Esther Kinsky bekam heute, am 15. März, den Preis der Leipziger Buchmesse 2018 in der Kategorie Belletristik für ihren "Geländeroman" mit dem Titel "Hain".
Dies ist ein Vorbericht, bevor ich das Buch selber gelesen habe. Die Ausschnitte, die ich im Zusammenhang mit der Buchmesse gehört oder gelesen habe, haben mich überzeugt.
Die Begründung der Jury klingt selbst poetisch - erstaunlich (erfreulich). Ich zitiere nach der Pressemitteilung:
"Was für ein stilles, kaum bewegtes, menschenarmes Buch. Seine Farben mangels ausreichender Sättigung vorwiegend im Graubereich. Und seine Ich-Erzählerin eine bloße Hülle, die sich am liebsten davonstehlen würde. Denn an ihr, einer Trauernden, die ihren Lebensgefährten verloren hat, nagt eine Leere, die sich mit der Leere der Umgebung paart. Und zugleich: Was für eine Schule der Wahrnehmung. In der Reizreduktion zeigt sich jedes noch so unscheinbare Detail mit geradezu übersinnlicher Genauigkeit; die Tonlosigkeit steigert sich zum Gesang der Dinge. Im Ähnlichen entdeckt sie das immer Andere. Man wird der unspektakulären Melodie dieses Buches und der rhythmischen Präzision seiner Sätze nur gerecht, wenn man es langsam liest: mit einer Geduld, die nichts erwartet, und gerade deshalb mit einem Staunen über die Fülle seiner Einzelheiten belohnt wird ... (Hervorhebung von mir)".
Das Buch besteht aus drei Teilen, denn die Ich-Erzählerin unternimmt drei Reisen, alle nach Italien, aber nicht in die Reiseführer-Orte wie Rom, Florenz, Siena, sondern in abseitige Landstriche und Gegenden. Die erste führt ins Gebirge, nach Olevano Romano, einer Kleinstadt in den Hügeln nordöstlich Roms; die dritte in die Ebene, in die Lagunenlandschaft des Po, Valli di Comacchio, "halb von Vögeln beherrschte Wasserwelt, halb dem Wasser abgetrotztes Ackerland". Dazwischen macht die Erzählerin eine Reise nach innen, in ihre Kindheit, mit Erinnerungen an zahlreiche Fahrten durch das Italien der Siebzigerjahre mit dem dominierenden Vater. (Nach dem Werbetext des Suhrkamp-Verlages, aus dem ich dies noch wörtlich zitieren möchte: )
"Esther Kinskys Streifzüge und Wanderungen – im Gedächtnis ebenso wie gehend oder fahrend in der Gegenwart – sind Italienische Reisen eigener Art. Sie erkunden mit allen Sinnen äußeres Terrain und führen doch ins Innere, zu Abbrüchen der Trauer und des Schmerzes und zu Inseln des Trostes. Der einfühlsame, präzise Blick der Reisenden entlockt jedem Gelände, was eigentlich im Verborgenen liegt: Geheimnis und Schönheit."
Zu der Autorin laut Pressetext:
"Esther Kinsky, 1956 in Engelskirchen geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Für ihr umfangreiches Werk, das Übersetzungen aus dem Polnischen, Russischen und Englischen ebenso umfasst wie Lyrik, Essays und Erzählprosa, wurde sie vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Preis der SWR-Bestenliste 2015 für ihren Roman Am Fluss (Matthes & Seitz, 2014) und dem Adelbert-von-Chamisso-Preis 2016."
Ich gratuliere dem Suhrkamp-Verlag!
Esther Kinsky: Hain. Geländeroman. 287 Seiten, 24 Euro. Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2018.