GIGUK 2010 – Ein Bericht

GIGUK 2010 – Ein Bericht

Autor mit Kompositmaske von Raul Gschrey / Foto: ntropy

“Herzlich Willkommen auf dem diesjährigen Festival für Film – äh- Videokunst GIGUK. Ich freue mich wirklich sehr, die zahlreichen Anwesenden hier in Gießen begrüßen zu dürfen und sehe der Veranstaltung, die in unserer Region nicht mehr wegzudenken ist, mehr als positiv entgegen.”

So hätte die Begrüßungsrede der Oberbürgermeisterin lauten können, wenn ich sie nicht verpasst hätte. Schade. Aber nicht wenige Anwesende versicherten mir, dass ich nichts verpasst hätte und Frau Dietlind Grabe-Bolz am Schluss ihrer Rede schnell wieder in den unergründlichen Labyrinthen des Provinzstadtpolitikbetriebs verschwunden sei mit der Aussage, sie hätte noch andere Termine und ohnehin noch keinen Zugang zu dieser Kunstform gefunden.

GIGUK 2010 – Ein Bericht
bewegungsspielraum Performance, 3-Kanal Videoinstallation, 3 Monitore, Farbe, Ton, 3x ca. 3’30, 2008 – Foto: ntropy

Zugegebenermaßen ging es mir bei der Rezeption der unzähligen Filme zunächst auch so. Schnell musste ich meine Erwartung revidieren, an diesem Abend Filme zu sehen, handelte es sich doch um ein Festival für Video- und nicht Filmkunst. Manchmal müssen eben Definitionen an die Realität angepasst werden.

Und so begab ich mich voller Erwartung in die Innenwände der temporären Ausstellungs- und Festivalräume, bei deren Außenanblick man zu Beginn den Eindruck hatte, die katholische Jugendgemeinde würde einen samstagnachmittäglichen Seniorennachmittag veranstalten. Nein, vielmehr ist dies natürlich Ausdruck des Provisorischen und Spontanen der städtischen Kunstszene. Der anfängliche Eindruck verflüchtigte sich außerdem, als ich den Jackson Pollock- haft bemalten Teppichboden betrat, auf dem mir drei Fernsehbildschirme versuchten mitzuteilen, warum das Einwickeln von Personen in Sicherheitsband in front of irgendwelchen Regionalzügen am Frankfurter Hauptbahnhof eine Installation “wert” ist. Zu Beginn des Festivals wurden die so genannten One Minutes gezeigt. Dabei konnte man sich über mangelnde Quantität sowie Internationalität nicht beschweren. Unter den insgesamt 51 Videos befanden sich Einsendungen aus Israel, USA, Serbien, Kanada, Brasilien und nicht zuletzt Gießen. Psychedelische Farben und Formen, kurze Szenen mit schnellen oder langsamen Schnitten, traumartige Halluzinationen, bei denen diffus zu erkennende Häuser in postapokalyptischen Winterlandschaften plötzlich verschwinden oder ironische Seitenhiebe auf eine romantisierende Kriegsfilmästhetik, wechselten sich dabei gegenseitig ab und hinterließen mich teilweise positiv beeindruckt.

GIGUK 2010 – Ein Bericht
Foto: Phire

Dass dabei die Qualität aber erheblich variierte und viele Arbeiten unter anderen untergingen, lag aber vielleicht auch an der sehr schnellen und pausenlosen Ausstrahlungsfrequenz, die den Zuschauer aufgrund drohender Reizüberflutung manchmal überfordern konnte und keine Zeit ließen, auch nur eine Millisekunde das Gesehene zu reflektieren. Wobei wir bei der Videokunst und ihre Rezeption selbst angelangt wären. Wolf D. Schreiber,  Organisator des Festivals sowie Musiker, Künstler und Grafiker, sieht gerade darin, dass der “Zuschauer nicht mehr behutsam an etwas herangeführt werden kann und in 60 Sekunden angesprochen und berührt werden muss”,  die potentielle Stärke des noch jungen Subgenres der Videokunst, wie er in einem kurzen Emailinterview mitteilt. Und trotzdem erwischte man sich nach dem letzen Film dabei, ob der aussichtsreichen Pause erleichtert aufzuatmen. Diese Art des leichten Overkills hängt sicherlich auch mit den Rezeptionsgewohnheiten zusammen, die das Spiel mit der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit und das Aufbrechen der Zeitstruktur und den dadurch entstehenden Zwang zur selektiven Wahrnehmung einzelner Elemente abseits eines Godard-Films nicht kennen. “Vielleicht funktionieren manche Filme aber auch gar nicht unmittelbar, sondern unbewusst, und sind darauf ausgerichtet, erst in der Erinnerung etwas Zusammenhängendes zu produzieren”, entgegne ich während einer kurzen  Pausendiskussion, einem zweifelnden Besucher.

Die Jury jedenfalls, setzte einige Kriterien fest, anhand derer sie über die Qualität entscheiden sollte. Darunter befanden sich Punkte wie der narrativen Prozess oder die gesellschaftliche oder politische Aussage. Letzteres wurde für mich am Besten in einem der anschließenden Seven Minutes erreicht, in welchem während einer fiktiven Nachrichtensendung über das neue gesellschaftliche Problem der “Langzeitglücklosigkeit” berichtet wurde. Ansonsten scheint mir aber gerade die Lesbarkeit des noch fremden Kunstwerkes noch nicht ausgeprägt genug, um ästhetische Kriterien zu formulieren. Oder man findet es einfach Scheiße, wie ein Besucher mir mit intellektueller Ernsthaftigkeit zuraunte. Aber gerade der medien- und institutionskritische Ansatz der Videokunst könnte sich für unsere Gegenwart als durchaus hilfreich zur Reflektion gegenwärtiger Verhältnisse erweisen, handelt es sich doch um eine Technik, deren “ursprüngliche Verwendung der Videotechnik zur Überwachung und Informationsvergabe” diente und in den Kunstvideos in einen neuen Kontext gestellt werden.

Eindeutiger fällt die Kritik an den stetig steigenden Überwachungsmechanismen bei der “Komposit & Kompositmaske zum Ausschneiden” des Frankfurter Künstlers Raul Gschrey aus. Hierbei handelt es sich um eine Maske, die als subversive Reaktion auf die sich immer weiter verbreitenden biometrischen Erkennungssysteme gelesen werden kann. Mithilfe von Gesichtsüberblendungen mehrerer Einwohner Gießens wird hier die automatische Gesichtserkennung der CCTVs dieser Welt unmöglich gemacht. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Art der visuellen Gleichschaltung nicht die einzige Antwort dieser Entwicklung ist…

Weitere Informationen über Videokunst hier und da

Text: Phire


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