Hochzeitsfieber

604652_web_R_K_B_by_Petra Bork_pixelio.deIch nicht. Wobei es auch für mich im Raum stehen bleibt, ob aus tiefster Überzeugung oder durch Akzeptanz des Realistischem. Vielleicht, so hoffe ich, doch nur das Erste, da ich gar nicht daran denke, nur wenn es nicht anders geht. So wie beim Zusammentreffen mit meiner schon 20-jährigen Cousine. An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ich darüber nachdenke, was wohl zuerst da war. Das Aussehen oder das Verhalten? Meine Cousine ist so wie man sich eine Cousine von jemandem wie mir vorstellt. Blond, blauäugig, schlank, aber nicht zu viel davon. Das Aussehen ist auch nicht wirklich das Nennenswerte. Blonde Menschen, auch wenn sie drohen auszusterben, gibt es noch viele. Nein, das Verhalten beschäftigt mich mehr. Sie will jetzt nächstes Jahr heiraten, wie gesagt sie ist schon 20, da wird es Zeit.

Mir wird unterstellt, dass ich doch nur neidisch bin. Sicher, mein Liebesleben dient eher für eine Tragödie als für eine Comedy-Serie, aber da stehe ich drüber. Auch wenn es gruselig ist zu erkennen, wie spießig ich doch sein kann. Nicht heiraten vor Beendigung der Ausbildung, nicht über das Kinder kriegen nachdenken bevor die eigene Pubertät nicht abgeschlossen ist. Das waren meine Überlegungen bevor ich auf sie traf. Vielleicht müsste ich mal bei Gelegenheit recherchieren, wie lange so eine Pubertät dauert. Ich dachte mit der verfrühten Geschlechtsreife heutzutage müsste sich auch das Ende der Pubertät nach vorne verlagert haben, aber Pustekuchen. Vielleicht liegt es daran, dass sie fast auf einem Dorf wohnt und das Trinkwasser da sauberer ist.

Leider scheint das wohl nicht das Einzige zu sein, was meine liebe Cousine konsumiert. Bei genauer Überlegung hätte ich davon auch gerne ein Pflänzchen auf dem Balkon. Es ist so schwer es zu beschreiben. Vielleicht sollte ich einfach nur meine Beobachtungen in all ihrer Kuriosität nennen. Kein anderes Thema, klar. Dass sie jetzt bei den Erwachsenen mitspielt und richtige Probleme hat, die Wahl des Kleides, die Blumendeko, die Band, auch klar. Dass sie jedem ihren Ringfinger vor die Nase halten muss, verständlich. Aber dann kommt der Auserwählte zur Tür. Namen würde ich jetzt nicht nennen wollen, aber in diesem Fall könnte ich es noch nicht mal, weil ich es vor lauter „Schatzi“, „Schnucki“ und „Pupsi“ nicht zu hören bekam. Ich musste sogar um mein Leben fürchten, naja nicht wirklich, es drohte mir nur, dass ich überrannt werde. Der kommt zur Tür, sie erblickt seinen Anblick, will sich auf ihn stürzen und ich, ja, ich bin dazwischen. Tja, vielleicht sage ich das jetzt nur, weil ich wahrscheinlich niemanden mehr abkriege, aber ich bin doch froh geistesgegenwärtig zu sein. Und durch die Behinderung ist es schwer zu sagen, wahrscheinlich hätte ich dies auch nicht mit 14 gemacht, aber wenn mich einer fragen würde, würde ich das eher diesem Alter zuordnen.

Wie gesagt, man hat mich schon als „neidisch“ betitelt, aber ich fand das merkwürdig, dass einer in ihr Elternhaus reinkommt, in die Runde „Hallo“ sagt und sich auf den nächstmöglichen Platz setzt ohne sie speziell gegebenenfalls noch mit einem Kuss zu begrüßen, dass Sie ihn stattdessen überfallen muss. Und dann noch vor den Gästen und vielleicht noch schlimmer vor ihren Eltern auf seinem Schoß sitzt und Küsschen hier und Küsschen da. Wenn ich jetzt meine Cousine öfter sehen würde, müsste ich vielleicht darüber nachdenken, ob sie mich nicht ärgern will. Aber so muss ich es unter pubertärem Darstellungstrieb verbuchen oder Triebdarstellung. Als Zuschauer fand ich in der Aufführung die passive Verhaltensweise des einen Darstellers unzureichend. Ich bin gespannt was aus der Sache wird. Es ist immer schwierig, wenn der Eine mehr will als der Andere und er schien mit einer geringen Dosis an Zuwendung zurecht zu kommen.

Vielleicht sollten mir meine Cousine und ihre Aussichten nicht allzu Leid tun. Schließlich war für mich nicht eindeutig erkennbar, ob sie heiratet, um ihn geheiratet zu haben oder ob sie ihn heiratet, um geheiratet zu haben. Ich für meinen Teil scheine da anders gepolt zu sein. Ich wollte immer, dass meine Partner selbst drauf kommen, was mir wie gefällt. Dadurch wurde ich die einen Male enttäuscht, die anderen Male, die mit der Eigeninitiative, gefielen dann wiederum besser als ich hätte mir das vorstellen können. Aber meine Cousine, die scheint wohl keine Überraschungen zu mögen. So ist mir zu Ohren gekommen, dass sie die Stadt nach einem Verlobungsring abgesucht hat. Und dann wirkt der Heiratsantrag für mich nicht mehr ganz so überraschend.

Tja, ich mag es eher bescheidener. Vielleicht ist es dumm, aber ich bilde mir ein, dass es ehrlicher ist. Mein Herz hing mal an einem 10€-Ring aus Metall. Ich glaube im Nachhinein hätte ich es schöner gefunden, wenn man ihn mit den Jahren aufgewertet hätte, vergoldet, die Plastiksteine mit der Zeit ersetzt hätte. Das hätte meiner Meinung nach viel mehr Romantik oder Symbolik als eine Ratenzahlungsvereinbarung. Im Grunde hieße das ja, ich würde immer wieder fragen. Und parallel dazu wird der Ring immer wertvoller. Ich weiche jetzt ab und ohne gehässig sein zu wollen, nach meiner Einschätzung der Momentaufnahmen wird meine Cousine noch mal die Gelegenheit haben, es anders zu veranlassen.

(Foto: Petra Bork  / pixelio.de)

 


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