Die Wahrnehmung der eigenen Gefühle ist in der Achtsamkeit von zentraler Bedeutung. Keiner von uns kann sich wohl ein Leben ohne unsere eigenen Gefühle vorstellen, auch wenn wir nicht alle Gefühle willkommen heißen und diese meist auch noch mit “schlechten” Gefühlen betiteln. Zum Überleben sind unsere Gefühle so wichtig wie – und ich habe noch kein besseres Beispiel gefunden – das Cockpit für einen Piloten der sein Flugzeug sicher an das Ziel steuert.
Was meine ich damit: Bleiben wir für einen Moment im Cockpit des Piloten, oder noch einfacher Ihres Autos. Solang alle Leuchten aus sind, fahren wir und sehen diesen Zustand i.d.R. als selbstverständlich an. Die regelmäßige Wartung sorgt dafür, dass das auch meist so bleibt. Wenn dann doch eine Signalleuchte ein Problem signalisiert, reagieren wir sofort und steuern die nächste Werkstatt an, oder lesen zumindest die Gebrauchsanleitung, um festzustellen, was gerade das Problem sein könnte und wie wir damit umgehen müssen. Jeden Kilometer, den wir mit der Gefahrenmeldung noch auf der Straße fahren verunsichert uns und wir wollen das Problem so schnell wie möglich gelöst wissen.
Sie können unsere Gefühle auch als Signalgeber verstehen, die uns wissen lassen, ob alles rund läuft oder nicht. Bei sogenannten “guten” Gefühlen fällt uns das leicht. Sie werden von uns oft schweigend hingenommen. Regelmäßige Wartung für unsere Gefühle – was ist das? Und wehe es leuchtet eine Warnlampe, wir fühlen also uns nicht gut, d.h. ein sogenanntes “schlechtes Gefühl” taucht auf. Dann reagieren wir schnell, wollen uns dessen entledigen, suchen einen Schuldigen in der Außenwelt, oder in uns selbst, in dem wir uns selbst beschimpfen. Und wie Sie sicherlich ahnen, weder das Suchen nach einem Schuldigen noch das einfache Wegwischen des Gefühls hilft uns, im Gegenteil, es verstärkt im schlechtesten Fall die Intensität dieses Gefühls.
Ich möchte Sie zu einer anderen Sichtweise einladen, einer Sichtweise, die nicht von guten oder schlechten Gefühlen spricht, sondern von anerkennenswerten Reaktionen unseres Körpers, der uns mit den Gefühlen aufzeigt, ob etwas für uns in Ordnung ist oder eben nicht. Jedes Gefühl hat seine Bedeutung und diese Bedeutung geben wir ihm selbst. Denn ursprünglich ist es ein Gefühl mit einer gewissen Körperreaktion aus Sicht der Achtsamkeit “nur” eine Wahrnehmung. Erst durch unsere Bilder und Gedanken – die wiederum sehr stark von unserer Erziehung und Erfahrung in der Vergangenheit geprägt sind – geben wir dieser Körperreaktion eine Bedeutung: wünschenswert – nicht wünschenswert … gut – schlecht. In der Achtsamkeit lernen wir, das Gefühl und die Körperreaktion zu spüren, ohne sie gleich mit einer Bedeutung zu versehen.
Darüber hinaus möchte ich sie dazu einladen, insbesondere wenn sie Gefühle verspüren, die sie als negativ empfinden, zu prüfen, welche Bedürfnisse sich dahinter verbergen, die nicht erfüllt sind. Das kann zu Beginn sehr schwer sein und kann möglicherweise erst im Nachgang betrachtet werden, wenn das Gefühl etwas nachgelassen hat.
Möglicherweise helfen Ihnen folgende Schritte: Begrüßen Sie das Gefühl und seien sie dankbar, dass es sich gemeldet und sie auf den Missstand aufmerksam gemacht hat. Fragen Sie das Gefühl (ja, sie lesen richtig), was es denn gebraucht hätte? Und bitte nicht, was der andere hätte tun sollen, sondern was das Gefühl benötigt.
Meistens sind wir mit unseren Gefühlen so verbunden, dass wir auch mit unserem ganzen Körper das Gefühl ausleben. Wenn wir aber mit dem Gefühl reden, als ob es ein Teil von uns ist, geben wir uns gleichzeitig die Chance zur folgenden Betrachtungsweise: Ein Teil von mir ist wütend, sauer, ärgerlich, … ich selbst kann aber noch mit all meinen Fähigkeiten darauf reagieren und die richtigen Entscheidungen treffen.
In diesem Moment sind wir nicht mehr so sehr mit unserem Gefühl verbunden und der Handlungsspielraum kann sich somit erweitern.
Versuchen Sie es selbst, wenn das nächste Mal ein sogenanntes “unerwünschtes” Gefühl in Ihnen entsteht. Betrachten Sie es als einen Teil von sich, nehmen Sie es einfach nur war und betrachten Sie z.B. Ihre Körperreaktion: Was macht das Gefühl mit Ihnen? Gehen sie in einen empathischen, wohlwollenden Dialog mit dem Gefühl und betrachten Sie was sich verändert. Sie werden sehen, dass allein schon der Dialog hilfreich sein kann. Was benötigt das Gefühl? Was kann Ihnen helfen?
Viel Erfolg wünsche Ich Ihnen und weiterhin ein achtsame Zeit.