Terror Danjah
Eigentlich lösen zu dick auftragende Hip Hop-Intros mit pathetischen Chören bei mir nur müdes Gähnen aus und aktivieren automatisch meinen Ausschaltreflex.
Beim neuen Album von Terror Danjah, das am 1. November erscheint, mache ich aber eine Ausnahme. Nicht nur, weil es sich hier nicht um Hip Hop handelt, sondern einerseits um Grime, quasi die um britische Basskulturdimensionen erweiterte Undergroundversion von Hip Hop und andererseits um Dubstep, der instrumentale Bruder des Genres. Hat man jedenfalls die fehlgeleitete Erwartungshaltung zu Beginn überwunden, befindet man sich spätestens beim zweiten Track in einem Sog, der seine Anziehungskraft neben den vielen Gastmusikerbeiträgen aus der wissenschaftlich detaillierten Drumprogrammierung bezieht. Selten konnte man in letzter Zeit Beats hören, die so dicht und so innovativ klingen und dabei, trotz aller verjazzten Polyrhythmik, tanzbar bleiben. Hochlichter sind zum einen der ungewohnt, polyrhythmische Track „Acid“ mit seinen ständigen Sirenenreminiszenzen oder „This Year“, auf welchem die Vokalisten D.O.K, Mz Bratt & Griminal mit ihren eigenwilligen Betonungen und rhythmischen Synkopen zeigen, wie virtuos britische Rapkunst im Jahr 2010 sein kann. Entsprechend enttäuschend sind leider einige Werke zum Schluss. Vor allem bei „Story Ending“ möchte man die sich unmittelbar einstellende Assoziation eines in Watte gepackten Popengelchen, das mithilfe eines mit hoher Streetcredibility ausgestattetem Grimeproducer in den Himmel aufsteigt, so schnell wie möglich wieder löschen. Schade, aber da es sich hier ja auch um eine Art heterogene Werkschau handelt, ist das zu verzeihen, denn: Ständige Tempiwechsel und überraschende Breaks erzählen in „Undeniable“ von einer musikalischen Zukunft, die sich gegen eine von seichtem Kontinuitätsflow geprägte Clublandschaft stellt. Denn hier müssen sich Tanzende bei jedem Track neu erfinden, um sich angemessen zur Musik bewegen zu können.
Das neue Album repräsentiert daneben auch die ständige Neuerfindung des Labelsounds von Hyperdub, dass seit der Gründung vom Propagieren einer postapokalyptischen Dread-Katharsis von Kode 9 mittlerweile mit anderen Künstlern wie DVA oder Zomby zu überdreht melodischem, aber nicht weniger interessanten Post- Dubstep mutiert, in dessen Welt trotz allem nicht wirklich alles „ok“ ist. Denn ein Rest an giftiger Säure, die sich langsam über dem Erdboden verteilt und diesen für immer kontaminiert, bleibt, wie in „Acid“, immer erhalten…
Text: Phire