Geht's auch ne Nummer kleiner?

Von Stefan Sasse
Geht's auch ne Nummer kleiner?Auf den NachDenkSeiten schreibt heute Hermann Zoller zur neu angelaufenen Werbekampagne Pro-S21 für die anstehende Volksabstimmung in Baden-Württemberg. Er kritisiert die Kampagne und ihre drei Plakatmotive heftig, wirft den Initiatoren vor, an "unpolitische, ja undemokratische Gefühlslagen" zu appellieren und die Menschen in einer von "Sturheit und Ignoranz" geprägten Kampagne "zu entmündigen". Warum? Weil auf den Plakaten nicht deutlich zu erkennen sei, dass sie nicht von einer neutralen Instanz, sondern von einer Interessenvereinigung verbreitet würden, weil die Zahl der 1,5 Milliarden für den Ausstieg ja gar nicht sicher sei und weil "Weiter ärgern oder fertig bauen" ein dumpfer Spruch ohne viel Inhalt sei. Man fragt sich, welche Maßstäbe Zoller hier anlegt. Handelt es sich um politische Werbung oder um eine Informationskampagne? Bei letzterem wären Zollers Einwände vielleicht ein wenig berechtigt. Da es aber um Wahlkampf geht, läuft die ganze Kritik auf hoher Drehzahl und schrill und ins Leere. Geht's vielleicht auch eine Nummer kleiner? 
Das beginnt bereits bei dem Vorwurf der Objektivität. Natürlich handelt es sich nicht um eine neutrale Instanz, die einfach nur informiert. Sieht man auf der Homepage nach erkennt man, dass er sich hauptsächlich aus Landespolitikern der Fraktionen der CDU, FDP und SPD zusammensetzt. Für mich scheint es so, als sei dieser Verein eine Möglichkeit für CDU und SPD, ihr gemeinsames Anliegen zusammen ohne Nennung der Partei zu vertreten - dies hatte erst vor kurzem zu Krach geführt. Natürlich schreiben die Jungs nicht auf die Plakate, wer da genau mitmacht, schließlich will man als eine Art überparteiliche Gruppierung erscheinen. Es ist auch kaum die Aufgabe der Werbetreibenden, darüber zu informieren, sondern der Medien. Werbung ist Werbung, und die ist erlaubt. Und man muss es den Pro-21-Jungs lassen, sie machen es geschickt. Die drei Plakatmotive sind genau richtig gewählt. 
Geht's auch ne Nummer kleiner?Auf dem ersten Plakat wird der merkwürdige Umstand deutlich gemacht, dass man mit Ja für Nein stimmt und umgekehrt. Das ist für alle Parteien extrem wichtig, so wie auch bei Bundestagswahlen regelmäßig auf die Bedeutung der Zweistimme aufmerksam gemacht wird, ohne dass sich jemand daran stört, dass diese "Information" auf einem Grüne-Plakat steht. Das zweite Plakat mit dem "weiter ärgern" spricht alle an, die irgendwie gegen die Proteste eingestellt sind - auch das ist clever, denn das ist eine Mehrheit im Land. Die Wortwahl mit dem "Ärgern" senkt die Proteste auf das bloße "meckern" ab, das im Schwäbischen ohnehin negativ konnotiert ist und vermeidet jede Erinnerung an die Eskalation im September 2010. Den Machern der Kampagne vorzuwerfen, dass sie ihren Job gut machen ist einfach albern. Das dritte Plakat dagegen ist das Einzige, das so etwas wie ein Argument in den Ring wirft. Es nutzt das einfachste und wirkmächtigste. Anstatt zu versuchen, irgendwelche Vorteile des Tiefbahnhofs oder der Ulmer Strecke hervorzukehren, die auf Plakaten zu vermitteln fast unmöglich ist, bedient man das weitverbreitete Ressentiment gegen den teuren Baustopp. Dieses Argument leuchtet jedem ein, ist von der Gegenseite kaum zu widerlegen und ungemein mächtig. Es zu verwenden ist nur folgerichtig. 
Wo also soll hier eine Gefahr für die Demokratie sein? Die S21-Gegner sollten lieber schnell ihren Arsch hochbekommen und eine eigene Kampagne starten. Aus dem Bauch heraus halte ich eine witzige, ansprechende Kampagne für das Mittel der Wahl. Die Pro-21-Leute haben bewusst die konservativen Grundstimmungen angesprochen. Es ist seitens der Gegner notwendig, die Gründe für ein Nein herauszustellen. Ihre Aufgabe ist schwieriger und die Grünen haben den Kampf ohnehin schon verloren gegeben. Daher können sie es sich leisten, kreativer zu sein. Es ist notwendig, die vorhandenen Ressentiments zu erschüttern und die Gegner aggressiver anzugehen, als die Pro-21-Kampagne das mit ihrer absichtlichen Harmlosigkeit ("ärgern") tut. Die Gegenkampagne müsste ungefähr im Rahmen von "lieber 1,5 Milliarden verschwenden als 8 Milliarden vergraben" verlaufen. 
Geht's auch ne Nummer kleiner?Eine Gefährdung für die Demokratie oder eine "Entmündigung" der Bürger findet aber nicht statt. Jedem Bürger steht es frei, sich eine eigene Meinung zu bilden (was die meisten wohl eh schon getan haben), und man kann die Befürworter kaum dazu verpflichten, die Argumente der Gegenseite auf ihre Plakate zu packen. Oder hat die LINKE in ihrem letzten Wahlkampf plakatiert, dass sie in Berlin kommunales Wohneigentum privatisiert hat? Haben die Grünen öffentlich verkündigt, dass Rezzo Schlauch und Joschka Fischer heute für die Energie-Mafia arbeiten? Plakatiert die CDU, dass die Kriminalitätsrate in Wirklichkeit sinkt? Hat die SPD, als sie sich 1972 als "Friedenspartei" gerierte auf den Plakaten erklärt, dass das die CDU natürlich nicht zur Kriegspartei macht? Diese Forderungen sind einfach nur albern, ihr Ton ist hysterisch und völlig unangebracht. Eine Nummer kleiner würde der Gegenöffentlichkeit wirklich gut tun. Dieses ständige Beharren darauf, "Demokratie" und "Meinungsfreiheit" und "kritisch" gepachtet zu haben und dem Gegner beständig die größtmögliche Keule um die Ohren zu schlagen wird sich in nicht allzuferner Zukunft bitter rächen. Wenn bereits bei völlig normalen Wahlkampagnen die Demokratiekeule geschwungen und die Manipulation des Bürgers beklagt wird - was will man dann denen vorwerfen, die wirklich schlimme Dinge tun? Mir jedenfalls geht dieser ständige Vollgasmodus nur noch auf die Nerven. Schaltet einen Gang runter!

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