Streetart im Hinterhof Europas

Streetart – laut Wikipedia eine zeitgenössische Form der Kunst im öffentlichen Raum – ist aus deutschen Großstädten nicht mehr wegzudenken. Vom Mülleimer an der Bushaltestelle, bis zur Seitenwand einer jeden S-Bahn ist kaum ein Stück Oberfläche in diesem „öffentlichen Raum“ zu finden, auf dem sich nicht schon ein x-beliebiger Künstler verewigt hätte. Dabei hat man selten den Eindruck etwas Neues zu sehen. Alles ist irgendwie die KopieeinerKopieeinerKopie.

Das sieht in anderen Teilen des verweinten Europas schon ganz anders aus. Wo finden wir sie also, die Banksys der nächsten Generation, hm?! In London? Falsch! In Paris? Ganz kalt! In Berlin??? Nein!

Wie es sich gehört, haben die Straßenkünstler dieser Tage den nächst besten Hinterhof ausgesucht. Dort, wo man sonst Einschusslöcher in und nationalistische Parolen auf den Häuserwänden vermuten sollte, sieht man aktuell das frischeste, was Europa so in Sachen Streetart zu bieten hat, im Hinterhof – auf dem Balkan.

Streetart im Hinterhof Europas

Einige Klischees scheinen zu stimmen. Südfrüchte sind im Osten nach wie vor rar.

Die kroatische Hauptstadt und das „Einfallstor“ zum Balkan liegt an diesem Nachmittag verpennt unter einer dichten Decke aus grauen Wolken. Also auf zur Fotosafari! Wilde Tiere aller Gattungen scheint es buchstäblich an jeder Straßenecke zu geben. Entlang der Bahnhofmauer, auf der Kneze Branimira, einer Hauptverkehrsader, stoße ich schließlich auf ausgedehnte Jagdgründe.

Streetart im Hinterhof Europas

Mit dem „Wild-Style“ der 90er Jahre hält sich hier niemand auf.

Während in Deutschland die Zufahrten von großen Bahnhöfen nach wie vor von Lehrstücken aus dem Graffiti-Art dominiert werden, schmückt sich der Bahnhof von Zagreb mit einem wilden Medien-Mix. Von der in Spektralfarben bemalten Mauer heben sich drei Leinwände, aus Tuch und Sperrholz  zusammengeschustert, nur unmerklich ab, gerade genug um den Betrachter zu verunsichern.

Streetart im Hinterhof Europas

„Da bläßt er!“.

Die Tierwelt findet ihre künstlerische Verewigung. Doch während  im Moby Dick dem Helden des Romans der einbeinige Kapitän Ahab im Nacken sitzt, ist es in diesem Fall eine kroatische Straßenbahn, die mich zu überrollen droht. Was tut man nicht alles für eine günstige Perspektive…

Streetart im Hinterhof Europas

Salvatore, Salvatore, warum nur bist du nicht in Spanien geblieben?!

Ganz frei von den Einflüssen aus Westeuropa, dem „gelobten Land“, kann sich auch die örtliche Szene nicht machen. Woher bloß stammt dieser oft anzutreffende Wunsch, sich in ein scheinbar größeres und mächtigeres Gefüge einzuordnen, einer Tradition oder Stilrichtung zu huldigen, wenn man im eigenen Saft doch am besten schmoren kann?!

Streetart im Hinterhof Europas

Skate or die – so lautet die Devise.

Sonst gibt es auch nicht viel zu tun. Bei atemberaubender Arbeitslosigkeit und durch aufkeimenden Massentourismus verdorbene Bierpreisen tut der Nachwuchs am Ort eben das, was die Kids von Hamburg bis München Mitte der 90er auch taten – sie erobern sich die Straße zurück, ob mit dem Skateboard unter ihren Füßen, oder der Sprühdose in der Hand. Dabei sind die Stilblüten jedoch ganz und gar nicht angelsächsisch, sonder viel mehr durch die langen orientalischen Traditionen beeinflusst, die Kroatien und den gesamten Balkan bis heute prägen. Aber: „Psssssst!“ Das darf man dort niemandem verraten.

Streetart im Hinterhof Europas

Die zweite Dimension?

Von farbkastenbunt über schwarzweiß, von daliesk hin zu Michelangelo; Alles scheint möglich.

Streetart im Hinterhof Europas

Oldschool

Auch im Nachbarland Serbien lässt man sich was einfallen. Zwar deutlich mehr von der „alten Schule“ geprägt, hat dieses Graffiti doch seine ganz eigenen Spuren in der Umwelt hinterlassen.

Streetart im Hinterhof Europas

„Was guckst du Affe!“

Und was sonst sollte unser behaarter Vorfreund auch sonst fragen? Ist er es doch, der hier die Puppen tanzen lässt und ausländischen Touristen, die mit großen Kameras Jagd auf ihn und seine Artgenossen machen, nicht unbedingt freundlich gesonnen ist. Die örtliche Polizei übrigens auch nicht. Auf den Straßenbahnschienen zu stehen, um diegroßen Meister der balkanischen Streetart in diesem Freilichtmuseum zu bestaunen und zu dokumentieren, bringt einem hier den handfesten Ruf eines Irren ein.

Der Name unseres neuen Gastautoren ist Programm. Seit Jahren ernährt er sich jeden Sommer von den Eindrücken  seiner langen Reisen durch die Länder des Balkans, fotografiert dabei unentwegt, knüpft Kontakte und sucht immer wieder das Gespräch mit bedeutenden Künstlern aus den jeweiligen Ländern.

Text und Fotos: balkanjoe

Salvatore, Salvatore, warum nur bist du nicht in Spanien geblieben?! Ganz frei von den Einflüssen aus Westeuropa, dem „gelobten Land“, kann sich auch die örtliche Szene nicht machen. Woher bloß stammt dieser oft anzutreffende Wunsch, sich in ein scheinbar größeres und mächtigeres Gefüge einzuordnen, einer Tradition oder Stilrichtung zu huldigen, wenn man im eigenen Saft doch am besten schmoren kann?!


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