Europa: Das Ringen nach dem richtigen Konzept – Systemreform oder Neugestaltung?

Die Ausgangslage

Ist das krisengeschüttelte Finanz- und Wirtschaftssystem in Europa reformierbar, oder benötigen wir eine komplette Neugestaltung mit einem grundlegend anderem Wirtschaftsparadigma? Wie können die offenbarten Probleme innerhalb eines überschaubaren Zeithorizontes gelöst werden; und zwar nachhaltig und auf Dauer? Was sind die wesentlichen Ursachen der Krise; und über welchen Modus operanti können wir nach Lösungen suchen und diese über bestehende oder noch zu gründenden europäische Institutionen umsetzen?

Zunächst kristallisieren sich zwei gegensätzliche Hauptpositionen heraus, die nicht miteinander vereinbar sind und die beide ein großes sozial – ökonomisches Konfliktpotential mit bringen:

Die Systembewahrer bzw. Reformer auf der einen Seite und die Systemneugestalter bzw. Substitutionsbeführworter auf der anderen.

Die Bewahrer und Reformer: Die ersteren stellen die grundlegenden Ziele, wirtschaftspolitischen Konzepte und die dahinterstehenden Welt- bzw. Menschenbilder des bestehenden Finanz- und Wirtschaftssystems nicht in Frage, wollen aber marginale Strukturverbesserungen in Form einer gesamt europäischen Reform durchführen, um dadurch alle Probleme lösen zu können. Das Pradigma vom Bestand eines ewigen globalen Wachstumsmarktes auf der Basis eines freien Marktes, der ausschließlich über den Mechanismus von Angebot und Nachfrage gesteuert wird, ist hier quasi alternativlos und wird daher nicht in Frage gestellt.

Die Systemneugestalter bzw. Substitutionsbeführworter sehen als wesentliche Ursache der Krise das bestehende Finanz- und Wirtschaftssystem selbst. Es hat ein unrealistisches Paradigma zur Grundlage, das zudem im höchsten Maße ökonomisch, ökologisch und sozial destruktiv ist. Die Märkte können wegen den begrenzten natürlichen Ressourcen und in Anbetracht einer explosiv wachsenden Erdbevölkerung nicht ewig wachsen. Ein selbstregulierendes freies System, das allein nach kurzfristigen Profit Maximierungs – Kriterien plant und handelt, ist weder nachhaltig, noch vorausschauend. Raubbau und Ausbeutung von Mensch und Natur stellen auch die rein ökonomische Nachhaltigkeit in Frage; das System ernährt sich und seine wenigen Nutznießer von der Substanz und nicht vom Ertrag. Die Beführworter eines Systemersatzes sehen keine Möglichkeit zur Reform; denn Konzeption und Paradigma sind bereits völlig falsch ausgelegt. Eine Krise kann dadurch nicht gelöst werden, sie wird ganz im Gegenteil sogar verstärkt – bis hin zu einem möglichen  Systemzusammenbruch.

Die europäische Wirtschaftskrise kann als Teil einer weltweiten Systemkrise aufgefasst werden. Ihr spezielle Ausprägung bezieht sich vor allem auf den Banken und Finanzbereich, umfasst aber auch – untrennbar damit verbunden – den allgemeinen Wirtschaftsbereich und die Währungsstabilität.

Der Europäische Stabilitäts – Mechanismus (ESM) als Lösungsansatz der Systembefürworter

Der ESM ist eine internationale Finanzinstitution mit Sitz in Luxemburg, welche eingerichtet wird, sobald der ESM-Vertrag von so vielen Euro-Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde, dass von diesen zusammen mindestens 90% des anfänglich geplanten Stammkapitals von 700 Milliarden Euro gezeichnet wurde. Ab Mitte 2012 soll diese Institution die Zahlungsfähigkeit der Staaten und der Banken in der Eurozone sichern. Sie ist Teil des sog. „Euro-Rettungsschirm.“ Deutschland möchte noch vor der Sommerpause, bis spätestens zum 1. Juli den ESM ratifizieren und in Kraft setzen.

Au der gesamteuropäischen Ebene soll der ESM als offizielles Instrument den im Mai 2010 als Provisorium gegründeten EFSM ersetzen, der im Juni 2013 ausläuft.

Mit dem Stabilitätsmechanismus sollen im gegenseitigen Einvernehmen der Euro-Länder und unter definierten Auflagen zahlungsunfähige Mitgliedstaaten der Eurozone finanziell mit Krediten der Gemeinschaft der Euro-Staaten unterstützt werden.

Das wesentliche Instrumentarium des ESM sind Notkredite und Bürgschaften.  Überschuldete Mitgliedstaaten sollen Kredite unter subventionierten Konditionen (z. B. mit günstigen Zinssätzen) erhalten, die sie so unter den aktuellen Marktbedingungen  nicht bekommen würden.

Im ESM-Vertrag ist festgeschrieben, dass jeder Mitgliedstaat, der Hilfe durch den ESM erhält, ein detailiert ausgearbeitetes und rechtlich verbindliches makroökonomisches Anpassungsprogramm umsetzen(es ist also keine blose Empfehlung) muss sowie eine tiefgehende Analyse über die Nachhaltigkeit seiner Staatsschuldensituation unternehmen soll. Eine enge parallele technische und finanzielle Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls Voraussetzung für die Inanspruchnahme von ESM-Maßnahmen.

Systemgegner machen ihre Kritik am Beispiel Spanien fest

Zuletzt ist Spanien unter den Bankenrettungsschirm geschlüpft. Es wird verlangt, dass – ähnlich wie in Griechenland -  ein regider Sparhaushalt für die kommenden Jahre gefahren wird.  Die Sparmaßnahmen betreffen vor allem den Sozialbereich, die Verwaltung und Bildung. Die Gegner führen an, dass die Verursacher der Krise, nämlich die Banken, die riskante Immobilien Spekulationen betrieben, geschützt, gestützt und vollkommen aus der Verantwortung genommen werden, wo hingegen die  unter der Krise leidenden – die steuerzahlende Bevölkerung – zusätzlich finanziell belastet werden. Die sparmaßnahmen werden gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt, eine Volksbefragung ist genausowenig vorgesehen, wie eine Neuwahl.  Besonders macht sich Kritik am Vorgehen der Staatsgewalt fest. So räumte die Polizei eine Protestversammlung von Menschen, die ihr Hab und Gut durch  fehlgeschlagene Immobilienspekulationen verloren haten, vor einer Bankia filiale – und zwar mit brachialen Miteln.

Die Gegenrede der Beführworter eines neuen Finanz und Wirtschaftssystems

Der ESM ist nur ein Instrument, um ein sich im Sterben befindliches Systems künstlich am Leben zu erhalten, damit deren Profiteure zumindest noch eine kurze Zeit lang weiter Gewinne einfahren. Den international miteinander verflochtenen Banken wird die Perspektive gesichert, zukünftig vielleicht doch noch an ihre Kreditgelder und den Zinzen zu kommen, die in der aktuelle Krise erst mal schuldentechnisch beschnitten worden sind. (Stichwort Schuldenschnitt Griechenland). Da das bestehende Geld- und Finanzsystem zunehmend losgelöst von der wertschaffenden Wirtschaft agiert, zum Beispiel in der Form der Spekulation mit großen Hebeln, und die Kernkapitalquote für eine Absicherung von Hochrisiko Geschäften nicht ausreicht, vernichtet diese grundlegende Werte und deren Schöpfungsketten, so dass letztendlich ein Gesamtsystemisches Versagen nicht mehr ausgeschlossen ist, ja, sogar wahrscheinlich wird.  Auch kann man das Paradigma des unbegrenzten Wachstums nicht mehr halten. Begrenzte Ressourcen, bei steigender Konsumentenzahl  und stetig grösser werdenden Wertausfällen (durch Sturmschäden, Dürrebedingte Ernteausfällen, Versicherungsschäden bei Überschwemmungen udgl. mehr) führen zu einem Wachstumsstillstand.

Alternative Vorschläge zum Fall Spanien

Im Falle Spaniens wird der ESM abgelehnt. Eine regide Sparpolitik auf Kosten der Bevölkerung oder des Binnenverbrauchers würde zu einer wirtschaftliche Abwärtsspirale führen. Renten, Löhne, Sozialeinkommen würden – wie schon bei Griechenland – radikal fallen, und damit einen enormen Kaufkraftverlust mit sich bringen. Die Binnenwirtschaft würde darauf hin schrumpfen. Durch den ESM hätten die Banken zwar wieder liquide Mittel für die Kreditgabe an Privatpersonen oder Unternehmen; wegen des gestiegenen Ausfallrisikos würde diese aber noch kaum Kredite vergeben. Die heimische Wirtschaft würde keine Wachstumsimpulse bekommen und weiter stagnieren bzw. schrumpfen.

Die Systemgegner favorisieren folgende vorübergehende Maßnahmen.

- die Einführung der Finanztransaktionssteuer in ganz Europa

- die Aussetzung des ESM

- die staatliche Schaffung eines dritten sozialen Arbeitsmarktes

- Eine Erhöhung der Kernkapitalquote auf mindestens 50% des Risikokapitals

-Eine weitgehende Einschränkung hoch riskanter Spekulationsgeschäfte; diese müssen eine 100%ige Absicherung haben.

- Die Teil Sozialisierung der Banken bzw. deren Gewinne. Staat und Steuerzahler müssen in dem Maße wie sie für die Banken aufkommen mussten, auch wieder an den Banken beteiligt werden. (Die Teilnahme an Risikogeschäften ist dabei verboten)

Dies sind einige Forderungen bzw. Vorschläge. Allerdings sind diese alle noch nicht bis ins letzte Detail ausgearbeitet und durchgerechnet. Es existieren also grobe Vorstellungen und mehr oder weniger ausformulierte Vorabthesen zur Gestaltung eiens neuen europäischen Wirtschaftssystems. Einsatzfähig ist dies noch lange nicht.

nachfolgend gibt es einige allgmeine thesenbzw. Eckpunkte für ein neues Wirtschatsmodell und dem zugrunde liegenden Paradigma. Es erfordert noch viel Arbeit, es zu einem tragfähigen funktionierenden Modell zu entwickeln. Aber man kann schon mal damit anangen.

Eckpunkte zur Gestaltung eines alternativen Finanz- und Wirtschaftssystems

Wer das Alte verwirft braucht realistische Alternativen. Die Alternative lässt sich vielleicht zusammenfassend und treffend mit folgendem Titel beschreiben.

Wir brauchen eine

sozial – ökologische Marktwirtschaft, die auf den Prinzipien der Menschenrechte, der Demokratie und der ökologischen Nachhaltigkeit aufgebaut ist.

Ihre Merkmale sind:

- Die Wirtschaft dient allen Menschen, um eine materielle, Existenz sichernde Lebensgrundlage zu schaffen und darüber hinaus zusätzliche Erleichterungen zur Steigerung der Lebensqualität zu organisieren und aufzubauen.

- Die Wirtschaft ist an die reale Wertschaffung gebunden, d.h. abstrakte wertungebundene Finanzprodukte, die selbst keine Werte begründen, sind nicht handlungsfähig und damit nicht zulässig. Die Finanzwirtschaft wird insofern abgeschafft. Die Geldwirtschaft reformiert: Zins und Zinseszins Wirtschaft eingeschränkt.

- Es gibt ein für alle Menschen gleich hohes unbedingtes Grundeinkommen, dass dem sozia-ökonomischen Existenzminimum entspricht. damit werden die persönliche Freiheit und die Würde eines Menschen gesichert. Jeder kann sich auf dieser Grundlage persönlich und wirtschatlich frei entfalten, beruflichen oder gewerblichen Projekten nachgehen, sich weiterbilden oder, wenn gewünscht auch künstlerisch musisch in die Gesellschaft einbringen.

- Die Wirtschaft wird nach ökologischen Nachhaltigkeitskriterien gestaltet. Geschlossene Wertsoffkreisläufe in der Agrarwirtschaft, Recycling Systeme in der Industrie, alternative Energie Technologien gehören genauso dazu, wie das Einrechnen der sogenannten externen Naturkosten. (Kosten, die durch destruktive Natureingriffe direkt oder indirekt entstehen)

- Allgemeine lebenswichtige Infrastruktursysteme kommen in die öffentliche Hand. Stromnetze, Bahn, Strassen, Wasserwirtschaft, Gesundheitssystem dürfen nicht nach privatwirtschaftlichen Kriterien verwaltet werden.

- Das Steuersystem muss angepasst werden. Wertschöpfende Arbeit sollte nicht gegenüber Finanzwertschöpfung zurückstehen. Die Finanz Transaktionssteuer muss einer gleichwertigen prozentualen Steuerabgabe unterliegen.

Es ist wichtig und richtig, möglichst viele Expertise in einem offenen Dialog einzubringen. Modelle entwickeln sich, sie sind nicht gleich zu Beginn perfekt, und keiner der Konstruktuere kann von sich aus behaupten, alles zu wissen und alles bedenken zu können. Wichtig ist dabei die Einsicht, dass man durch einen intensiven Wissens und Meinungsaustausch und einem offenen Ohr zu guten Ergebnissen kommen wird. Die Erfahrung der anderen bereichert die eigene Welt; insofern sollten wir trotz unserer Gegensätzlichkeit in der Lage sein, ober unsere eigenen Eidelkeiten, Begehrlichkeiten und festgefahrenen Denkmustern zu springen, um eine bessere Zukunft für unsere Kinder zu bauen.

Auch der Autor arbeitet an sich, und versucht persönliche Empörungen weiter hinten anzustellen und sich einem Dialog zu öffnen. Er versucht zu verstehen, Zusammenhänge zu sehen und vor allem mit der Welt der anderen in Kontakt zu kommen, um vielleicht zusammen über das Stadium des Jammerns oder gegenseitigen Anfauchens hinaus zu kommen; und gemeinsam in Projekten konstruktiv für unsere gemeinsame Welt zu werkeln.

beste Grüße René Brandstädter


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