Die übliche Vorgehensweise bei hiesigen Skandalurteilen, heißt Aussitzen. Man ignoriert die Kritiker und tut so als ob nichts passiert sei. Maximal grummelt man verschämt etwas von Heimvorteil oder Weltmeisterbonus und freut sich mal wieder davongekommen zu sein. Egal ob jemand um den Lohn seiner Arbeit gebracht wurde oder ob dem Ansehen des Sportlers, des Veranstalters, des TV-Senders und des Sports geschadet wurde, Hauptsache der Heimboxer hat gewonnen und das Geldverdienen geht weiter. Aber es geht auch anders!
Am 19.03.2011 boxte die Spanierin Loli Muñoz (19 Kämpfe, 9 Siege, 6 durch KO, 8 Niederlagen, 1 Unentschieden) gegen die Uruguayerin Chris Namús (16 Kämpfe, 14 Siege, 6 durch KO, 1 Niederlage) im Estadio Cr. Gaston Guelfi/Palacio Peñarol, in Montevideo, Uruguay. Einige werden sich noch an Loli Muñoz erinnern. Sie verlor deutlich nach Punkten gegen Jessica Balogun (20.11.2010). In dem Kampf, von dem jetzt die Rede sein soll, ging es um den WPBF-Titel im Junior Weltergewicht. Die Spanierin trieb die Heimboxerin über zehn Runden vor sich her. Namus fand zu keinem Zeitpunkt ein Rezept gegen die kleinere und aggressivere Munoz und musste eine Vielzahl von Volltreffern zum Kopf nehmen. In den letzten beiden Runden schien sie sogar stehend KO zu sein.
In der neunten Runde schenkte der Ringrichter Anibal Andrade aus Uruguay der bedrängten Namús dann eine Auszeit, nachdem sie ihr Mundstück in höchster Not verloren hatte. Fast schien es so, als ob der Ringrichter seine Landmännin stützen wollte, um zu verhindern, dass sie zu Boden ging. In der letzten Runde musste Namús noch mehr Treffer zum Kopf einstecken und konnte nur durch Klammern verhindern, dass sie zu Boden sank. Dann kam ihr der offizielle Zeitnehmer zu Hilfe und gongte den Kampf nach 1:28 Minute in der zehnten Runde ab.
Was dann folgte war eine regelrechte Farce. Die Punkrichter Hugo De Leon, Enrique Vales und Freddy Sosa werteten tatsächlich 96-95, 95-95 und 97-93. Der Skandal war perfekt. Die Punkrichter schanzten durch Mehrheitsentscheidung Chris Namús den Sieg zu.
Soweit scheint das Szenario ja nicht unbekannt zu sein. Was nun allerdings folgte, weicht von unserem Umgang mit dieser Art von Punkturteilen erheblich ab. Die Boxfans waren empört. Das Fernsehen plauderte nicht von Heimvorteil, sondern nannte das skandalöse Fehlurteil – man kann es als Deutscher kaum glauben – ein skandalöses Fehlurteil. Das urugauyische Fernsehen interviewte den Punktrichter Freddy Sosa (er punktete 97-93) und unterlegte seine abstrusen Ausführungen mit Bildern einer Namús, die Volltreffer um Volltreffer nimmt und durch den Ring torkelt. Sogar die Regierung von Uruguay schaltete sich ein. Der Tenor war: Einen solchen Sieg wollen wir nicht! Das Sportministerium forderte die Federacion Uruguaya de Boxeo auf, den Kampf zu überprüfen. Diese annullierte dann tatsächlich die Punktentscheidung, erklärte den Kampf zu einem No Contest und ordnete einen Rückkampf an, der nun am 11. Juni stattfinden wird. Der Ringrichter, die Punktrichter und der Zeitnehmer wurden zwischen 2 und 7 Jahre gesperrt.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier in Deutschland das Fernsehen, die Regierung und die Verbände so reagieren würden wie in Uruguay. In Abwandlung eines alten Spruchs: Von Uruguay lernen, heißt sauber siegen lernen!
© Uwe Betker