Filmkritik zu ‘Meek’s Cutoff’

Filmkritik zu ‘Meek’s Cutoff’

Die Filme von Regisseurin Kelly Reichardt sind beliebte Festivalwerke. Ihr 2008er Film ‚Wendy & Lucy’ feierte bei den Filmfestspielen in Cannes seine Premiere, um danach eine Tour durch die ganze Welt zu machen, bevor er fast ein Jahr später seinen ersten offiziellen Kinostart bekam. Die Regisseurin wurde mit mehreren Auszeichnungen für ihre Arbeit geehrt – und Hauptdarstellerin Michelle Williams hat die Rolle der Wendy, einer sich auf der Suche nach ihrem Hund befindende junge Frau, weitere Engagements für Filme wie ‚Synecdoche, New York’ bis hin zu ‚Blue Valentine’ eingebracht. Für ‚Meek’s Cutoff’, einer Geschichte die im Oregon des Jahres 1845 angesiedelt ist, haben sich Regisseurin Reichardt und Darstellerin Williams erneut zusammengetan.

Gemeinsam werfen sie einen Blick auf die frühen Tage des Oregon-Trails. Ein kleiner Track von drei Familien heuert den Trapper Stephen Meek an, um sie über die Cascade Mountains zu führen. Meek gibt vor, eine Abkürzung zu kennen und führt die Gruppe auf einen unmarkierten Weg über die Hochebene, wo sie sich in der Felswüste verlaufen. Die Wasservorräte gehen langsam zu Neige und die Siedler beginnen, Meek zu misstrauen. Ein Indianer kreuzt ihren Weg und die Gruppe muss sich entscheiden, ob sie sich diesem, von ihnen als natürlicher Feind angesehenen Eingeborenen anschließen soll oder weiterhin dem Mann vertrauen, der sich bisher als zutiefst unzuverlässig erwiesen hat.

Filmkritik zu ‘Meek’s Cutoff’

Michelle Williams

Der Titel des Filmes bezieht sich auf eine Route in Oregon, auf der mindestens fünfzig Siedler ihren Tod fanden. Die Siedlungsthematik kam 1837 mit einer Kampagne auf, welche die Besiedlung des Westens Amerikas vorsah. Über den Oregon Trail verlief die erste Route, die mit rund 2000 Kilometern die ersten kleinen Trecks nach Oregon führen sollte. Die Siedlerzüge, die mit etwa 120 Planwagen unterwegs waren, benötigten dabei die Hilfe von erfahrenen Männern, die sich in der Landschaft auskannten. Stephen Meek hob sich von diesen Männern insofern ab, dass er einen alternativen Weg zum Oregon Trail anbot. Obgleich es sich hierbei um eine beschwerliche und steinige Route handelte, folgten ihm mehr als tausend Siedler. Wie es im Film geschildert wird, wusste Meek schon bald nicht mehr, wo er sich überhaupt befand. Nach Wasserknappheit, Hunger und Erschöpfung verschwand Meek spurlos. Die Route, auf der viele Siedler ihrem Schicksal überlassen wurden und starben, wurde fortan „Meek’s Cutoff“ – „Meek’s Abkürzung“ – genannt.

Die Zeit, in die der Zuschauer hier versetzt wird, ist nicht die Zeit des Wilden Westens. Hier gibt es keine schießwütigen Cowboys, die sich auf ihren Pferden Verfolgungsjagten liefern. Keine Banditen, die Banken überfallen und kleine Städte in Angst und Schrecken versetzen. In ‚Meek’s Cutoff‘ gibt es diese kleinen Städte noch gar nicht. In den Weiten des Landes herrscht noch bedrückende Stille – und so startet auch der Film. Der Zuschauer beobachtet die Siedler bei ihren Alltagshandlungen, tritt in die Beobachterperspektive und wird schon bald die Ereignislosigkeit der Szenerie erkennen. Dem Zuschauer wird hier die harte Realität präsentiert: Es geht um eine Gruppe von Menschen, die durch die Ödnis ziehen – mehr nicht.

Filmkritik zu ‘Meek’s Cutoff’

Bruce Greenwood

Und doch fesselt ‚Meek’s Cutoff‘ durch die hintergründigen Problematiken. Die Emotionen kochen hoch, wenn die Wasserknappheit zur Bedrohung wird, soziale Probleme treten in den Vordergrund und menschliche Abgründe tun sich auf. In einer Welt lange vor der Erfindung der Eisenbahn, sind die Menschen mehr als jemals danach aufeinander angewiesen. Doch durch den großspurigen Angeber Stephen Meek begeben sie sich alle auf eine gefährliche Reise, die äußerlich ereignislos erscheint, aber in ihrem Inneren zum wahren Abenteuer wird. Dabei ist es interessant, dass der Fokus nicht auf Meek selbst, sondern auf der Siedlerin Emily Tetherow liegt – man mag es der Regisseurin zuschreiben, die gute Erfahrungen mit Michelle Williams als Hauptdarstellerin eines Filmes gemacht hat. Aus der Sicht der Frauen bekommen wir die Männergespräche nur aus der Ferne zu sehen und hören, beobachten das stereotyp schwache Geschlecht beim waschen der Wäsche, beim füttern der Tiere oder beim Holz sammeln – und ganz nebenbei beim Belauschen und Abschätzen der Handlungsmöglichkeiten, die die ahnungslosen Männer besprechen.

Überhaupt liegt in der Beobachtung die Kraft, das ist das Hauptmotiv, welches ‚Meek’s Cutoff‘ verfolgt. Der Film legt seine Stärke in die simplen Bilder und Dialoge, die trotz allem eine enorme Aussagekraft entwickeln. Im Vordergrund nehmen wir immer das Quietschen der Wagen wahr, welches sogar von aufkommenden Gesprächen ablenkt. Aber diese sind sowieso zumeist eher trivial, es gibt hier nichts zu bereden, die Situation ist allen klar und deutlich vor Augen geführt. Wozu Dialoge konstruieren, wo der Film wunderbar ohne solche auskommt. Erst als Michelle Williams‘ Emily sich gegen Ende des Filmes gegen Meek aufbäumt, ihn endlich zu Recht weißt, ihm seine Unfähigkeit attestiert, bekommt der Zuschauer die Emotionen, die sich in ihr langsam aufgestaut haben, zu sehen – vorher nur zu spüren. Wo Emily Tetherow ihrer Zeit als Frau weit voraus ist, hier die Initiative ergreift und die Männerwelt zu Recht weißt, wird Stephen Meek als der Archetyp des Westernhelden dargestellt, der zu dieser Zeit allerdings noch keinen Platz in den Weiten der Prärie gefunden hat. Die Figur fällt hier aus dem Rahmen, besticht durch lange Reden und Kommentare, die immer wieder die Stille durchbrechen.

‚Meek’s Cutoff‘ bietet einen erfrischend fremden Blick auf eine Zeit, in der die amerikanische Zivilisation noch am Anfang stand. Mit Michelle Williams – demnächst als Marylin Monroe auf der Leinwand zu sehen – kann ein Filmemacher nicht so viel falsch machen. In jede Rolle legt sie all ihr schauspielerisches Können. Kaum merklich als Darstellerin auszumachen, lebt sie die Rollen die sie verkörpert. So auch in ‚Meek’s Cutoff‘, wo sie Bruce Greenwood als Stephen Meek zum Nebendarsteller degradiert. Die Regisseurin wiederum reduziert die Handlung auf ein Minimum, was sich in keiner Weise auf die Atmosphäre auswirkt und trotzdem eine fesselnd realistische Handlung mit sich bringt.

Denis Sasse

Filmkritik zu ‘Meek’s Cutoff’

‘Meek’s Cutoff‘

Originaltitel: Meek’s Cutoff
Altersfreigabe: ab 6 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2010
Länge: ca. 102 Minuten
Regie: Kelly Reichardt
Darsteller: Michelle Williams, Bruce Greenwood, Will Patton, Zoe Kazan, Paul Dano


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