von Cihane Gürtas
Wie fühlt sich absolute Stimmlosigkeit an? Dies durfte ich fassungslos am vergangenen Freitag erfahren.
Als ich vor diesem besagten Freitag, nämlich am 25.06.10 die Information bekam – per Mail versteht sich – dass es eine Veranstaltung bezüglich der Entwicklungen im Iran stattfinden wird, war der Freitagabend somit geplant.
Ich freute mich nicht nur, weil es eine Veranstaltung über den Iran, ein Land dessen Entwicklungen den gesamten Nahen Osten berührt, werden sollte, sondern auch, weil diese besagte Veranstaltung von vielversprechenden Organisationen wie Die Linke, die SDS Heidelberg, dem Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg, und dem Heidelberger Friedensratschlag auf die Beine gestellt wurde. Ein schöner Cocktail aus humanitären Vereinigungen und linker Politik.
Wenig später schaute ich mir diesen jungen Politikwissenschaftler an, der den Vortrag „Iran im Visier / Sanktionen, Propaganda, Kriegsdrohungen“ halten sollte, Ali Fathollah-Nejad, der wie wir von allen iranischen im Ausland lebenden Akademikern erwarten, sich in der Friedensbewegung engagiert- diese ersten Informationen, die ich dem beigefügten Flyer entnahm waren nicht weiter verwunderlich- wie könnte es ja auch anders sein. Und wie es sich gehört, las ich auch den beigefügten kleinen Infotext, der mich vom Hocker riss.
Dieser Text handelte von einem drohenden Krieg der Amerikaner gegen den Iran und davon dass auch der Iran wie andere Länder das Recht habe Atomwaffen zu besitzen, bzw. dafür den notwendigen Uran anzureichern – kein Wort von dem gegen die Oppositionellen bereits im Land geführten Krieg, kein Wort von manipulierten Wahlen, Hinrichtungen, Vergewaltigungen, Folter, Gefängnissen, kein Wort von den Wehklagen der Mütter.
Dabei ist es gerade mal ein paar Wochen her, dass eine junge und friedensliebende Kurdin und vier Kurden wegen Abtrünnigkeit (wie religiöse sagen würden, das Gott gegebene Leben verlassen mussten) hingerichtet wurden, weil sie von einer Idee der Abschaffung von Ungleichheit und einer für alle geltenden Freiheit begeistert waren.
Im Gegensatz zu ihnen ist der illegitime iranische Präsident von einer Welt begeistert, in der keine der oben erwähnten Organisatoren eine Existenzgrundlage haben könnten, diese Welt, die auf Despotie gründet, muten sie aber den dort lebenden Menschen an. Die begeisterten wenigen Zuhörer von dem Verfechter des Mullahregimes – hier genügt ein wenig Internetrecherche – hielten nicht nur Ahmadinejad für den fähigsten Staatsmann der Region, o je was würde der Rivale Erdogan dazu sagen – mit seinem letzten Einsatz in Gaza-Streifen hat er doch seine Position in der islamischen Welt enorm gestärkt, so dass sein Freund und Rivale Ahmadinejad ihm gleichmachen wollte. Sondern verurteilten sie obendrein die Menschen, die friedlich vor dem Hörsaal Flyer verteilten, um andere Unwissende über die Zustände im Iran aufzuklären. Diese begeisterten wenigen Zuhörer, also die Rede ist von ungefähr 10 Menschen, mehr als die Hälfte waren Frauen,
was wieder unbegreiflich ist, verherrlichten das islamische Regime und riefen mit einem dominierenden Ton, Islam, Islam…Interessant war auch, dass außer dem Redner nur ein iranischstämmiger Mensch im Hörsaal war, alle anderen
waren zumindest, was der Augenschein zulässt, Deutsche ohne Migrationshintergrund.
Vor dem Hintergrund, dass die Linke mit türkischen Nationalisten und Rechtsradikalen sowie Islamisten im wahrsten Sinne des Wortes in einem „Boot“ saß, sollte mich doch dieser Vorfall nicht weiter überraschen.
Es ist aber die angeborene Gerechtigkeitsinstanz, die sich meldet, nämlich das Gewissen. Ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass eine Partei, zu deren Wählerschaft ich mich bis dato zählte, sich auch von der Realpolitik so vereinnahmen lässt, dass die Ideale baden gehen. Genau die Realpolitik wurde von einem linken Vertreter, dort in einem kleinen Gespräch im Foyer, als Grund dieser Veranstaltung angeführt, dass es gerade
auf der Tagesordnung der Weltpolitik sei über Atompolitik von Iran zu sprechen. Als die auch die wenigen Sprachlosen ihm entgegneten, was mit den Menschen dort sei? Keine Antwort. Was bezweckt ihr mit dieser Veranstaltung? Die Antwort kam so schnell bevor der Fragesteller den Satz beendet hat. Solche Veranstaltungen sollen dafür dienen, die deutsche und amerikanische Politik zu schwächen.
Aber bedeutet es nicht im Umkehrschluss, dass dadurch Ahmadinejad und seine menschenverachtende, menschenunwürdige Politik gestärkt wird, die er im eigenen Land vor allem gegen die linksorientierten Menschen rigoros
umsetzt? Indirekt vielleicht schon sagt die Linke.
Während ich diese Zeilen geschrieben habe, bekam ich die Information, dass der 27jährigen Zeinab Jalalian unmittelbar die Ermordung durch den iranischen Staat droht. Die politische Aktivistin Zeinab Jalalian wird sich nicht einmal von ihrer Familie verabschieden können.
Also dann ist nicht immer der Feind des Feindes dein Freund.
(ursprünglich als Mail erhalten – mit Erlaubnis der Autorin hier veröffentlicht)