber!”. Nur wenige können sich wirklich so akzeptieren wie sie sind. Einmal mehr, einmal weniger – aber sich vollständig akzeptieren wie Sie sind?

Typische Sätze die auftauchen könnten sein:

  • Bewertung Sie sich: Ich bin faul, unsicher, egoistisch, hässlich
  • Vergleichen Sie sich: Ich bin zu ruhig, zu laut, zu leise, zu offen, zu verschlossen, zu groß, zu klein, zu dick, zu dünn, zu extrovertiert, zu introvertiert
  • Negieren Sie positive Eigenschaften: Ich bin nicht kreativ, nicht begabt, nicht hübsch, nicht fähig etwas bestimmtes zu leisten
  • Oder, folgen Sie Ihrer Sehnsucht: Ich wäre viel lieber wie der oder die, ich hätte lieber diese oder jene Eigenschaft oder hätte ich doch mehr von ihm oder ihr

Sicherlich fallen Ihnen selbst auch noch weitere Sätze ein, die Sie möglicherweise von sich selbst oder Ihrem Umfeld kennen. Was aber passiert, wenn wir so über uns denken, wenn wir uns immer wieder so in Frage stellen, abwerten und auch ablehnen?

Lassen Sie mich die Frage einmal anders stellen: Wie würden Sie mit einem Freund umgehen, über den Sie so denken? Würden Sie diesen Menschen als Freund schätzen? Würden Sie gerne mit ihm Zeit verbringen wollen? Würden Sie sich in seiner Gegenwart wohl fühlen oder eher unruhig werden und möglicherweise den Kontakt ganz vermeiden?

Es scheint also hilfreich zu sein, festzustellen in welchen Bereichen wir uns typischerweise selbst ablehnen, wo wir sehnsüchtig auf andere Menschen schauen, oder uns schlichtweg vergleichen und vermeintlich schlechter dabei fahren.

Unterstützend kann es sein, dass Sie einmal betrachten, welche Eigenheiten und Handlungen, Sie bei anderen Personen ablehnen. Was bedeuten diese Eigenschaften in Ihrem eigenen Erleben? Könnte es sein, dass Sie diese Eigenschaften auch für sich selbst ablehnen?

Die Achtsamkeit hilft uns dabei, immer mehr dieser inneren Abläufe bewusst wahrzunehmen, sich ihrer klar zu werden und sich aus der Perspektive eines Beobachters zu betrachten. Das zur Ruhe kommen, der Fokus auf die eigene Wahrnehmung erlaubt einem die Aufmerksamkeit auf diese Details, die sonst unbewusst ablaufen und sich nur zu gerne verselbständigen.

Wenn Sie diese inneren Prozesse bei sich erkennen, dann gibt es sicherlich die Möglichkeit diese zu verurteilen und abzulehnen. Setzten wir aber voraus, dass sie sich nicht noch tiefer in die Selbstabwertung begeben wollen, dann glaube ich persönlich, dass sie respektvoller mit Ihrem Erlebten und sich selbst umgehen, wenn sie einfach nur bemerken, dass sie diese inneren Sätze gerade erleben.

Treten Sie innerlich einen Schritt zurück und beobachten Sie, was dieser Satz mit Ihnen macht, was er bei Ihnen bewirkt, welche Gefühle aufkommen und wie Sie körperlich reagieren?

In der Achtsamkeit würden wir an dieser Stelle anhalten und als Beobachter uns selbst betrachten. Und für die ersten Schritte reicht das auch völlig aus.

Ich möchte Sie dennoch dazu einladen, wenn Sie Lust haben noch einen Schritt weiter zu gehen und die Bedürfnisse zu erkennen, die sich hinter diesem Gefühl verbergen. Diese sind außerordentlich wichtig und lassen uns unser eigenes Handeln und die inneren Prozesse oft viel besser verstehen. Fragen Sie sich: Wozu ist dieses Verhalten oder diese Eigenschaft gut? Wobei hilft es mir? Was würde wegfallen, wenn Sie nicht mehr da wäre?

Der liebevolle Umgang mit sich selbst und das Vorgehen;  das hört sich in diesen wenigen Sätzen einfach an und ist für die meisten unter uns sicherlich weitaus schwieriger. Denn wenn es so einfach wäre, dann hätten Sie es sicherlich schon längst getan, oder?

Zu lernen, liebevoll mit sich und auch seinen eigenen, bis heute noch als Einschränkungen wahrgenommenen Eigenschaften umzugehen ist jedoch mehr als nur die Möglichkeit mehr Lebensfreude und Zufriedenheit zu entwickeln.

Denn, Aufmerksamkeit ist Energie. Diese wird dort hinfliesen, wohin sie Ihre Aufmerksamkeit ausrichten. Wenn Sie sich selbst liebevoll und in Achtsamkeit wahrnehmen, fließt immer weniger Energie in die innere Selbstabwertung.

Ich möchte Sie dazu einladen, immer wacher zu werden – Schritt für Schritt. Bleiben Sie geduldig, wenn es nicht gleich so klappt, wie sie sich das wünschen.

Ich wünsche Ihnen eine achtsame Zeit, Ihr Olaf Karwisch


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