Glaubwürdigkeit gewinnen

Wenn sowas wie die FDP einen "Neuanfang" macht, bei dem alles beim Alten bleibt und selbst der designierte Nachfolger an der Spitze bereits seit Jahren einer der vielen Köche ist, die den traumkoalitionären Brei verderben, lohnt sich ein Blick ins Archiv. Auf "Flügelschläge" kommt Herr Rösler bisher nicht vor; das kann natürlich nicht sein - der Gesundheitsminister kam ständig vor. Schuld ist die Rechtschreibreform. Ja, wirklich. Einer, der sein Leben lang mit s, ss und ß hadert, hat es ja nicht einfacher, seit wir alles anders richtig schreiben. Und so wurde aus dem Gesundheitsminister Rösler Herr "Rössler", der Vorname mit einer nach Tagesform varrierenden Masse an P und L angereichert. Hier also der feierliche Schwur:

Nie wieder Rössler. Nie wieder Philip oder Phillip. Nur noch Rösler. Zumindest, bis er den Platzeck macht. Den finden Sie in einem anderen Archiv. Ein Neuanfang auch bei Flügelschläge. Bitter nötig, wenn man mal so nachliest, was dieser Herr Rössler so getrieben hat.

Ende Januar 2010 tobte zum Beispiel die Republik über Zustatzbeiträge. Hatte noch die große Koalition beschlossen, die sich dann darüber ereiferte - ja, auch meine liebe SPD- dass die Dinger dann auch wirklich von den Kassen erhoben wurden. Auch Herr Rösler war entsetzt: Pauschale Beiträge dieser Art wären unsozial, sagt er. Und machte sich daran, die Kopfpauschale zu verwirklichen, die ziemlich exakt dieses Prinzip auf die Spitze treibt: Alle zahlen das Gleiche, Gloria von Turn und Taxis genau so wie ihre Putzfrau. Wenn man die starken Schultern, wie man in der SPD gerne sagt, dergestalt entlastet, fehlt natürlich eine Menge Kohle, und das Ergebnis ist ein Beitrag, den sich die "schwachen Schultern" in so großer Masse nicht leisten können, dass Sie das dann stattdessen aus Steuermitteln bezahlen müssen.

Fiel auch Finanzminister Schäuble auf, sechs Jahre, nachdem er dieses großartige Konzept selbst gegen Kritiker auch quer durch die Union durchgeprügelt hatte, damit die wenigstens irgendein Konzept für das stets reformbedürftige Gesundheitswesen hat. Auf 73 Prozent, errechnete er, würde der Spitzensteuersatz steigen müssen. Philipp Rösler fand denn auch rasch die Lösung: Wenn es keine Kopfpauschale gäbe, wolle ihn auch niemand als Minister. Fast richtig, Herr Rösler: Weil Sie die Kopfpauschale wollen, will Sie keiner als Minister. Aber ich fand Ihren Vorschlag, ohne Kopfpauschale zurückzutreten, trotzdem super. Es gibt ja auch noch immer nicht wirklich eine. Sie wollen Glaubwürdigkeit gewinnen? Ich hab noch nie davon gehört, dass man die "gewinnt", aber hier wäre vielleicht eine Möglichkeit.

Im März vorigen Jahres zog Rösler dann mit Gurken und Wildsäuen los, um die Pharmalobby an die Wand zu lächeln. Die neue Mission: Die überhöhten Preise reduzieren. In seiner Erregung verkündete er diese Pläne bereits, bevor er ein Konzept dafür hatte, mündend in glaubwürdigkeitsgewinnende Sätze wie... moment....

Offiziell gibt es zwar noch gar kein Konzept des Bundesgesundheitsministeriums gegen die ausufernden Arzneimittelkosten, dennoch ist die Diskussion bereits voll entbrannt.

für alle Zeiten festgehalten unter "Geistig-politische Wende" hier

Das Ergebnis war wie üblich denn auch humoristisch ein voller Erfolg: Freiwillige Rabatte! Zum ersten und bis jetzt auch letzten Mal sah ich mich veranlasst, ernsthaft über Teppichhändler zu schreiben, denn...

"Das ist ähnlich wie bei Teppichhändlern. Wenn ich hundert Prozent vom Preis haben will, schlage ich 20 Prozent drauf und lasse mir die 20 Prozent wieder abhandeln"

... wie dann der Gesundheitsexperte der SPD, Karl Lauterbach, feststellte.

Nach diesem Mega-Erfolg, für den er sich gestern ernsthaft zu feiern versuchte, entdeckte er dann ein Problem, das wir garnicht haben und fand auch sofort eine Lösung, die keine ist: Der Landarztmangel. Streng genommen fand er tatsächlich viele Probleme: Zuviele Studienabbrecher, zuviele Zulassungen in den Städten, ein Studium, das dringend aus dem 19. Jahrhundert herausfinden muss, nicht zuletzt einen merkwürdigen Drang fertig studierter Mediziner, das Land zu verlassen. Das alles schien so in Ordnung zu sein, die Lösung war ein abgesenkte NC für Medizinstudeten, die sich verpflichten, auf dem Land zu arbeiten, also quasi die Zwangsverpflichtung der zweiten Wahl. Wunderlich. Ist dann auch irgendwie dort verschwunden, wo alle Säue hingehen, nachdem sie durch das Dorf mit den vielen Kirchen gejagt wurden, die man dort gelassen hat. Der Spruch hat selten besser gepasst.

Seinen letzten großen Auftritt hatte er dann bei einem neuen Versuch, die Kopfpauschale zu installieren. Trotz der Zusammenfassung verstehe ich aber immer noch nicht diesen Satz, der damals fiel:

"Wer uns unterstellt, wir wollten Chefarzt und Krankenschwester in gleicher Weise belasten, sagt bewusst die Unwahrheit", kritisierten die beiden Koalitionspolitiker.

für immer festgeshalten unter "Das bißchen Kopfpauschale" hier

Das ist ein seltsamer Satz, denn genau das tut die Kopfpauschale. Exakt das. Es sei denn, die Krankenschwester kommt aus Osteuropa, wird deswegen nur wie eine Hilfskraft bezahlt und kann sich das einfach nicht leisten. Dann wird das aus Steuermitteln beglichen. Oder eben, indem man doch die Beiträge erhöht, wie es Rösler dann getan hat. Tatsächlich wäre der Satz ein bißchen wahrer geworden, hätte man stattdessen den Spitzensteuersatz angehoben. Wobei: Kein Chefarzt, der bei Verstand ist, zahlt bei den gesetzlichen Krankenkassen ein. Das ist ja das eigentliche Problem. Genau deswegen brauchen wir ja auch endlich die Bürgerversicherung, kleiner Tip für alle, die Glaubwürdigkeit gewinnen wollen.

Kein Zweifel: Herr Rösler sollte sich die die Geschichte von Herrn Rössler genau ansehen, bevor er seinen programmatischen und personellen Neubeginn einleitet. Denn dieser Herr Rössler war ja bislang ein echter Reinfall, genauso wie der Aussenminister, der Aussenminister bleibt, der Wirtschaftsminister, der Wirtschaftsminister bleibt, und die Fraktionsvorsitzende, die sie wohl auch nicht loswerden. Die Wähler in Berlin, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern blenden zu wollen mit der geballten Inkompetenz in Form eines zweifellos humorvollen, netten Konfirmanden ist so gesehen nur konsequent. Es wird derart schiefgehen, dass sie dann wohl demnächst auch anfangen, ihren Vorsitzenden alle paar Monate auszutauschen und ein Fluch wahr wird, der so grausam ist, dass ich ihn nie ausgestossen hätte:

Jetzt seid ihr die SPD.

By the way, Herr Steinmeier, der Bürger hat sehr wohl schon mal einer Partei zugesehen, die in dieser Geschwindigkeit implodiert ist. Daran erinnern sich die Leute noch besser als an das Wetter damals.


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