Das ägyptische Militär hatte dem demokratisch gewählten Präsidenten Mursi ein Ultimatum gestellt, zurückzutreten oder zumindest eine Koalitionsregierung mit der Opposition zu bilden. Der lehnte ab und ließ die Frist verstreichen. Das Militär nahm ihn in Hausarrest und erklärte ihn für abgesetzt. Etwa dreihundert führende Muslim-Brüder sollen verhaftet worden sein. Damit endet die vor einem Jahr demokratisch gewählte Regierung Ägyptens.
Das Volk feierte auf dem Tahir-Platz ein Volksfest mit Feuerwerk und angeblicher Massenvergewaltigung von bis zu einhundert Frauen, so ist heute zu lesen. Es soll in mehreren Städten Verletzte und Tote gegeben haben. Doch sind die Menschenmassen mehr als Staffage?
Hatte das Volk denn wirklich etwas zu feiern? Den Ägyptern geht es nach wie vor schlecht. Mursi trieb lediglich seine eigene Allmacht und die Islamisierung des Landes voran. Die Menschen gaben ihm die Schuld an der Misere.
Aber Ägypten wird schon seit Hosni Mubaraks Zeiten vom Militär regiert, dem weite Teile der Wirtschaft regelrecht gehören. Daran hat sich bisher nichts geändert. Als Mubarak seinen Dienst getan hatte musste er weg. Jetzt muss also Mursi gehen. Das Militär bleibt.
US-Präsident Obama brach über den Staatsstreich nicht in Jubel aus. Er kündigte an, die Militärhilfe für Ägypten von jährlich 1,5 Milliarden Dollar überprüfen zu lassen.
Die Briten erklärten ebenfalls, dass sie den Sturz einer gewählten Regierung nicht gut heissen könnten. Mursi weinen sie keine Träne nach.
Die türkische AKP-Regierung hatte zu Mursi und den Muslim-Brüdern eine enge Beziehung gepflegt. Mursi hatte letztes Jahr am Parteitag der AKP teilgenommen. Sie lehnt den Staatsstreich ab. Er tangiert eine der Urängste Erdogans, vom eigenen Militär abgesetzt zu werden. Deshalb hat er das türkische Militär in den letzten Jahren unter allen möglichen Vorwänden praktisch enthauptet.
Ein anderer Punkt ist der Einfluß dieses Putsches auf die Lage in Syrien. Mursi und Erdogan lagen auf einer Linie in ihrer Unterstützung der sogenannten syrischen Rebellion, die hauptsächlich auf handfester Intervention von ausländischen Söldnern und Regierungen beruht. Sollte sich das ägyptische Militär gegenüber Assad pragmatischer zeigen stünde Erdogan hier künftig ohne einen wichtigen Verbündeten da.
Man kann Ägypten und die Türkei natürlich nicht miteinander vergleichen. Doch Erdogan wird einen Monat nach den Unruhen um den Gezi-Park in Istanbul mit Sorge sehen, wie schnell sogenannte starke Männer im Orkus der Geschichte verschwinden können.
Der sogenannte Arabische Frühling ist bisher ziemlich ergebnisoffen. Eine wirkliche Demokratisierung hat er noch nirgendwo gebracht. Je nach persönlicher Einstellung kann man ihn als halb erfolgreich, oder als halb gescheitert bezeichnen.