Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wird in den nächsten Monaten ein Grundsatzurteil zur Sterbehilfe in Deutschland fällen. Um eine Antwort werden sich die EU-Richter nicht drücken können. Zur Entscheidung vorgelegt wurde nichts weniger als die Frage, ob ein sterbewilliger Patient tödliche Medikamente bekommt oder nicht.
Bislang ist das Thema „freiwilliges Sterben – im Wortsinne zu verstehen als der freie Wille, das Leben aktiv zu beenden – hierzulande eines, dem mit mehr als Respekt begegnet wird. Eine Diskussion dazu wird weitgehend abgelehnt, vorgebrachte Wünsche werden zurückgewiesen, das Ganze wird … totgeschwiegen. Man hat so lange dahinzusiechen, bis der Körper den Kampf beendet, den die Psyche schon lang verloren gegeben hat. Gerichtliche Klagen waren meist allein aufgrund ihrer Länge und enormen Belastung eines derartig spektakulären Prozesses ausgeschlossen. Wer sterben wollte, bat Angehörige und Freunde um Hilfe oder rief Dignitas an. Hatte man das Ziel erreicht, hinterließ man erleichterte, wenngleich traurige Menschen und eine Menge Ärger.
Dem soll nun eine zugegebenermaßen gewagte Interpretation des Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) abhelfen, denn die Weigerung, beim ausdrücklich gewollten Sterben zu helfen, ist nichts anderes als eine de facto-Pflicht zum Weiterleben und -leiden. Dabei allerdings wird einem nicht geholfen. Übrigens gilt das Abstellen eines Beatmungsgerätes in Deutschland nicht als aktive Sterbehilfe, sondern als Verzicht auf eine Weiterbehandlung. Wenn ein Patient das ausdrücklich wünscht, ist dem nachzugeben. Das hat der Bundesgerichtshof bereits klargestellt. Klingt vielversprechend. Was aber, wenn nicht beatmet wird? Was, wenn der Wille nicht mehr kund getan werden kann? (Was bei einem Beatmeten angenommen werden darf.) Was, wenn eine entsprechende Patientenverfügung angezweifelt wird?
Mag sein, dass ich jetzt polemisch werde, aber wir Deutsche haben das grundgesetzlich verankerte Recht auf Leben. Nicht aber das Recht auf einen selbstbestimmten Tod. Der aber gehört zum Leben.