Filmkritik zu “Die Liebesfälscher”

Filmkritik zu “Die Liebesfälscher”

Mit „Die Liebesfälscher“ gelang dem iranischen Filmemacher und Drehbuchautoren Abbas Kiarostami ein sehr guter Schachzug. Seine Königin: Juliette Binoche, die bei der Premiere des Filmes bei den Festspielen in Cannes 2010 als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde, sein König: der britische Opernsänger William Shimell, der hier sein beeindruckendes Schauspieldebüt gibt.

Die beiden verschlägt es in die Toskana. Während einer Lesereise trifft der britische Autor James Miller (Shimell) auf die Kunstexpertin Elle (Binoche). Sogleich scheint der Funke zwischen ihnen überzuspringen und sie treffen sich am nächsten Tag, um zusammen aufs Land zu fahren. Millers Buch handelt von der spannenden Frage nach dem Unterschied zwischen Original und Fälschung und so beginnen er und seine Begleiterin eine anregende Diskussion über Kunst, das Leben und die Liebe. Sie schlendern durch die verträumten Gassen eines kleinen Dorfes, debattieren über ein seltenes Gemälde und eine antike Statue. Doch nach und nach nehmen ihre Gespräche eine neue, überraschende Wendung. Schon bald stellt sich auch in ihrer Begegnung die Frage nach Original und Fälschung, nach Realität und Fiktion.

Filmkritik zu “Die Liebesfälscher”

William Shimell

Am Anfang beginnt alles ganz harmlos. Wir sehen einen leeren Tisch, an dem der Autor noch fehlt. Das Buch, welches dort liegt heißt ‚Copie Conforme‘ – so wie der Film selbst im französischen Original. Der Italiener der den Schriftsteller ankündigen darf, nennt das Buch bereits „the best foreign essay of the year“, sicherlich eine fast ebenso gute Beschreibung für die vorausliegenden Minuten, die der Zuschauer mit Juliette Binoche und William Shimell verbringen wird. Ihre Debatte über wahre und falsche Kunst bis hin zum Leben und der Liebe, begleitet das Paar durch den gesamten Film. Die Landschaft, die Wendungen und die Enthüllungen die sich auftun sorgen für die nötige Abwechslung in dem Gespräch, welches im Grunde ohne Unterbrechung andauert.

Elle hat anfangs allerdings überhaupt nichts für die Werke des britischen Autors übrig. Zwar erkennt ihr Sohn, dass sie sich verhält als wäre sie in ihn verknallt – was auch den Kauf von sechs seiner Bücher erklären würde, dies aber leugnet die Kunstkennerin. Umso überraschender ist es dann, dass sich die beiden Menschen auf Anhieb so gut zu verstehen scheinen. Der Film gibt keinen Aufschluss darüber, warum Miller auf einmal zu Elles Anwesen fährt um sie dort zu besuchen. Aber Minuten später befinden sich die beiden schon in dem Auto auf den Weg raus aus der Stadt. Eine Autofahrt, die filmische zehn Minuten andauert, denen wir gebannt dem aufkommenden Gespräch zuhören, welches Elle und John führen. Kunst sei kein simples Thema, darüber lasse sich nicht so einfach schreiben, heißt es im Film. Kiarostami, der neben der Regie auch für das Drehbuch verantwortlich ist, weiß seine Figuren über Kunst fachsimpeln zu lassen und immer wieder bekommen die Dialoge den Dreh weg von der Kunst, hin zum Leben – Parallelen die erst einmal vernünftig konstruiert werden wollen.

Filmkritik zu “Die Liebesfälscher”

Juliette Binoche

Dabei ist es ausgerechnet der Buchautor, der eine bodenständige, realitätsbezogene Einstellung zur Kunst pflegt. In Büchern sei die Welt oftmals schön oder es gibt ein Happy-End, die wahre Welt ist aber hart und grausam. Die Fälschung als etwas einfach zu erreichendes, das Original als harte Arbeit. Aber es wird noch ganz anders mit der Kunstthematik gespielt und so werfen die Gespräche zwischen den beiden Menschen auch immer wieder unbeantwortete Frage auf, über die der Zuschauer noch lange Zeit philosophieren kann: „If I’m gonna die, so what?“ – ein Satz, so zeigt es John Miller auf, der aus dem Mund von Elles Sohn verstörend und angsteinflößend wirken würde, von einem Künstler geäußert aber wahrscheinlich beeindruckend wäre. Und ist ein Originalgemälde wirklich ein Original? Ist es nicht vielmehr die Person, die Szenerie oder die Gegenstände und Bauwerke die Modell standen, die als Original gelten sollten? Ist das Gemälde, ist die Skulptur nicht bereits eine Fälschung der Realität? Mit solchen Fragen sieht man sich konfrontiert, bekommt die Debatte serviert und muss dann im zweiten Teil des Filmes dieses erlernte Wissen anwenden um die Situation, die nun folgt, interpretieren zu können – es ist Kunst, es ist weder leicht darüber zu schreiben, noch sie wirklich zu verstehen.

In einem Cafe kommt dann nämlich der Bruch, der Spannung in das Miteinander bringt. Die Besitzerin des Cafes hält Elle und John für ein Ehepaar. Die Kunstkennerin und der Buchautor spielen das Spiel mit, bedanken sich für ein paar nett gemeinte Ratschläge bei der alten Frau und gehen. Aber hier hört das vermeintliche Spiel nicht auf, sondern wird fortgesetzt – nicht aber als Fiktion gekennzeichnet. Auf einmal bekommen wir die beiden Menschen mit anderen Augen zu sehen. Die Fröhlichkeit ist wie weggeblasen, die Faszination füreinander weicht einer jahrelangen Frustration über eine gescheiterte Ehe, die nicht wieder in die Gänge gebracht werden kann. Hier fallen beide Figuren aus ihren Rollen heraus. Aus ihm wird der mürrische Ehemann, der seine Zeit lieber mit seiner Arbeit und seinen Freunden verbringt, sie wird zur Ehefrau, die sich verzweifelt an ihrem Mann festklammern möchte.

Juliette Binoche, die in der Originalfassung nicht nur Englisch und Französisch, sondern auch Italienisch sprechen darf, verleiht den Debatten zwischen ihr und William Shimell das Herz und die Seele. Hinzu kommen sonnengetränkte Bilder, die in malerischen Gassen, vor Kirchen und Skulpturen ein romantisches Ambiente erschaffen. „Die Liebesfälscher“ wirft in seiner Gesamtheit die Frage auf, ob es sich wirklich um zwei Menschen handelt, die sich zum ersten Mal in ihrem Leben begegnen. Original oder Fälschung – diese Frage, wie viele Kunstfragen zuvor, wird aber nicht beantwortet, sondern bleibt ein Puzzlestück über das der Zuschauer noch lange Zeit nachdenken darf.

Denis Sasse

Filmkritik zu “Die Liebesfälscher”

‘Die Liebesfälscher‘

Originaltitel: Copie Conforme
Altersfreigabe: ohne Altersbeschränkung
Produktionsland, Jahr: F/I, 2010
Länge: ca. 106 Minuten
Regie: Abbas Kiarostami
Darsteller: Juliette Binoche, William Shimell


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