Eurovision Song Contest: Der Abend

Eurovision Song Contest: Der AbendHochgehandelt und doch gefallen,
ist wohl Motto des diesjährigen Grand Prix, denn kaum einer der vorher in der Google-Gunst an der Spitze stehenden Interpreten noch die todsicheren Tipps britischer Buchmacher konnten sich in der Endabrechnung vorne behaupten. Dennoch war es ein gelungener Contest, der mit einigen Highlights, einer gelungenen Show und einem durchaus würdigen Sieger aufwarten konnte. Dass dazu die Technik exzellent, die Moderatoren arriviert und gut aufgelegt waren und der Beginn mit den 43 Lenas eine wirklich spektakuläre Idee war, kann man dem 56. Wettbewerb nur zugute halten. Doch alles Schritt für Schritt, kommen wir zur Kritik im Einzelnen.
1) Finnland/Paradise Oskar - Da Da DamEs lag dann wohl doch an der unglücklichen Startnummer Eins, dass des Bänkelsängers' Favorit mit seiner lockeren Folknummer allein zur Gitarre nur im unteren Fünftel zu finden war, der wahrlich märchenhafte Auftritt des kleinen Axel vor der aufegehenden Weltkugel hatte sicherlich mehr verdient.
2) Bosnien-Herzegovina/Dino Merlin - Love In RewindTrompete, Gitarre und ein klatschender Grandseigneur: mehr brauchte der Balkanstaat nicht um sich auf einen hervorragenden sechstehn Platz zu singen. Der Refrain war aber auch zu eingängig, über das Clochard-Outfit darf man aber ruhig geteilter Meinung sein.
3) Dänemark/A Friend In London - New TomorrowWeltverbesserersongs hatten dieses Jahr durchaus Konjunktur. Sprints aus dem Stand über die große Bühne im scharzen OP-Hemd waren eher Einzelstücke, verschafften dem launigen und ohrwurmigen Popsong aber immerhin Platz 5.
4) Litauen/Evelina Sasenko - C'est Ma VieDas war schon ein ziemlich unvorteilhaftes Outfit, dass die Dame aus dem Baltikum zu ihrer disneyinspirierten Musicalnummer da trug, die so unglaublich antiquiert daher kam, dass es auch dem Glöckner von Notre-Dame den Buckel hätte runterutschen können.
5) Ungarn/Kati Wolf - What About My Dreams?90er-Jahre-Europop ist tot. Sicherlich wird die Riesin im blauen Satinhandtuch in den regenbogenfarbenen Discos dieser Welt als neue Muse hofiert, für einen ESC im Jahre 2011 reicht eine starke Stimme zu billigen Popbeats hat nicht mehr aus.
6) Irland/Jedward - LipstickConnie Francis hat es vorgemacht: Lippenstift am Jacket geht immer. Die quietschfidelen Legomännchen mit der Adventskerzenfrisur konnten den hohen Erwartungen zwar nur bedingt gerecht werden, der energiegeladene Auftritt war dann trotzdem für einen Platz in den Top Ten gut.
7) Schweden/Eric Saade - PopularGefühlte 37mal hat der Bravocoverboy "Popular" gerufen, dabei musste er sich aus Glaskäfigen befreien und leidlich "powerful" durch die Gegend tanzen. Eingängigkeit siegt über schlichten Geschmack, der Bänkelsänger sagt: "Bäh!" und wundert sich über Platz 3.
8)Estland/Getter Jaani - Rockefeller StreetHier wurden auch Erwartungen in Grund und Boden gestampft. Der Auftritt vor New Yorker-Pappmachee-Wolkenkratzern im Bonbonkostüm war eigentlich wunderbar, doch anscheinend fühlte sich Europa bei der puppengesichtigen zu sehr an die farbverwandeten "Aqua" erinnert.
9) Griechenland/Loukas Yiorkas - Watch My DanceWas war das denn? Ich hatte mich über das Weiterkommen des wohl schlechtesten Rappers der Welt bereits im Halbfinale gewundert, dass der pathosgeschwängerte Ethno-HipHop-Folkloremix aber sogar die Top Ten entert hat mich bar erstaunt.
10) Russland/Alexey Vorobyov - Get YouDicke Hose 2011. Der gelackte Alexey kam so unglaublich überheblich und von sich überzeugt rüber, das der harmlose Popsong vor lauter Selbstverliebtheit zur Nebensache wurde. Dass dabei die Choreographie mehr nach holperndem Boybandgelumpe aussah, machte die Sache höchstens unfreiwllig komisch.
11) Frankreich/Amaury Vassili - SognuDer korsische Supertenor hat dann den Bogen doch überspannt. "Sognu" war dann doch zuviel Vangelis mit dem Holzhammer, als dass sich die schöne Pop-Oper in den Gehörgangen festsetze. Statt "Bolero 12 Points" leider nur Platz 15.
12) Italien/Raphael Gualazzi - Madness Of LoveDie wohl dickste Überraschung. Die unglaublich angeneheme und mit warmer Stimme vorgetragene Pop'n'Jazz-Nummer bringt Italien nach 14 Jahren Abstinenz einen tollen zweiten Platz. Ein Pianoman deluxe, der jetzt hoffentlich nicht komplett durch den Mainstreamwolf gedreht wird.
13) Schweiz/Anna Rossinelli - In Love For A While Wahrscheinlich hat auch hier die Startnummer als Ladehemmer gewirkt. Die hübsche, von der Presse als "Lena-Kopie" bezeichnete Anna verzauberte mit einer hübschen Folknummer, die allerdings doch zu harmlos war und trotz "dadadam"-Refrain nicht im Ohr hängenblieb. 
14) Großbritannien/Blue - I CanSo ein wenig scheint der Name verpufft zu sein. Als großes Comeback angekündigt, hat sich die englische Boyband mittleren Alters mit dem Obama-Gedächtsnispopsong keinen großen Gefallen getan, da Höhepunkte bis auf die netten Synthiklänge im Refrain auch eher Mangelware waren.
15) Moldau/Zdob Si Zdub - So LuckyNa endlich passierte mal wieder was auf der Bühne. Einradfahrende Gartenwichtel, obskure Blasintrumente, wilde Zirkusfanfaren und hin und her hopsende Skasänger: ein Ohrenschmaus hört sich zwar anders an, der Preis für die originelleste Bühenshow war den Moldawiern aber sicher.
16) Deutschland/Lena - Taken By A StrangerNa immerhin Top Ten. Das künstlich ver"vampte" Fräuleinwunder wird erwachsen und bestätigt zumindest in Ansätzen ihre ESC-Form. Ein wenig verrucht, ein wenig futuristisch und ein wenig Spannung ergeben einen lockeren Cocktail zu dem nur die Eisschnellläuferinnern nicht sonderlich gepasst haben.
17) Rumänien/Hotel FM - ChangeEiner der Ohrwürmer am heutigen Morgen. Das sympatische Popliedchen aus Rumänien glänze vor allem durch bei östlichen Staaten selten genutzes "richtiges" Englisch, was aber vor am britischen Leadsänger liegt. Ansonsten war der "muse"artige Gesang zu Anfang schon ein wenig zu kalkulierend.
18) Österreich/Nadine Beiler - The Secret Is LoveDas an Whitney Houston und Mariah Carey erinnernde Ballädchen im Mireille-Matthieu-Gedächtnislook fand ich anfangs langweilig, der zauberhafte Auftritt zeigte aber die unglaubliche Bühnenpräsenz der jungen Künstlerin. Leider auch ein Stück weg von den erwarteten Ergebnissen.
19) Aserbaidschan/Ell/Nikki - Running ScaredEin moderner Grand-Prix-Sieger. Toll produziert, frisch vorgetragen und hübsch inszeniert im gerade so angesagten Nude und White-Look. Wenn zur Hälfte des Songs der Feuerregen prasselt, hätte man den Song auch von Take That vortragen lassen können, so durfte das ungleiche Duett einen historischen Erfolg feiern.
20) Slowenien/Maja Keuc - No OneIn einer Mischung aus Bustier und Ritterrüstung singt sich die Slowenien vor vollbusigen Sidekicks in den Vordergrund der Bühne, schade das die bombastische Produktion und die alberne Inszenierung von der wirklich guten Stimme abgelenkt haben, so war's halt nur mittelmäßig.
21) Island/Sjonni's Friends - Coming HomeDen tragischen Hintergrund zur Entstehungsgeschichte von Lied und band mal außen vorgelassen, war das ein vergnügtes Kaffeekränzchen. Die fidelen Musiker mit echten Instrumenten haben sich ordentlich für die nächste Sommermatineé empfohlen, mehr war aber mit dem harmlosen Barfolksong nicht drin.
22) Spanien/Lucia Pérez - Que Me Quitten Lo BailaoDa hätte man jetzt auch jedes x-beliebige Strandmädchen aus Spanien hinstellen können, austauschbare Stimme, austauschbarer Auftritt. lediglich der Refrain zeugte trotz Landessprache von einigermaßener Ohrwurmqualität, aber die hatte der "Ketchup-Song" weiland auch...
23) Ukraine/Mika Newton - AngelAllzuviel ist ungesund. Sandmaleri würde auf der LED-Wand geboten. Die war spektakulär. Über das Liedchen der blonden Frau mit den Engelsflügeln hätte man diesen vielleicht rüberrieseln lassen, dann wäre wenigstens ein wenig mehr Aufmerksamkeit bei ihr geblieben.
24) Serbien/Nina - CarobanDas beste nicht hauptsächlich englischsprachige Lied des Abends war einer der optischen Leckerbissen. Twiggy hüpft mit ihren kunterbunten Freundinnen vor einer psychedlischen Leinwand auf und ab und versprüht lässige 60er-Jahre-Nostalgie.25) Georgien/Eldrine - One More DayDas Lakritzschneckenkleid, die musikalische Verquickung von Linkin Park und den Guano Apes, dazu eine Stimme zum Steineschmeißen und ein heiserer Rapper: wie es diese Ausgeburt der Hölle auf Platz 9 landen konnte, wird mir ewig ein Rätsel bleiben.
Was bleibt nun als Fazit noch zu sagen. Dass sich der Bänkelsänger zwar mit dem Siegertitel anfreunden kann, sich aber noch mehr über eine bessere finnische, deutsche und estnische Platzierung gefreut hätte. Dass Italien wieder Lust auf den ESC hat und es dann auch verdient auf den zweiten Platz geschafft hat. Und dass der gestige Abend mit Käseigel, Piroggen, Sektchen und guten Freunden trotz der besagten Tränchen im Knopfloch fabelhaft war. Den Sieger kann jeder posten, ich nehme die Nummer 2 und freue mich jetzt schon auf 2012 wenn es heißt: Welcome To Baku!

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