Bayrischer Rechtstaat

Von Stefan Sasse
Nachdem herausgekommen ist, dass der Staatstrojaner aus Bayern kam - kaum überraschend, war es doch das erste Bundesland, das ihn zugelassen hat - und das Innenministerium das auch bestätigen musste, ist nun die zweite Stufe des Abwehrkampfs gezündet. Nach dem Dementi ("Niemals eingesetzt") kommt nun die Relativierung ("Rechtmäßig eingesetzt"). Die dritte Stufe ("Kaum eingesetzt") wird kaum lange auf sich warten lassen. Das bayrische Innenministerium jedenfalls hat nun selbst Stellung zu der Problematik bezogen. Diese Stellungnahme "interessant" zu nennen, spottet jeder Beschreibung. 
Gleich zu Beginn wirft Innenminister Herrmann dem CCC vor, Missverständnisse zu verbreiten und falsche Behauptungen in die Welt zu setzen. Wohlweislich kommentiert er nicht weiter, um was es sich dabei genau handeln soll, was die SZ selbst ätzend kommentiert. Es gebe, so Herrmann, keinerlei Belege dafür, dass der Staatstrojaner illegal eingesetzt worden sei. Aha. Die 60.000 Screenshots? Klar illegal auf Grundlage zweier (!) voneinander unabhängiger Gerichtsurteile, die jeweils vor dem Einsatz vorlagen? Für Herrmann kein Problem. Er unterstellt stattdessen dem CCC sinistre Motive und fordert, dass er sein "Wissen" voll einbringen solle, da nur das "ein Dienst am Gemeinwesen" sei. Aha. Und die Screenshots, Herr Herrmann? Kein Problem, sagt Herr Herrmann. Und genau da liegt der Hammer dieser Stellungnahme. Klar, die wurden gemacht, "aber darüber ist in den letzten Monaten im Landtag wiederholt berichtet worden. Das ist nichts Neues und kein Geheimnis." Bitte was? 
Es gibt hier nur zwei Möglichkeiten: entweder legt Herrmann "im Parlament berichtet" großzügig aus und meint damit irgendeinen obskuren Ausschuss, in dem eh "Top Secret" auf alle Unterlagen gestempelt ist. Oder er lügt. Ich gehe davon aus, dass es Ersteres ist, denn eine umfassende Informierung aller Abgeordneten halte ich, gelinde gesagt, für schwer vorstellbar. Viel schlimmer aber ist etwas anderes: selbst wenn alle Abgeordneten informiert worden wären, so wäre die Maßnahme immer noch völlig ungesetzlich! Was ist denn das für ein Rechtsstaatsverständnis? "Ich habe das Parlament über meinen Raubmord informiert, also ist er keine Problem"? Aber die Antwort bekommen wir auch gleich. Es ist ein spezifisch bayrisches Rechtsstaatsverständnis, wie es scheint: "Für uns gilt ganz klar das Rechtsstaatsprinzip. Wir wollen Verbrechern auf die Spur kommen. Aber die bayerische Polizei und die Justiz tun nur das, wozu sie durch entsprechende Gesetze ausdrücklich ermächtigt sind. Verstöße kann ich keine erkennen." Herrmann hat sogar noch die Chuzpe, direkt auf das BVerfG-Urteil zu rekurrieren und zu behaupten, dass dieses Urteil die Maßnahmen "bei schweren Verbrechen" für zulässig erkläre.
Das aber ist schlicht falsch. Es ist die typische Law-and-Order-Innenpolitiker-Argumentationslinie: es ist Gefahr im Verzug, schwere Verbrechen werden begangen (vielleicht MP3 downgeloadet, was weiß ich) und deswegen ist jedes Mittel Recht. Es ist dieselbe Argumentationslinie, mit der man auch versucht hat die Androhung der Folter nachträglich zu legitimieren und die bei der Terrorabwehr routinemäßig ebenso zum Einsatz kommt wie beim Schwarzen Block oder dem, was man dafür hält. Was diese Leute einfach nicht verstehen ist, dass Grundrechte immer gelten. Egal wie schwer das Verbrechen ist. Das BVerfG hat klar gesagt, dass die Funktionen, die der Trojaner besitzt, niemals, nie und unter keinen Umständen rechtmäßig sind. Die Schwere des Verbrechens hat da überhaupt nichts zu tun. Was die Bayern hier gemacht haben folgt also gerade nicht dem Rechtsstaatprinzip. Ein Rechtsstaat lebt nämlich davon, dass Rechtssicherheit für die Bürger besteht. Wo aber der Staat sich bemüßigt fühlt, Gesetze zu brechen, sofern nur das Parlament vorher informiert wurde, da besteht kein Rechtsstaat.

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