Grundlagen der Dharma-Erklärungen

Grundlegende Punkte, die erklärt werden müssen, wenn Buddhas Wort oder die Abhandlungen gelehrt werden.

von Patrul Rinpoche

Grundlagen der Dharma-ErklärungenIm Allgemeinen gibt es für jede Art des Lehrens des Dharmas, eine Erklärung von grundlegenden Punkten, die dem Lehren vorangehen und dann das eigentliche Lehrens des Themas, das erklärt wird.

I. Die grundlegenden Punkte, die erklärt werden müssen

Diese bestehen aus drei Teilen: 1) Wie der Lehrer unterrichtet; 2) Wie die Schüler zuhören; und 3) Wie gehen Lehrer und Schüler beim Lehren und Zuhören vor?

  1. Wie der Lehrer lehrt

Wenn der Lehrer ein vollständig erleuchteter Buddha ist, lehrt er durch seine drei Arten wundersamer Fähigkeiten. Durch die wundersame Fähigkeit seiner magischen Form, ist er in der Lage Schüler zu gewinnen, die in der Versammlung noch nicht enthalten sind und inspiriert diejenigen zur Hingabe, die sich versammelt haben. Durch die wundersame Fähigkeit seines allgemein kommunizierenden Geistes, ist er in der Lage, die Versammlung genau nach ihrer Empfänglichkeit und der Schärfe ihrer geistigen Fähigkeiten zu lehren. Durch die wunderbare Fähigkeit seiner führenden Rede lehrt er im Einklang mit den besonderen Fähigkeiten der Wesen, spricht mit der Stimme von Brahma in all den verschiedenen Sprachen der sechs Klassen von Lebewesen.
Arhat-Lehrer lehren mit drei reinen Faktoren. Erstens gibt es das reine Gefäß des Zuhörers. Dies bedeutet, dass die Arhats ihre übernatürlichen Kräfte des Erkennens verwenden, um die Schüler in der Versammlung prüfen, bevor sein den Dharma nur jenen lehren, deren Geistesstrom rein ist. Dann gibt es die reine Rede der Lehrer. Das bedeutet, dass Arhats ohne irgendeine emotionale Belastung lehren, in angenehmer Art und Weise, die frei von jeglichen sprachlichen Unreinheiten oder irgendwelchen Fehlern hinsichtlich grammatikalischen Begriffen oder Satzstellung ist. Schließlich gibt es das reine Thema der Lehre, was bedeutet, dass die Arhats genau das lehren, was sie von ihren eigenen Lehrern, den vollkommen erleuchteten Buddhas, gehört haben. Aufgrund ihrer unfehlbaren Kraft der Erinnerung fügen sie nicht ein einziges Wort hinzu oder lassen eines weg.
Du fragst dich vielleicht, warum die großen Arhats den Dharma nicht durch die drei Arten wundersamer Fähigkeiten lehren. Arhats sind nicht in der Lage beim Lehren diese drei wundersamen Fähigkeiten zu verwenden, weil sie vier Gründe haben, die sie davon abhalten, bestimmte Dinge zu wissen. Es mangelt ihnen am Wissen über entfernte Orte, wie beispielsweise Maudgalyayana nicht wusste, dass seine Mutter im Buddha-Feld „Özer Chän“ (Mit Lichtstrahlen geschmückt) wiedergeboren wurde. Es fehlt ihnen auch am Wissen über ferne Zeiten, so wie Shariputra nicht wusste, dass die Haushälter Palkye den Samen der Befreiung besaß. Auch kennen sie nicht Endlosigkeit der Resultate, die aus einer unendlichen Zahl von Ursachen entspringt. Wie gesagt wird:
„All die verschiedenen Ursachen zu kennen, die bloß eine der leuchtenden Farben im Schweif eines Pfaus hervorbringen, erfordert Allwissenheit. Solche Dinge sind jedem anderen unbekannt, abgesehen (jenen mit) allwissender Weisheit. Ihnen mangelt es an den vielen Qualitäten des Buddha. Sie kennen nicht seine zehn Kräfte, seine vier Furchtlosigkeiten, 18 ungeteilten Merkmale usw.“
Wenn man zum Lehrstil eines gelehrten Pandita kommt, gibt es zwei Methoden. Die Panditas der glorreichen Klosteruniversität von Nalanda würden die Worte Buddhas in Form der fünf Vollkommenheiten und der Abhandlungen mittels der fünf bedeutsamen Erörterungen lehren. Die Panditas der Klosteruniversität von Vikramashila würden anfangen, indem sie ihre Zuhörerschaft entsprechend empfänglich machen und dann die zwei Gewissheiten hinsichtlich des Ursprungs der Lehre beschreiben.
Wenn wir nun den ersten Ansatz (den von Nalanda) wählen, um eine Abhandlung wie „Das kostbare wunscherfüllende Schatzhaus“ zu erklären, müssen wir diesen mittels der fünf hauptsächlichen Erörterungen wie folgend erklären, da er nicht das direkte Wort Buddhas ist.

  • Vielleicht fragt man sich, wer nun der Autor dieses Textes ist? Es ist der allwissende Dharma-Herr Pal Ngakgi Wangchug (Longchenpa), der alle drei Qualifikationen desjenigen besitzt, der eine Abhandlung verfasst – die höchste Qualifikation des Sehens der Wahrheit der Wirklichkeit an sich, die mittlere Qualifikation des Erlangens der Bevollmächtigung durch die Meditationsgottheit und die geringste Qualifikation eines in den fünf Wissenschaften bewanderten (Menschen) – und der das ferne Ufer des Ozeans unserer eigenen und der philosophischen Sichtweisen der anderen durch seine Weisheit des Studierens, Nachdenkens und Meditierens erlangt hat.
  • Auf welche Schriften bezieht sich der Text? Er bezieht sich auf die drei Lehrkörbe des Sutrayana und die vier Tantra-Klassen des Mantrayana, zusammen mit ihren dazugehörigen Kommentaren.
  • Zu welcher Kategorie gehört der Text? Allgemein gesagt gehört er innerhalb der zwei Fahrzeuge – dem Hinayana und dem Mahayana – zum Mahayana und unter den zwei Kategorien von Sutra-Mahayana und Mantra-Mahayana gehört er zur Kategorie des unübertrefflichen Mantras.
  • Was ist sein Grundthema vom Anfang bis zum Ende? Er zeigt die Natur von Samsara, die aufzugeben ist und die Natur von Nirvana, die anzunehmen ist.
  • Welchen Nutzen hat der Text und zu welchem Zweck wurde er verfasst? Allgemein können wir sagen, dass er verfasst wurde, um alle Wesen, so grenzenlos an Zahl, auf den Pfad der Befreiung zu führen. Spezieller gesagt wurde er zuliebe der vom Glück begünstigten Schüler geschrieben, um sie auf die Stufe des Vajradhara innerhalb eines einzigen Lebens und mit einem Körper durch Studium, Nachdenken und Meditation und Verständnis davon, was in Samsara und Nirvana aufzugeben und anzunehmen ist, zu führen.

Die fünf wesentlichen Erörterungen wie diese eben zu erklären, ist notwendig, weil sie Vertrauen in die Echtheit der Lehre erzeugt.

  1. Wie Schüler zuhören

Grundlagen der Dharma-ErklärungenEs ist wichtig zuzuhören, während man gleichzeitig die drei Fehler des Gefäßes, die sechs Makel und die fünf falschen Wege des Erinnerns vermeidet, und sich währenddessen auf die vier Gleichnisse stützt und die sechs überweltlichen Vollkommenheiten anwendet.
In Bezug auf die drei Fehler des Gefäßes wird gesagt:
Nicht achtgeben ist wie ein Gefäß, dass umgedreht ist. Sich nichts merken, ist wie ein Gefäß mit einem Loch darin. Das Gehörte mit geistiger Bedrängnis zu vermischen, ist wie ein Gefäß, in dem Gift drinnen ist.“
Diese drei sollten vermieden werden. Wie in den Sutras gesagt wird:
„Höre mit voller Aufmerksamkeit zu und erinnere dich daran, was du hörst. Die sechs Makel werden in der ‚Gut erklärten Argumentation“ erwähnt: Arroganz, Mangel an Vertrauen, Mangel an Interesse, äußerlich abgelenkt, innerlich angespannt und entmutigt sind die sechs Makel.“
Die fünf falschen Wege des Erinnerns sind 1) das Erinnern der Worte, aber man vergisst ihre Bedeutung; 2) man erinnert sich der Bedeutung, aber man vergisst die Worte; 3) man erinnert sich an beide, aber versteht sie nicht; 4) man erinnert sich mit einem falschen Verständnis und 5) man erinnert sich an sie in falscher Reihenfolge.
Die vier Gleichnisse werden im Avatamsaka Sutra gegeben:
„Edler, sieh dich selbst als einen der krank ist, den Dharma als Heilmittel, deinen spirituellen Lehrer als einen geschickten Arzt und die eifrige Praxis als den Pfad der Heilung.“
Das „Tantra der klaren Realisation der Anweisungen zu allen Dharma-Praktiken“ sagt:
„Bringe vollkommene Gaben wie Blumen und Sitzkissen dar, setze dich in der richtigen Reihenfolge hin und kontrolliere dein Benehmen, vermeide, anderen Lebewesen Schaden zu verursachen, bringe deinem Lehrer Gebete dar, lausche unabgelenkt seinen Anweisungen und stelle Fragen, um deine Zweifel zu beseitigen. Das sind die sechs Praktiken der Tara.“

  1. Wie sowohl der Lehrer und der Schüler während dem Lehren und Zuhören vorgehen

Grundlagen der Dharma-Erklärungen

Ausschnitt aus einem Thangka von 19 Meistern im Tempel des Tibetischen Zentrums. Künstler: Thinlay Gyatso

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„Jenen, die die Bedeutung der Sutras lehren möchten, sollten ein paar Worte praktischen Rats gegeben werden. Die praktische Anweisung, auf die ich mich beziehe, ist folgende: Verknüpft den Zweck der Lehre und ihr grundlegendes Thema, die Bedeutung der Worte und wie ihre Teile zusammenpassen und bietet eine Antwort auf mögliche Einwände.“
Wie das zeigt, sollte jeder Abschnitt der Lehre hinsichtlich seines Zwecks verstanden werden, man sollte den Grund aufzeigen, warum er in einer bestimmten Weise dargelegt wird und auch mittels einer Zusammenschau (vornehmen), die eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte ist. Man sollte ihn auch durch eine genaue Erklärung der Worte im Text verstehen, einschließlich ihrer grammatikalischen Merkmale sowie ihrer Reihenfolge, man sollte aufzeigen, wie die verschiedenen vorhergehenden und nachfolgenden Abschnitte des Textes zusammengehören und indem man auf widersprüchliche Punkte oder Quellen des Zweifels hinweist, eine Antwort auf mögliche Einwände geben. Das ist als die fünf bedeutenden strukturellen Themen bekannt.
Man kann auch auf die drei folgenden Arten lehren: 1) den Text in Abschnitte einteilen, was dem Sprung einer Tigerin gleicht; 2) jedes Wort im Text abdecken, was mit einem langsamen Kriechen einer Schildkröte verglichen wird; und 3) einen Abschnitt zurückblickend [überblicksartig] behandeln, was gleich der königlichen Haltung eines Löwen ist.

 II. Das eigentliche Lehren des zu erklärenden Themas

Dieses hat drei Abschnitte: 1) das Heilsame am Anfang – der Sinn der Anweisung; 2) das Heilsame in der Mitte – die Bedeutung des Hauptteils; und 3) das Heilsame am Ende – die Bedeutung des Schlusspunktes.
Der erste der drei hat drei Teile: 1) Angabe des Titels; 2) die Ehrbekundung; und 3) die Verpflichtung, den Text zu verfassen.
Die Erklärung des Titels besteht darin, warum ein Titel notwendig ist und in der Beschreibung der Bedeutung jedes seiner Worte. Hinsichtlich der Notwendigkeit eines Titels gibt es zuerst eine Erklärung, warum allen Dinge im Allgemeinen Namen gegeben werden. Wie gesagt wird:
„Wenn den Dingen keine Namen gegeben werden, wäre die Welt verwildert. Daher hat der Buddha, geschickt in Mitteln, Namen für die Phänomene verwendet.“
Es gibt einen Grund, den Abhandlungen Namen zu geben. Wesen mit der höchsten Fähigkeit wird die gesamte Bedeutung eines Textes vom Anfang bis zum Ende einfach durch das Erblicken seines Titels erkennen, genauso wie Ärzte alle gesundheitlichen Probleme von Kopf bis Fuß am Körper eines Patienten einfach durch das Prüfen des Pulses bestimmen können. Jene mit mittlerer Fähigkeit wird erkennen, in welche Kategorie ein Text fällt, so wie ein Abzeichen an der Uniform eines Soldaten. Für Leute mit geringer Fähigkeit macht es ein Titel leichter, einen Text zu finden, so wie Medizinbehälter, die beschriftet sind, um ihre Inhalte anzuzeigen.
Danach gibt es eine Erklärung der Worte des Titels. Diese hat drei Teile: 1) eine Erklärung des Titels in Sanskrit; 2) eine Erklärung des Titels in Tibetisch; und 3) eine Erklärung der Bedeutung des Titels, indem die Übereinstimmung zwischen den beiden Sprachen gezeigt wird. In Bezug auf den ersten Teil gibt es verschiedene Gründe, warum der Titel in Sanskrit vorhanden ist. Allgemein wird der Sanskrit-Titel am Anfang der Werke, die von den tibetischen Übersetzern übersetzt wurden und von den indischen Gelehrten während der frühen und späteren Periode der Übertragung vollendet wurde, weil er das Vertrauen in den authentischen Ursprung des Textes fördert. Der Sanskrit-Titel wird auch für Abhandlungen verwendet, die in Tibet verfasst wurden, um anzuzeigen, dass die Lehren letztendlich aus Indien abstammen, aber auch um zu zeigen, dass der Autor unwissend ist, was das Ansprechen und Erzeugen vorzüglicher Bedingungen für das Lehren des Dharma an Wesen in ihren eigenen Sprachen angeht, wie Sanskrit (der Sprache der Götter), sobald jemand schließlich Erleuchtung erlangt.
Die Erklärung der Worte des Titels beginnt mit „In der Sprache Indiens…“

Aus dem bka‘ bstan spyi bshad bya’i yan lag in dpal sprul o rgyan ’jigs med chos kyi dbang po’i gsung ’bum, 8 Bände. Chengdu: si khron mi rigs dpe skrun khang, 2003, Band 2, Seite 142–149. Nach der englischen Übersetzung „Preliminary Points“ von Adam Pearcy (2005)  vom Ngak’chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus, 2018) ins Deutsche übersetzt.


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