Griechenland: Verhandelte Verhandlungen neu verhandelt

Während wir langsam aufwachen, hat man sich in Brüssel die Nacht um die Ohren geschlagen. Im Laufe dieser Nacht hat twitter die Verhandlungen mit #thisisacoup kommentiert, obwohl #thisisbullshit es auch getan hätte.

Wie üblich ist kaum mehr nachvollziehbar, was eigentlich besprochen wurde, und zumindest eines steht fest: Springers Blätter werden heute morgen den Griechen die Schuld daran zuschieben, dass es zu keiner Einigung kam. Ah, jetzt ja, just in diesen Minuten neu auf welt.de:
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Man könnte meinen, dass hier zwei klare Fronten gegeneinander stünden. Tatsächlich gibt es aber keinen einheitlichen Vorschlag, dem Tsipras zustimmen könnte. Die Hälfte der Forderungen steht, wie Spiegel.de es formuliert, in "eckigen Klammern"; man streitet auch in der Verhandlungsgruppe selbst.

Einigen konnte man sich neben der Privatisierung von 50 Milliarden Euro Staatseigentum (eine schöne runde Summe, die aufzeigt, wieviel Plan in dem Plan steckt) auch auf das hier:

1 Während ich also noch versuche herauszufinden, wie genau die Öffnung von Geschäften am Sonntag einem Staat hilft, in dem bestimmt keiner mehr Geld zum Einkaufen hat, sei schnell zum markierten Teil des Screenshots erwähnt: Im Mai hat das oberste Verwaltungsgericht Griechenlands die sogenannte "Rentenreform", eine umfangreiche Rentenkürzung, als verfassungswidrig gebrandmarkt. Es verstoße, so das Gericht, gegen die Würde der Menschen; das ist es also, was kompensiert werden muss.

Was mich ungemeine fasziniert, ist die trotz aller Streitereien forgeführte Linie, den griechischen Staat konsequent weiter seiner Einnahmequellen zu berauben und zeitgleich die Kaufkraft der Bürger aktiv zu schwächen, während man mit Angebotspolitik aus den 80ern versucht, Investitionen zu stimulieren. Die solchermaßen angepeilte Wettbewerbsfähigkeit wäre selbst in einer Exportnation wenig wert, wenn ich dafür die Bevölkerung durch den Fleischwolf drehe; davon kann sich im wahrsten Sinne des Wortes keiner was kaufen, und in einem Land, das faktisch nichts exportiert, bist Du nunmal darauf angewiesen, dass sich einer was kaufen kann.

Selbst wenn Griechenland jedoch all die feuchten Träume neoliberaler Think Tanks aus den 90ern umsetzt, bekommt es nichts dafür. Die sogenannten "Verhandlungen" laufen im Endeffekt darauf hinaus, dass das Land Kredite bekommt, um die Zinsen und Raten bereits aufgenommener Kredite bezahlen zu können. Die bittere Pointe ist dabei, ich habe das in vorherigen Einträgen angedeutet, dass die eigentliche Krise sich dabei nur weiter verschärft; man ruiniert also das überschuldete Land, um mehr Schulden machen zu können.

Das ist es übrigens, was der böse irre Ex-Finanzminister Varoufakis partout nicht einsehen wollte. Kann ich nachvollziehen, im Gegensatz zu all dem, was da heute nacht besprochen wurde. Das Problem ist nur: Würde man anerkennen, dass die "Rettungen" und "Hilfen" weder das eine noch das andere waren, wäre das kein Offenbahrungseid für die griechische Regierung, sondern für die großen europäischen Retter und Helfer, allen voran Merkel und Schäuble.

Sie müssten unter anderem erklären, warum man fünf Jahre damit zugebracht hat, die Kredite privater Gläubiger auf den europäischen Steuerzahler zu übertragen, und warum das eigentlich das einzige wirklich greifbare Ergebnis der letzten fünf Jahre war. Und irgendeiner würde sich daran erinnern, dass damals, als das alles losging, die europäischen Banken mehr Eigenkapital brauchten; die Grundlage dafür, dass sie überhaupt Kredite geben können. Was wiederum, System sei dank, eine Grundlagen dafür ist, dass überhaupt noch Wachstum zustande kommt. Und dann, irgendwann später, würde vielleicht jemand verstehen, warum ich nach der Bundestagswahl 2013 einen Vergleich zur Wiedervereinigung Kohls zog.

So, wie Sie Kohl geglaubt haben, dass er schon weiss, was er tut, obwohl man es besser wissen konnte, haben Sie geglaubt, dass Merkel weiss, was sie da tut. Und ja, wären Sie 1990 ein westdeutscher Unternehmer gewesen oder 2009 eine Bank, dann hätten Sie gewonnen.

Ich war weder Unternehmer noch Bank, aber zumindest bleibt mir das böse Erwachen erspart. Erfahrungsgemäß wird es auch noch zwei, drei Jahre dauern, bis Sie sich eingestehen, dass man Sie - schon wieder!- für blöd verkauft hat. Und Gott allein weiss, was für ein Schröder es diesmal ist, den wir dann zur Strafe bekommen.

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