Die Lordsiegelbewahrer des wahren und sauberen Journalismus, sobald sie meinen, unter sich zu sein, agieren sie eifersüchtig wie die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen großgangster, auf die Jagd zu machen sich die Mitglieder des „Netzwerk Recherche e. V.“ einst vorgenommen hatten. Damals, im Jahr 2001, beschlossen die Edelfedern der Medienrepublik, dass es nun wieder genug sein müsse mit erfundenen Zeugen, Reportagen nach Hörensagen und Skandalen, die immer erst aufgedeckt wurden, wenn jemand ein Interesse daran hatte.
Recherche sollte helfen, so als seien Sauereien früher aufgeflogen, weil investigative Schreiberlinge ausgiebig in Archiven gesessen, Beamte mit einem Appell an deren Wahrheitsliebe zur Aussage überredet oder gar rein der Nase nach mit spitzer Feder losgeschrieben hätten.
Zehn Jahre agiert der treudeutsch als ordentlicher Verein organisierte Klub der Guten inzwischen im schmutzigen Geschäft. Im Journalismus ist seitdem nichts besser, vieles aber immer schlechter geworden. Netzwerk Recherche e.V. half mit: Es wurden Tagungen veranstaltet, Preise verliehen, Sitzungen abgehalten und Broschüren veröffentlicht. Sogar einen eigenen "Medienkodex" entwarfen die engagierten Großdichter, und in einem zehn Punkte umfassenden Leitbild legten sie fest: „Journalisten machen keine PR.“
Dann aber stolperte ausgerechnet der "Journalistenverein, der sich exakter Recherche und größtmöglicher Transparenz verschrieben hat, über Unklarheiten in der eigenen Buchhaltung", wie es der "Medienjournalist" (dpa) Stefan Niggemeier zärtlich ausdrückt. Durch "falsche Förderanträge" habe der "Verein vermutlich zu viel Geld eingesackt". Die Buchhaltung stimme nicht. Es gebe "fragwürdige Abrechnungen" und Hinweise darauf, dass "Gelder nicht korrekt ausgewiesen wurden".
Natürlich: Kein investigativer Journalist hat aufgedeckt, dass die unabhängigen Rechercheure sich von der Demokratie-PR-Agentur Bundeszentrale für politische Bildung sponsern ließen und dabei auch noch Gelder mitnahmen, die ihnen nicht zugestanden hätten. Die Schuld werde beim Vereinschef Thomas Leif "ausgemacht", schrieb der "Spiegel", der bis dahin natürlich auch nicht hatte wissen können, was Vorstandsmitglied Tina Groll, eigentlich "ausgebildete Wirtschaftsjournalistin" (Homepage) und bei Zeit Online beschäftigt, zwar wusste, aber nie ausrecherchierte: "Er hat alles alleine gemacht, er war so übermächtig, wir haben ihm blind vertraut."
Es brauchte den Vereinsvorstand dazu, der, einmal beim Aufräumen, nun mit dem alten Vorsitzenden gleich auch noch alte Ideale über Bord wirft. Dem kleinen investigativen Blog netzwerkrecherche.wordpress.com wurde einfach mal der Saft abgedreht, "nach zweieinhalb Jahren und 137.500 Zugriffen", wie Betreiber NWR klagt. Und das nur, weil Netzwerk Recherche e.V. sich beim Bloghoster Wordpress beschwert hatte, dass die Seite von jemandem "gesteuert" werde, der "mit dem Verein nicht verbunden ist".
Ungeheuerlich! "Wenn bei Suchmaschinen wie Google Schlüsselworte wie ,Netzwerk Recherche´ oder ,netzwerk recherche´ eingegeben werden, wird auch ,netzwerkrecherche´ prominent verzeichnet, was dazu führen könnte, daß Leser glauben, daß der Blog zum Verein gehöre, was den Ruf schädigt", heißt es nach Auskunft von Netzwerkrecherche in einer in unübersehbar investigatem Deutsch verfassten Mail, die sein Bloghoster erhalten habe.
Nein, es gibt keine Marke auf den Begriff Netzwerk Recherche. Kein Patent, kein Gebrauchsmuster. Es gab vielmehr das Vorhaben, mit dem Verein nicht den Verein zu stärken, sondern den Ruf und den Rang von recherchierendem Journalismus. Jeder, der recherchieren wollte, statt Pressemitteilungen abzutippen, sollte einer von den Guten sein dürfen.
Damals. Heute drehen die Wächter der Medienmoral denen, die weder PR machen noch Pressemitteilungen abschreiben, den Saft ab. Die Blogbetreiber von Netzwerkrecherche mussten, nach der Abschaltung seiner Seite durch die Aufdecker und Enthüller, erst einmal selbst nach „Netzwerk Recherche“ googeln, um herauszubekommen, was das für Leute sind, die sich da nicht mit ihm verwechseln lassen wollen. "Wir erschraken fürchterlich", heißt es in einem farbigen Erlebnisbericht, "eine ganze Seite voller Skandale, Unterschlagungen, staatsanwaltlicher Ermittlungen, Erklärungsnöte, Putsche … und dazwischen unser Blog, süffisanterweise auch noch mit der Schlagzeile „Wer Internetseiten einfriert, der kocht auch Bücher.“
Nein, das wollen die Recherche-Blogger nicht, dass eventuell "Leser glauben, dass der Blog zum Verein gehöre, was den Ruf schädigt". Ab sofort wird unter Eulenfurz zurückgebloggt.