Extremismus: Rechts ist einfach – aber was ist eigentlich links?!

Anfang der Woche machte die Meldung die Runde, dass es in Deutschland unter anderem tatsächlich ein Rassismus-Problem gibt. Eine repräsentative Erhebung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung vom Sommer 2012 ergab, dass “rechtsextreme Einstellungen in Deutschland weiterhin auf einem hohen Niveau verharren.” Zwar nimmt die Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur ab, Chauvinismus ist bundesweit dennoch weit verbreitet. Die typischste rechtsextreme Einstellung der Ausländerfeindlichkeit ist bei 25,1 Prozent der Deutschen zu finden – das heißt jeder Vierte ist als ein Ausländerfeind, der das in Befragungen auch zugibt! Der Antisemitismus ist nicht ganz so salonfähig, aber doch bei etwa jedem elften Deutschen vorhanden – bei dieser Studie ist er bei Ostdeutschen erstmals häufiger als bei Westdeutschen zu finden. Auch interessant, denn größere jüdische Gemeinden gibt es außerhalb Berlins doch eher im Westen. Wobei das konsequent ist, denn auch die Ausländerfeindlichkeit ist ausgerechnet dort besonders hoch, wo kaum Ausländer leben. Auch die Verharmlosung des Nationalsozialismus war bisher vor allem ein Problem in Westdeutschland, nun sie auch im Osten auf dem Vormarsch.

T(err)ourists fo home - Aufkleber der Partei.

Immer offen für geschlossene Weltbilder – die Partei.

Damit zeigt sich deutlich, dass dass rechtsextremes Denken in Deutschland eben kein Randproblem ist, sondern eins der gesamten Gesellschaft. Ich will die Ergebnisse der Studie hier nicht im Einzelnen durchnudeln, die kann man auf der Internetseite der Friedrich-Ebert-Stiftung nachlesen – interessant sind sie allemal. Erwähnenswert ist aber vor allem noch, dass sich Bildung als wichtigster Schutzfaktor gegen rechtsextreme Einstellungen herausstellt: Menschen mit Abitur neigen deutlich weniger zu rechtsextremem Denken als Menschen ohne Abitur. Und einmal mehr wird auch das Klischee bestätigt, dass gerade die Verlierer besonders anfällig für rechtsextreme Einstellungen sind: Als besonders ausländerfeindlich erwiesen sich Arbeitslose, bei Rentnern ist eher der Antisemitismus verbreitet – hier gilt die Formel je oller desto doller.

Ein Detail der Studie finde ich doch noch bemerkenswert, nämlich dass die grundsätzliche Zustimmung zur Demokratie als Staatsform erstaunlich hoch ist – insgesamt stimmen 94,9 Prozent in West und Ost hier zu. Allerdings sind viele mit dem, was sie in Deutschland tatsächlich unter dieser Bezeichnung vorfinden, nicht so richtig glücklich – nur die Hälfte der Befragten, ist mit dem, was hierzulande als Demokratie praktiziert wird, auch zufrieden. Trotzdem könnten die Extremismus-Flüsterer eigentlich wieder ruhig schlafen, soviel Zustimmung zur Demokratie gab es ja noch nie!

Allerdings will ich nicht unter den Tisch fallen lassen, dass auch Linksextremismus-Forschung betrieben wird, hier sind die Ergebnisse allerdings wesentlich diffuser. Das Schröder-Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat eine explorative Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert, die allerdings nicht wirklich greifbare Ergebnisse liefert – was auch daran liegen mag, dass linksextreme Einstellungen nicht so einfach sind wie rechtsextreme. Die Linken wollen ja möglichst keine Herrschaft, sondern eine andere, irgendwie bessere Gesellschaft. Insofern hatten es die Forscher nicht so leicht. Dennoch ist die Studie “Linksextremismus in Deutschland: Erscheinungsbild und Wirkung auf Jugendliche” durchaus interessant. Vor allem weil dabei heraus gekommen ist, dass kaum jemand wirklich linke oder gar linksextreme Einstellungen hat. Okay, die Autorin Viola Neu sieht das natürlich etwas anders, muss sie ja auch, wenn sie für eine rechte Stiftung schreibt.

Unter den befragten Jugendlichen gibt es ebenfalls eine hohe Zustimmung zur Demokratie, auch wenn die Praxis kritisiert wird, weil man ja nur “wen wählen kann, der nochmal wen wählt.” Gewünscht werden mehr basisdemokratische Elemente. Selbstbestimmung und Individualismus sind den jungen Leuten von heute wichtig, interessanterweise aber gleichzeitig auch das Gemeinwohl. Mit dem Begriff “Kapitalismus” können die meisten nichts anfangen, schon gar nicht mit dem Gegensatz Kapitalismus / Sozialismus. (Woraus man schließen könnten, dass sie weder wissen, was das eine, noch was das andere ist). Wenn überhaupt wird der Kapitalismus eher mit positiven Eigenschaften verbunden, weil dieser für “eine bessere Produktqualität” sorge.

Natürlich wird aber auch gesehen, das Überproduktion und ungerechte Verteilung ernsthafte Probleme sind, die der Kapitalismus so mit sich bringt. Viele Jugendliche sind sehr konsumkritisch, gleichzeitig aber durchaus leistungsbereit. Folglich finden sie es auch völlig in Ordnung, dass man mehr verdienen soll, wenn man mehr arbeitet bzw. einen besseren Job hat und lehnen etwa ein bedingungsloses Grundeinkommen ab. Das ist alles nicht besonders links – insofern kommt die Autorin auch immer wieder ins Schwimmen: Die erwarteten ideologischen, gesellschaftutopischen Weltbilder linker Spinner tauchen einfach nicht auf!

Wie tendenziös die Befragung der mit 35 Probanden recht kleinen Stichprobe mitunter war, um irgendeine Extremismusgefahr entdecken zu können, fällt beim Lesen immer wieder auf:

In der Reflexion über politische Gewalt wird von den Gesprächsteilnehmern immer in Betracht gezogen, ob Unschuldige verletzt werden könnten. Dies zeigt sich deutlich bei den Assoziationen nach Vorlage
der Bilder „brennendes Auto”. Beim „Abfackeln” (wie die Teilnehmer es nennen) von Autos zeigt sich fast immer eine Eskalationsstufe: Viele lehnen zunächst grundsätzlich diese Form der Gewalt ab. Bei einem
vom Interviewer erzeugten Stimulus, ob man auch dann keine Gewalt anwenden würde, wenn das Auto einem „Nazi-Funktionär” gehören würde, nimmt die Gewaltbereitschaft deutlich zu und viele revidieren
 ihre ursprüngliche Position. Die Ablehnung von Gewalt ist eher situations- bezogen als grundsätzlich, da sich die Teilnehmer Situationen vorstellen können, in denen sie Sachbeschädigung nicht ablehnen würden. Nach einer individuellen Involvierung in Straftatbestände wird im Interview nicht gefragt. Manche schildern hingegen freiwillig Situationen bei Demonstrationen (meist gegen Rechtsextremismus), bei denen es gewaltsame Auseinandersetzungen gab. Besonders bei denjenigen, die Kontakte zur Antifa-Szene haben, gibt es Erfahrungen mit Demonstrationen, bei denen es zu politischer Gewalt kam.

Man erinnere sich: Nachdem die CDU infolge der zahlreichen Brandstiftungen an parkenden Autos in Berlin in den vergangenen Jahren sogar Parallelen zum (linksextremistischen) Terror der RAF entdecken wollte, entpuppte sich einer der Haupttäter als frustrierter, aber unpolitischer Arbeitsloser. Auch diese Studie bestätigt wohl eher unfreiwillig, dass das, was rechte Politiker gern “Linksextremismus” nennen, inzwischen eher eine Form von extremen Desinteresse an Politik überhaupt ist.

Das halte ich übrigens auch für gefährlich. Denn Leute, die auf das, was sie vorfinden, keinen Bock mehr haben – was man ja angesichts der Welt wie sie derzeit ist, total verstehen kann – und dann nicht wissen, wohin mit ihrem Frust, sind tendenziell gefährlich. Die stecken dann mitunter nicht nur Autos an, sondern schlagen auch mal jemanden tot. Aus Frust und Langeweile. Aber wie sich immer wieder zeigt, sind solche Menschen eher für rechte Ideologien anfällig. Oder für Verschwörungstheorien aller Art, wie die Linksextremismus-Studie nebenbei auch herausfindet. Die sind zwar keineswegs links, werden aber großzügig unter das Konglomerat irgendwelcher linker Weltbilder gefasst, die die Studie so gern entdecken wollte. Am Ende geht das dann ideologisch zwar eher wieder nach rechts, aber ich will mal nicht so kleinlich sein. Die CDU-Studie schließt dann auch mit dem Ergebnis, dass weder Systemalternativen, noch Utopismus im Weltbild der Befragten zu finden sind, allerdings seien die Meinungsbilder der Befragten inkonsistent. Deshalb sei nicht auszuschließen, dass sie gegenüber geschlossenen extremistischen Weltbildern anfällig werden könnten. Hier ist dann auch gar nicht mehr von rechts oder links die Rede.


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