Da Österreich in Sachen Einkommensunterschiede in der EU beinahe an der Spitze steht, ist kaum vorstellbar, dass wir tatsächlich schon seit 20 Jahren über ein Bundes-Gleichbehandlungsgesetz verfügen. In der Parlamentsdebatte dazu verwies Frauensprecherin Gisela Wurm (SPÖ) auf Errungenschaften und Maßnahmen wie den Online-Gehaltsrechner, den Papamonat und den Ausbau der Kinderbetreuungsangebote.
Letzteres hat auch 5000 Arbeitsplätze geschaffen, für Frauen in allererster Linie. Wurm beklagt aber auch eher schlechte Bezahlung in (nach wie vor) “frauentypischen” Bereichen wie Betreuung und Pflege. Nach ihr ist Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek am Wort, die unter anderem für Regenbogenfamilien und dafür plädierte, dass jede/r so lebt, wie sie/er es will. Sie wünscht sich mehr Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung und kritisiert, dass Frauen prekär beschäftigt sind (sein müssen) und Teilzeit arbeiten.
Denn davon kann man bekanntermassen nicht leben, wobei sie jedoch Vollzeitarbeit mit existenzsichernd gleichsetzt, was andere RednerInnen dann korrigieren. Auch im Bereich Vollzeit verdienen mehr Frauen als Männer sehr wenig, manchmal mit, oft auch ohne Kollektivvertrag.
Seitens der ÖVP bekennt sich Frauensprecherin Dorothea Schittenhelm zu Gender Budgeting (hier kann sie Finanzministerin Maria Fekter loben) und kritisiert Einkommensunterschiede, die zu einem Gender Pay Gap von 20 bis 25 % führen.
Was das nächste, im Herbst gewählte Parlament betrifft, wünscht sie sich einen höheren Frauenanteil und plädiert für ein Reißverschlußsystem für Wahllisten – schließlich sind derzeit nur 53 von 183 Abgeordneten weiblich. Immerhin dominieren Frauen die Debatte zur Gleichstellung, da sich nur vier Männer zu Wort meldeten. Hingegen liefern sich bereits beim nächsten Tagesordnungspunkt Männer die üblichen Scharmützel, denn nun geht es um Wirtschaft, Thema Spekulationen und Spekulationsverbot.
Heidemarie Unterreiner von der FPÖ wirft der Frauenministerin Genderpolitik vor, die anderswo in der EU schon veraltet sei. Und sie findet es absurd, über Gleichstellung zu diskutieren, wenn die Finanzmärkte zusammenbrechen. Als ob es hier keine Genderaspekte gäbe, denn die dafür verantwortlichen Weichenstellungen gehen überwiegend auf das Konto von Männern. Und wenn die Krise unten ankommt, bei den BürgerInnen, leiden die am meisten darunter, die ohnehin am wenigsten haben.
Im Frauenministerium am Internationalen Frauentag
“Gender ist ‘Ostblock’?”
Für Unterreiner ist Gender “Ostblock”, als ob es im realen Sozialismus jemals Gleichberechtigung über den Zugang zu Erwerbsarbeit hinaus gegeben hätte. “Gender” ist für sie ein künstliches Konzept, denn “Mann und Frau werden als konstruiert” verstanden. Tatsächlich bedeutet “Gender” als soziale Kategorie, dass Frauen und Männer aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit, weniger aber wegen ihrer Fähigkeiten, ihrer Kenntnisse, ihrer Wünsche und ihrer Lebenssituation unterschiedlich behandelt werden.
“Gendersensibel” können Frauen wie Männer sein – es gibt auch in der Politik, trotz des eher niedrigen Frauenanteils, Männer, die “Gender” weit mehr berücksichtigen als Frauen. Für Letzteres ist Unterreiner ein gutes Beispiel, denn sie gesteht Frauen zwar das Recht auf “fundierte Ausbildung” zu, sieht aber dennoch das Dasein als Hausfrau (und Mutter) als wahrhaft erstrebenswertes Ziel für Frauen.
Da ist sie nicht so weit wenig von SPÖ-Frauensprecherin Gisela Wurm, in deren Vorstellungswelt sich Frauen bis ca. 35 für Kinder entscheiden, wenn die Rahmenbedingungen passen. Dass es Frauen geben kann, die keine eigenen Kinder zur Welt bringen wollen, selbst wenn der Staat sich um bessere Vereinbarkeit bemüht, scheint sie nicht zu bedenken.
Wolfgang Katzian, Chef der GPA-djp und SPÖ-Abgeordneter, sieht Gleichstellung auch als Faktor beim Wirtschaftswachstum. Österreich käme nach Berechnungen auf ein Plus von 0,6%, wenn Erwerbsteiligung und Einkommen von Frauen steigen. Hier verweist er auch auf die Problematik der Kollektivverträge, da in “Männerbranchen” höhere Löhne und höhere Abschlüsse üblich sind, nicht jedoch, wenn vor allem Frauen in einem Bereich arbeiten.
Einwurf zu sexueller Belästigung
Judith Schwentner (Grüne) meint, die Debatte über Gleichstellung sei eine “Feierstunde der SPÖ für ihre Ministerin”. Sie erwähnt kurz die gleichbleibenden Einkommensberichte, um dann zur Botschaft ihrer Partei zu kommen. Schwentner verweist auf einen Bericht des Falter, der Justizakten über den FPÖ-Abgeordneten Christian Lausch zitiert, einen Beschäftigten der Justizwache. Er habe Frauen sexuell belästigt und sei daher rücktrittsreif. Wenn die FPÖ von Gewalt gegen Frauen spricht, tut sie so, als meinte sie nicht nur andere Kulturkreise. Dass es für alle gilt, muss die Partei also unter Beweis stellen.
Im Rathaus am Internationalen Frauentag
Ursula Haubner (BZÖ) will zum eigentlichen Thema zurückkehren und stellt fest, es gäbe heute nicht mehr den “vehementen Kampf der Geschlechter”, denn Frauen bringen sich selbstbewusst im Berufsleben (und in der Politik) ein. Freilich wurde nie wirklich “gekämpft”, sondern wenige Frauen artikulierten sich öffentlich, was als stellvertretend für andere verstanden wurde. Und nach wie vor haben die Argumentationen von Frauen, was bis zur Frauenministerin reicht, wenn sie davon überzeugen will, dass alle von Gleichberechtigung profitieren, oft Appellcharakter und sind nicht fordernd.
Stefan Markowitz spricht für das Team Stronach, das im Parlament von vier Männern und einer Frau vertreten wird. Er kompensiert den bescheidenen Frauenanteil, indem er ein Loblied auf die Mitarbeiterinnen des Klubs anstimmt, die “Großartiges” leisten. Außerdem hinkt Österreich nicht nur bei der Gleichstellung von Frauen, sondern auch bei jener von Menschen mit Behinderungen international hinterher.
Andrea Kuntzl (SPÖ) betont, dass Frauen eine eigenständige ökonomische Basis brauchen, damit sie in einer Beziehung nicht abhängig sind. Christine Marek (ÖVP) weist auf den großen Gender Pay Gap hin, der in den letzten Jahren in etwa gleichgeblieben ist. Nach ihr wirft sich Carmen Gartelgruber (FPÖ) ins Zeug gegen die Grünen, deren Redebeitrag ein “Tiefpunkt des Parlamentarismus” sei, von wegen Diffamierungen und Schmutzkübel. Das Verfahren gegen Lausch sei eingestellt, die Vorwürfe sind längst widerlegt. Die Grünen “melden sich frauenpolitisch ab”, wenn sie die Debatte über Gleichbehandlung umfunktionieren.
Gartelgruber plädiert dafür, dass Frauen bei Kindern zuhause bleiben und sieht generell in Frauen, auch im Beruf, “Werte” verkörpert, die man durch sie “sprechen lassen” soll. Freilich scheint sie nur an verbale Aufwertung zu denken, nicht aber an bessere Bezahlung. Offenbar gehört zum Gesellschaftsbild der FPÖ, dass Frauen ohne eigenständige finanzielle Basis nicht mit Männern zusammenleben würden – und das, wo gerade diese Partei einen hohen Männeranteil hat, ergo besonders stark von Männern geprägt wird.
Halbe-halbe auch bei der Macht?
Wo Frauen mehr Spielraum haben, dürften Männer auch eher damit klarkommen, dass Eigenständigkeit ein Vorteil für alle Beteiligten ist. Freilich muss man feststellen, dass in jeder Partei bestimmte Themen fast nur von Frauen, andere wiederum fast nur von Männern behandelt werden und dass Allgemeines, Parteistrategisches, Personalpolitisches im Grunde Männersache ist. Dies entspricht ziemlich exakt einer ähnlichen geschlechtsspezifischen Aufteilung in den Medien, die ja Politik darstellen, widerspiegeln, begleiten und kommentieren.
Demo am Internationalen Frauentag
Gender Budgeting und andere Ansätze finden nur dann wirklich statt, wenn alles als Frauen- und Männersache gilt, weil erst so erkannt werden kann, wo Gender eine Rolle spielt. Es fragt sich auch, wo tatsächlich über sexuelle Belästigung diskutiert wird, wenn die Grünen es einerseits an einer Person aufhängen, ohne zu generalisieren, andererseits aber auch niemand auf den Versuch einer Debatte einsteigt.
Albert Steinhauser legte dann noch einmal nach, indem er aus den Akten der Justiz zitierte, die dem Falter zugespielt wurden. Lausch soll zu den Vorwürfen unter anderem gesagt haben, dass sie von Frauen kommen, die ja bloss Karriere machen wollten, ergo ihn diskreditiert haben. Ein Disziplinarverfahren wurde von der “blauorganen Justiz” 2005 rasch wieder eingestellt, sagt Steinhauser. Ihm kontert Heinz Christian Strache beim nächsten Tagesordnungspunkt unter anderem mit dem Hinweis, dass Lausch bei Personalvertretungswahlen nach den Vorwürfen eine absolute Mehrheit bekam.
Der letzte Redner ist Sigisbert Dolinschek vom BZÖ, der Heinisch-Hosek vorwirft, bloss immer wieder Kampagnen durchgeführt zu haben, ohne etwas zu verändern. Als Kanzleramtsministerium mit vergleichweise wenig Budget hat das Frauenressort allerdings geringere Kompetenzen als andere Ministerien, ergo ist sogenannte “symbolische” Politik wichtig.
Es geht ja auch darum, Menschen zur Auseinandersetzung mit Gleichberechtigung zu bewegen, die BürgerInnen sind da die direkten AnsprechpartnerInnen. Natürlich hat der Abgeordnete aber recht, wenn er bei der SPÖ Postenbesetzungen meist mit Männern vorhält, wie jüngst an der Spitze der Arbeiterkammer zu beobachten. Dass Männer von Männern abgelöst werden, senkt zwar nicht den Frauenanteil, wirft aber die Frage auf, warum in so vielen Gremien so wenig Frauen mitbestimmen.
Frau sein allein ist allerdings nie Programm genug – davon abgesehen, dass Politikerinnen selbst immer betonen, dass es auf Leistungen ankommt, müssen Frauen überall präsent sein, um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Sprüche wie jener von der “Hälfte der Macht für Frauen” verhallen im Parlament und wirken sogar deplatziert, wenn es die Frauen selbst sind, die sich bescheiden mit dem zufriedengeben, was Männer ihnen zuweisen.
Demo am Internationalen Frauentag
Man könnte auch kritisch feststellen, dass dieses “brave” Verhalten immerhin belohnt wird, denn sonst hätten diese Frauen vielleicht keine Funktionen. Männer bestimmen nicht deshalb, wo es langgeht, weil sie die wichtigeren Funktionen haben, sondern weil sie sich Ziele setzen, Allianzen schmieden, strategisch vorgehen. Formale Zuständigkeiten sind keineswegs allein entscheidend, ob jemand etwas vorantreiben kann oder nicht.
Wer Erfahrung mit Frauennetzwerken hat, mit denen ein bisschen ein Gegengewicht zu “Männerseilschaften” geschaffen wurde, berichtet von Ernüchterung und Enttäuschung. Denn viele erwarten, dass sich nur andere engagieren, sie selbst vor allem profitieren, ohne ihr Know How, ihren Rat, ihre Kontakte auch anderen zur Verfügung zu stellen. Und es gibt enormen Neid unter Frauen, offenbar weit mehr als unter Männern, die sich anscheinend viel leichter damit tun, punktuell Bündnisse zu schließen.
Deshalb ist Frauenvernetzung in der Politik auch so selten (wer erinnert sich noch an das Zusammenspiel von schwarzen, roten und grünen Politikerinnen in Sachen Bundeshymne? und was kam danach? Schweigen im Walde…). Hingegen haben Männer keine Probleme damit, dass Vertreter einer anderen Partei nur teilweise und in aktuellen Situationen das Gleiche wollen. Unter Frauen fliegen auch die Hakln besonders tief – nur wenige Sätze gewechselt, und manch eine bringt eine ungeheure Menge an Bösartigem über eine andere Frau unter.
Der Faktor “Neid” ist in diesem Zusammenhang ja etwas Seltsames, denn keine der Neiderinnen möchte die Mühen der Ebene, die Schwierigkeiten, das Rennen gegen Mauern selbst erleben. Wohl aber, ohne je ins kalte Wasser zu springen, Anerkennung und Respekt erringen. Abseits schablonenartiger und klischeehafter Vorstellungen von “Karriere” hat das Erreichen von Zielen nicht direkt etwas mit Geld und Status oder formaler Funktion zu tun. Dies muss nicht einmal bedeuten, dass eine Frau ökonomisch eigenständig ist und “halbe / halbe” praktiziert, denn der bestimmende Faktor ist, das zu tun und zu erkämpfen, wofür eine Frau sich selbst entscheidet.
Natürlich wird meist abstrahierend diskutiert, schon allein, weil man Einkommensunterschiede nur anhand statistischer Daten verdeutlichen kann. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass es immer um die Chance gehen muss, sich selbst zu verwirklichen, so wie jede Frau (und jeder Mann) es will. Ideologisch-gesellschaftspolitisch sollte zugrunde liegen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die jeden Lebensentwurf und jeden Weg möglich machen. Was FPÖ und Co. gerne übersehen ist, dass sie selbst genau das nicht wollen, sondern ein Weltbild umsetzen möchten – und die Lebensmodelle erschweren wollen, die ihnen nicht ins Konzept passen.
Text und Bilder: Alexandra Bader
Info: In Österreich wurde 1993 das erste Gleichbehandlungsgesetz für den Bundesdienst beschlossen. Nach wie vor ist der öffentliche Dienst auch wegen gesetzlicher Regelung weiter als die Privatwirtschaft; zwar haben Frauen im Staatsdienst nicht dieselben Karrierechancen wie Männer, doch die Einkommensunterschiede sind in diesem Bereich noch am niedrigsten. In den Gender Pay Gap-Statistiken der EU ist Österreich an vorletzter Stelle mit besonders ausgeprägten Unterschieden von 20 bis 25% beim Vergleich von Vollzeitjobs. Eine Fülle an laufend neuem Datenmaterial liefert die Statistik Austria.
In der Debatte vor der Volksbefragung über die Abschaffung der Wehrpflicht am 20. Jänner 2013 argumentierte das SPÖ-nahe Personenkomitee “Unser Heer” mit angeblichen Erwerbsnachteilen von Männern durch Wehr- und Zivildienst. Dabei wurde ignoriert, dass Österreich keinen so deutlichen Gender Pay Gap haben dürfte, würde sich der Dienst tatsächlich nachteilig auf Männereinkommen auswirken.
Auf Regierungsebene ist Frauenpolitik dem Frauenministerium zugeordnet, das als Kanzleramtsministerium gestaltet ist. Die Frauenministerin hat wenig direkte Kompetenzen und verglichen mit anderen Ressorts wenig Budget, jedoch Genderkompetenz, um mit allen Ressorts Maßnahmen abzustimmen.
Artikel von www.ceiberweiber.at
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