Filmkritik zu ‘Ich reise allein’

Filmkritik zu ‘Ich reise allein’

Was für ein Bild haben nur die Filmemacher von dem lieben Leben als Student? Da werden Partys gemacht, Rollkragen-Pullis getragen und lange Haare sind auch keine Seltenheit – recht stereotyp also. Das trifft auch auf Jarle zu, Hauptfigur in Regisseur Stian Kristiansens norwegischer Komödie ‚Ich reise allein‘. Aber das partyreiche Leben des Studenten, der eigentlich nichts weiter im Sinn hat als über sein großes Idol, den französischen Schriftsteller und Kritiker Marcel Proust zu schreiben, wird arg erschüttert als auf einmal die siebenjährige Charlotte bei ihm vor der Tür steht – seine Tochter.

Auf einmal war es das mit dem Leben zwischen Literaturtheorien, Partys und Affären. Schuld daran ist ein One-Night-Stand, den Jarle vor exakt sieben Jahren und neun Monaten hatte. Da seine Mutter, Verkäuferin in einem Supermarkt, sich eine kleine Auszeit gönnen möchte und sowieso die vergangenen sieben Jahre für die kleine Lotte gesorgt hat, darf sich nun Jarle eine Woche lang an den Vaterfreuden ausprobieren, samt Ausrichtung des siebten Geburtstages seiner kleinen Tochter. Die ist gar nicht vom Anblick ihres Vaters überzeugt – und schon gar nicht von seiner verwüsteten Studentenbude voller Bücherstapel ohne Kindermärchen und Zigarettenresten, die erst einmal weggeräumt werden müssen, damit Lotte auch einen Platz zum Schlafen hat. Aber auch Jarle wehrt sich vehement gegen den plötzlichen Erziehungsauftrag. Sein Dasein als Geisteswissenschaftler reagiert geradezu allergisch auf das Familienidyll. Ganz anders sieht das bei seinen Freunden aus, die von Lotte begeistert sind und auf einmal anfangen über die Macht der Biologie zu philosophieren. Nach und nach wächst dann auch Jarle das kleine Mädchen ans Herz. Aber pünktlich zur Geburtstagsfeier steht dann Lottes Mutter wieder vor der Tür um das Mädchen wieder nach Hause zu holen.

Filmkritik zu ‘Ich reise allein’

Amina Eleonora Bergrem, Trine Wiggen & Rolf Kristian Larsen

‚Ich reise allein‘ spielt natürlich mit den Klischees des Studentendaseins, sonst würde auch die Thematik wahrscheinlich nicht so überzeugen, wie es in diesem norwegischem Beispiel der Fall ist. So sehen wir eingangs Jarle beim Party machen und am Morgen danach neben einer ihm unbekannten Frau aufwachen. Da muss erst einmal geschaut werden, ob man denn Geschlechtsverkehr hatte oder nicht. Ein Blick zwischen die Beine der schlafenden Frau soll Aufschluss darüber geben – dem Zuschauer wird schon hier bewusst gemacht, was dort denn folgen wird: Eine Komödie über den unverhofften Vatersegen. Jahre später ist Jarle dann in seine Schreibarbeit über Marcel Proust vertieft – dem Autor der fiktiven Autobiographie „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, in der sich die Hauptfigur zumeist vergeblich versucht an seine Kindheit und Jugend zu erinnern. Etwas, was auch Jarle bald genommen wird, wenn es als Vater heißt endlich erwachsen zu werden. Am Ende des Filmes wird auch er nicht mehr in der Lage sein zurückzublicken, die Partys scheinen vergessen, die One-Night-Stands dürften aus seinem Leben gewichen sein. Aber bis zu diesem Moment hat der Literaturstudent eine weite Reise vor sich.

Vielleicht wirkt die Nachricht, dass er Vater werden wird, auf Jarle so apokalyptisch, weil bereits der Arzt der ihm die Vaterschaft bestätigt, darauf hinweist, dass es nun vorbei ist mit Romane lesen oder ins Kino gehen, zumindest sei das bei ihm selbst der Fall gewesen als er eine Familie gegründet hat. Die Zeit, die einem zur Verfügung steht, widmet man voll und ganz den lieben Kindern. Was sich durchaus bewahrheitet, wirft man einen Blick auf Jarle, der sich mit der Ankunft von Lotte nur noch mit dieser beschäftigt, ob er will oder nicht. Auf einmal stehen Fragen im Mittelpunkt wie, welchen Zweck denn eine Universität erfüllt, ob diese etwas lagert oder repariert – oder als Jarle nach einer durchzechten Nacht von einem Freund nach Hause getragen wird, ob ihr Vater denn öfters so krank wäre? Der unschuldige Wissensdurst von Lotte trifft auf die abgeschottete und genug wissende Literatenwelt von Jarle – ein Duell was Schauspielerin Amina Eleonora Bergrem, die hier als Charlotte auftritt, klar für sich entscheiden kann. Mit aller Naivität, Schmollmund und Kulleraugen entwickelt nicht nur Hauptdarsteller und Filmvater Rolf Kristian Larsen Sympathien für sie, sondern auch der Zuschauer.

Filmkritik zu ‘Ich reise allein’

Rolf Kristian Larsen

Am Ende hat Jarle zwar seine Jugend hinter sich gelassen, seine Suche nach ihr findet aber bereits zu Beginn ein weitaus erfolgreicheres Ende als in den Schriften von Marcel Proust. Denn sein Literaturprofessor, der ihm im Verlauf des Filmes auch noch seine Freundin ausspannen wird, weiß Rat um das Auffinden dieser verlorenen Jugend. So macht sich Jarle dieses Wissen zu Nutze, um die Geburtstagsfeier für Lotte als Karneval zu arrangieren. Denn beim Karneval machen sich die Menschen zum Narren und haben Spaß dabei wie kleine Kinder. So steht hier sichtlich wieder Lotte im Mittelpunkt, umringt von allen Freunden die sie sich in Jarles Umfeld innerhalb dieser Woche gemacht hat. Jeder von ihnen, natürlich verkleidet, hat unbekümmert Spaß, denkt nicht über die Vergangenheit oder Zukunft nach und trägt damit dazu bei, dass diese Party zum unbeschwerten Filmhöhepunkt wird.

Positiv anzurechnen sei dem Film, dass er dann aber doch nicht den Schritt zum Happy End wagt, zumindest nicht denselben, wie wir ihn in einer Hollywoodproduktion erleben würden. Jarle bandelt zwar wieder mit der Mutter des Kindes an und es scheint einen Neustart der Familienverhältnisse zu geben, dennoch geht das nicht so einfach von heute auf morgen. Lotte geht erst einmal wieder mit zu ihrer Mutter und wir sehen einen im Bus sitzenden Jarle, der allein zurück nach Hause reisen muss. Somit wird der Titel ‚Ich reise allein‘ nicht nur auf Jarles Gemütszustand übertragen, sondern an dieser Stelle auch noch einmal bildlich eingefangen. Wo er anfangs diese Aussage noch gutheißen und sogar erzwingen wollte, wird die am Ende gezeigte alleinige Reise von Tränen begleitet, die den Literaturstudenten als gereiften Mann mit ungewisser Zukunft darstellen.

Denis Sasse

Filmkritik zu ‘Ich reise allein’

‘Ich reise allein‘

Originaltitel: Jeg Reiser Alene
Altersfreigabe: ohne Altersbeschränkung
Produktionsland, Jahr: N, 2011
Länge: ca. 93 Minuten
Regie: Stian Kristiansen
Darsteller: Rolf Kristian Larsen, Amina Eleonora Bergrem, Ingrid Bolsø Berdal, Trine Wiggen, Pål Sverre Valheim Hagen, Marte Opstad, Marko Iversen Kanic, Henriette Steenstrup, Gustaf Hammarsten


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