Essai 104: Über die Kunst des unauffälligen Schwafelns

Eines meiner Steckenpferde sind ja rhetorische Tricks, wie man sie erkennt, durchschaut und dann selbst anwenden kann. Man könnte jetzt küchentischpsychologisch mutmaßen, dass das an meiner lächerlich putzigen Erscheinung liegt, dass ich lernen musste, mich verbal zu verteidigen, blasülz. Womit wir auch schon beim Thema wären: Die Kunst des unauffälligen Schwafelns. Wobei man dabei vermeiden sollte, am Ende “blasülz” hinten anzuhängen, weil die Unauffälligkeit dann im Eimer ist. Betrachten wir doch einmal folgendes Beispiel, die Bundestagsrede von Loriot:

Bei diesem Klassiker der Kunst des unauffälligen Schwafelns kann man sehr schön sehen, wie mit einer Aneinanderreihung von Floskeln ohne jeglichen Kausalzusammenhang dennoch ein überzeugendes Ergebnis erzielt werden kann, wenn die Haltung stimmt. Mit einem überzeugten Auftreten, einer selbstsicheren Attitüde kann man den größten Bockmist verzapfen und keiner merkt’s. Super! Helfen tut dabei auch, wenn man seine Adressaten – seine Zielgruppe – kennt und weiß, was sie hören möchten. Und das sagt man dann. Die Zustimmung des Publikums ist einem dann schon mal gewiss, jedoch nur, wenn die Haltung entsprechend überzeugt wirkt. Dabei ist übrigens die Wirkung entscheidend, was man sich insgeheim im eigenen Hinterstübchen dabei denkt, ist völlig wumpe. Die Gedanken sind frei, wie es so schön heißt.

Politiker im Allgemeinen haben die Kunst des unauffälligen Schwafelns zur Perfektion gebracht. “Wir finden das gut, denn Steuergerechtigkeit ist gerecht und dazu stehen wir auch, dafür steht die Partei, das ist unsere Überzeugung und deswegen ist das richtig.” Da muss man mal drauf achten. Wenn man das so liest denkt man, Ach nee, so ein Unsinn, da falle ich doch nie drauf rein. Und dann stellt sich da aber so ein Jungspund im Anzug hin und sagt genau den gleichen Mumpitz, aber im Brustton der Überzeugung und schon denkt man, Ach guck, na vielleicht ist ja doch was dran.

Das geht übrigens nicht nur bei gesprochenen Reden, sondern auch bei geschriebenen Texten, da ist das nur etwas kniffliger, weil man sich da nicht mit Charisma oder antrainierter Sicherheit aus der Affäre ziehen kann. Dennoch transportiert sich ja eine gewisse Überzeugung aus einem geschriebenen Text heraus, wenn der Schreiberling sich als Experte aufführt. Falls das bisher noch keiner gemerkt hat, ich mach das hier andauernd. Ja, wer schriftlich überzeugen will, sollte ruhig mit dem größten Vergnügen den Klugscheißer heraushängen lassen. Und dabei sympathisch wirken, damit nicht auffällt, dass man nur herumklugscheißt. Mit einer gewissen sokratischen Ironie, einer Haltung, die sich denkt “Ich weiß, dass ich nichts weiß” und sich darüber freut, nimmt einem das dann auch keiner übel, wenn man einfach mal auf gut Glück ein paar Behauptungen in den Raum stellt. Allerdings darf man das auch nicht übertreiben, sonst fliegt die Sache auf. Also gelegentlich mal eine möglichst seriöse Quelle dazwischenschieben, dann ist das Image wieder aufpoliert. Das muss man natürlich auch üben, damit die Balance stimmt. Übrigens können auch echte Experten von dieser Taktik profitieren, denn wenn man voll Ahnung hat von etwas, es aber nicht so nach außen transportieren kann, nützt das auch nichts. Das ist leider so, eine gute Sache, von der keiner weiß, dass es eine gute Sache ist, ist eine verschenkte Gelegenheit. Eine belanglose Sache, die jeder für eine gute Sache hält, stiehlt ihr dann nämlich die Show.

Also, manchmal lohnt es sich, ein zweites Mal genauer hinzusehen oder hinzuhören, wenn man verdecktes Schwafeln entlarven möchte. Von Zeit zu Zeit gibt es dann aber auch Momente, wo einem das überzeugte Auftreten durchaus nützlich sein kann. Fair ist es aber natürlich nur, wenn auch tatsächliche Inhalte dahinter stecken. Aber wenn es niemandem weh tut, kann man ruhig auch mal ein wenig Unsinn labern, zum Beispiel als Zeitvertreib oder weil man gerade Lust hat, einen Blogartikel zu diesem Thema zu schreiben.


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