Achtsamkeit praktizieren in einer Gemeinschaft

Achtsamkeit erleben: Ein Bericht über das Retreat im Intersein Zentrum an den Ostertagen. Achtsamkeit praktisch erleben und üben. In einer Gemeinschaft und in einer einladenden Atmosphäre.

Heute wünschen sich viele Menschen eine Auszeit, eine Möglichkeit zu sich zu kommen, sich zu erden, Ruhe zu finden und möglicherweise auch Zeit wichtige Entscheidungen zu treffen, oder Klarheit für die Entscheidungen zu erhalten. Damit sich selbst aus dem Alltag zu nehmen und einen Schritt langsamer zu gehen … zu entschleunigen.

Über diese Themen lässt sich viel schreiben und noch mehr philosophieren. Erst die Praxis erlaubt ein nachhaltiges Erleben. Eine Möglichkeit hierfür ist die Teilnahme an einem Retreat. Unzählige Angebote gibt es in Deutschland und im nahen oder fernen Ausland. Um selbst einmal wieder intensiv zu praktizieren, habe ich mich dazu entschieden über Ostern ins Intersein Zentrum zu fahren und an einem Achtsamkeit-Retreat teilzunehmen. Nun war schon fast wieder ein Jahr seit dem letzten längeren Retreat vergangen und so habe ich mich sehr darauf gefreut, in der einladenden Atmosphäre des Zentrums die 5 Tage zu verbringen.

Kaum angekommen, wurden wir freundlich empfangen. Unser Zimmer war dieses Jahr das der Heckenrose, schlicht und einfach ausgestattet, mit dem was nötig ist für diese Zeit. Nach wenigen Minuten brummt mein Handy in der Tasche und ich werde daran erinnert, dass ich diese Tage auch von der modernen Kommunikation loslassen möchte und schalte das Handy kurzerhand aus. Ein Gongschlag klingt durchs Haus und lässt alle Bewohner wissen, dass das Abendessen fertig ist. Gleichzeitig hat der Klang der Schale auch die Bedeutung kurz inne zu halten. Und im ganzen Haus stoppt jedes Tun, jede Unterhaltung (von denen es insgesamt nur wenige gibt). So lange der Klang durch die Lautsprecher klingt, schauen wir kurz in uns, betrachten den Atem, betrachten unsere Gefühle und fragen uns: “Wo sind gerade meine Gedanken?”. Dieses Innehalten wird immer dann praktiziert, wenn eine Glocke ertönt, das Haustelefon klingelt oder die Uhr im Speisesaal zu jeder vollen Stunde vor sich hin zwitschert. Und schnell merke ich, wie ungern ich mein Tun unterbreche , ach ja – innehalten – ABER, ich wollte doch gerade … schon die erste Übung, die ich noch viel Zeit habe werde, in den nächsten fünf Tagen zu praktizieren.

Das Abendessen steht schon auf einem Tisch. Bevor wir uns bedienen, lesen wir auf einer Tafel den Text, der uns dazu einlädt der Nahrung und allem was dazu beigetragen hat, dass das Essen hier auf dem Tisch steht, dankbar zu sein. Alle bedienen sich und setzten sich der Reihe nach an den Tisch und warten. Das ist die nächste Übung für mich. Das warme Essen steht vor mir, wärmer wird es nicht mehr und ich habe Hunger. Tapfer sitze ich vor dem Essen und warte bis alle sich bedient haben. Die Zeit dehnt sich und 5-10 Minuten scheinen eine kleine Ewigkeit zu werden. Die Erlösung kommt durch den Gong, der dazu einlädt kurz inne zu halten und achtsam mit dem Essen zu beginnen. Für die meisten, die neu sind, ist es sehr fremd in Stille zu essen, sich auf das Essen und sein Empfinden zu konzentrieren. Jeden Löffel so zu empfinden, als wenn es der erste Löffel wäre, ist auf alle Fälle für mich eine Herausforderung – auch wenn ich das nicht zum ersten Mal praktiziere. Und auch dann gilt es, seine Gedanken und Gefühle wieder zu erleben – ohne sie zu kommentieren.

Den Abend beenden wir mit einer Vorstellungsrunde im Send0 und einer kurzen geführten Meditation. Nach der Abendmeditation beginnt das edle Schweigen und die meisten ziehen sich langsam auf ihre Zimmer zurück.

Am nächsten Morgen werden wir um 5:30 Uhr vom Gongschlag aufgeweckt. Pünktlich um 6:00 Uhr treffen sich alle Teilnehmer im Sendo für die Morgenmeditation. Wir schweigen noch immer und so fällt es nicht allzu sehr auf, dass ich eigentlich noch müde bin und nur langsam in die Gänge komme. Wir starten mit einer 35 minütigen stillen Meditation, gefolgt von einer Gehmeditation. Ich empfinde es immer wieder als ein besonderes Erlebnis, in der Atmosphäre der Gruppe zu meditieren. Die Energie im Raum ist wahrnehmbar, jedoch gibt es auch viele Möglichkeiten der Ablenkung – hier muss jemand husten, sich räuspern, kurz bewegen oder auch mal gähnen. Was von vielen auch als störend empfunden wird, ist allerdings auch eine Möglichkeit sich zu erinnern, daran wo ich gerade selbst bin … hat mich mein Geist gerade einmal wieder weit weg getragen, bin ich in der Vergangenheit, träume ich von der Zukunft, bewerte ich gerade etwas oder versuche es zu interpretieren. Eine willkommene Erinnerung, mich selbst wieder in der Gegenwart zu treffen und als Basis den Atem zu beobachten – einfach so … das Einatmen … das Ausatmen.

Nach der Meditation treffen wir uns entweder zum Yoga, Tai Chi oder zu einer Tai Chi Variante mit Stöcken im Freien. Ich folge dem Reiz des Neuen und begebe mich bei ca. 4 Grad Celsius gut eingepackt zu den Übungen mit Stöcken. Noch kurz eine kleine Pause und schon geht es dann um 8:00 Uhr zum Frühstück. Noch immer befinden wir uns im edlen Schweigen und entsprechend ruhig wird das gemeinsame Frühstück eingenommen. Das Essen wird immer damit abgeschlossen, dass wir unser eigenes Geschirr spülen. Und auch dieser Raum ist ein Raum der Praxis – wie eigentlich das ganze Zentrum. Dennoch wird gerade hier darauf hingewiesen, denn in Achtsamkeit – so der Ansatz – können auch die Dinge getan werden, die sonst nicht zu den beliebten Tätigkeiten gehören. Wir werden dazu eingeladen, das Abwaschen sogar mit einem Lächeln zu begleiten – nicht einem aufgesetztem Lächeln, aber aus einer inneren Ruhe und Gelassenheit kommenden Freude.

Und ich bemerke bald wie wichtig es ist, sich an dieses Lächeln zu erinnern. Das Schweigen, die Einkehr, die Selbstbeobachtung und das neue Umfeld können sehr schnell dazu beitragen, sehr ernst durch das Haus zu laufen. Und da es nicht nur mir so geht, tut es mir gut nicht davon auszugehen, dass jeder mürrisch ist, schlechte Laune hat oder nicht am Kontakt interessiert ist, wenn er auch mit gesenktem Kopf durch das Haus geht, oder allein auf der Wiese umher spaziert.

Zum Morgenkreis treffen wir uns um 9:15 Uhr. Mit der ersten Begrüßung, einem Lied und der Verteilung der anstehenden Aufgaben für das achtsame Tun endet offiziell das edle Schweigen. Dennoch werden wir auch hier eingeladen, insbesondere das achtsame Tun schweigend und mit besonderer Achtsamkeit zu begleiten und nicht zum Kaffee-Klatsch zu entwickeln. Ich bin sicher, dass dieser Hinweis auch sehr hilfreich ist, denn was wir alle suchen, sind Möglichkeiten im Alltag, d.h. auch außerhalb der Gemeinschaft, Achtsamkeit in das Alltagsleben zu integrieren. Und wo könnten wir das besser üben, als in der Arbeit. Und das Schweigen hilft mir, mich auf das Wesentlich zu konzentrieren.

Um 11:00 Uhr versammelt sich die Gemeinschaft zum sogenannten Dharma Talk, der von Karl gehalten wird. Einer Rede von über zwei Stunden gefüllt mit eigenen Erfahrungen, buddhistischen Weisheiten. Passend zur Osterzeit auch, seine Ansichten darüber, wie die christlichen Überlieferungen verstanden werden und was wir daraus lernen können? Wir hören an diesem und den nächsten Tage viel von loslassen können, Platz schaffen für Neues, dem Vertrauen in sich und seinen Fähigkeiten, der Wandlung und dem Neubeginn. Ich war überrascht, mit welcher inneren Freiheit er an diese Überlieferungen getreten ist und wie er sie für uns übersetzt hat. In eine ganz eigene, persönliche Wirkungsgeschichte, die Mut macht sich selbst zu finden und sein Leben in die Hand zu nehmen. Jeder von uns kann Raum schaffen, sich von Altem entledigen und damit Neues zulassen. Diese zwei Stunden, die wir täglich erfahren durften, waren sicherlich ein wichtiger Teil an diesen Tagen. Mich haben sie täglich immer wieder zum Nachdenken angeregt und ich nehme gerne die Einladung an, mehr davon in meinen Alltag zu überführen.

Danach ging es zum Mittagessen, gefolgt von einer Pause, bis wir uns um 15:00 Uhr zu einer Gehmeditation im Freien trafen. Für eine Stunde gingen wir schweigend und mit der Konzentration auf dem Gehen, dem Aufkommen unserer Füße, dem Abrollen und wieder lösen, bis der Fuß wieder den Boden berührt. Wir Atmen im Rhythmus der Schritte und holen unsere Gedanken, wie bei der Sitzmeditation immer wieder freundlich in die Gegenwart zurück, wenn sie mal wieder das Weite suchen. Einige Male halten wir an, betrachten die Natur, nehmen alles auf was ist, schenken allen unseren Sinnen die notwendige Aufmerksamkeit und nehmen das war, was in uns ist.

Der tägliche Kreis schließt sich mit dem Abendessen um 18:30 Uhr. Langsam werden die ersten Aspekte zur Gewohnheit, die Abläufe sind bekannt und – nach fast zwei Tagen – Schritt für Schritt kann ich die Organisation des Tages hinter mir lassen und komme langsam an.

Am Freitag wurden wir dann auch vom Winter wieder eingeholt und der Schnee umhüllte alles in eine zauberhafte, weiße Landschaft. Allerdings war es nur ein kurzes Gastspiel. Am Montag, zur Abreise war die Landschaft wieder im ersten Grün des Frühlings angekommen.

Menschen, die sich nicht kennen, kommen zusammen, kommen mit ganz unterschiedlichen Erwartungshaltungen und verbringen die Osterfeiertage zusammen in einem buddhistischen Zentrum. Viele haben hier auf ihrem persönlichen Weg eine wichtige Weggabelung erreicht und manche werden sich entscheiden, den Weg der Achtsamkeit weiter für sich zu entdecken. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir alle viel über uns gelernt haben und damit auch ein Stück mehr bei uns angekommen sind.

Persönlich bin ich sehr dankbar, zum einen den Menschen gegenüber, die es mir ermöglicht haben diese Erfahrungen zu machen und mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit das Zentrum leiten und die Achtsamkeit dort täglich praktizieren. Nicht zuletzt aber auch mir selbst, dass ich mir diese Möglichkeit, dieses Erleben selbst geschenkt habe.

Zum Zentrum: Das Intersein Zentrum befindet sich inmitten im bayrischen Wald auf ca. 800 m ü. NN und bezeichnet sich selbst als “Zentrum für spirituelle Praxis und Meditation in der Übertragungslinie von Thich Nhat Hanh”. Geleitet wird das Zentrum von Karl und Helga, die seit 1994 als Dharmalehrer tätig sind und das Zentrum seit 1999 betreiben und leiten (zur Intersein Webseite).


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