Es ist mal wieder soweit: Der Abstand zur letzten Reise ist groß und die Aussicht auf die nächste weit. Zeit für eine kurze Unterbrechung im Alltag. Raus in die Natur, am liebsten ans Meer, gut und schnell erreichbar von Köln aus, so hätten wir sie gerne, die kleine Auszeit. Wir ziehen einen Radius von 400 km rund um die Stadt auf der Suche nach dem perfekten Ort. Ostsee… zu weit weg. Niederlande… waren wir schon oft. Deutsche Nordseeküste… kennen wir beide kaum, ich sogar noch gar nicht. (Wie kann das eigentlich sein?) Noch reizvoller als ein fester Ort an der Küste stelle ich mir Urlaub auf einer der Nordseeinseln vor, fernab vom Trubel des Festlandes. Bei unseren Recherchen fällt uns Juist besonders ins Auge.
Eine Insel ohne Autos, befahren von Kutschen, erreichbar über eine Fähre, die nur bei Hochwasser fährt, Rastgebiet für über 3 Millionen Zugvögel jedes Jahr, 17 km lang und maximal 900 Meter breit, rundherum nur das Meer… Das ist unsere Insel.
Fakten über die Insel
- die längste der ostfriesischen Inseln mit insgesamt 17 km Länge
- maximal 900 Meter und minimal 500 Meter breit
- liegt zwischen Borkum und Norderney
- 1596 Einwohner & 4mal soviele Touristen in der Hochsaison
- von den Einheimischen auch „Töwerland“ genannt (friesisch für Zauberland)
- bei der Sturmflut 1651 in zwei Teile geteilt
- Teil des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer (UNESCO-Welterbe)
- auch bekannt als Nordseeheilbad und Kurort (vorteilhaftes Reizklima z.B. bei Erkrankungen der Atemwege)
- großes Angebot im Bereich Wellness, Gesundheit und Entspannung
- 2010 der sinnreichste Ort Deutschlands
- 2015 gewinnt Juist den deutschen Nachhaltigkeitspreis
Entschleunigung beginnt bereits bei der Anreise: Die Stimmung an Deck der Xenia II ist gelassen, das Tempo reduziert. Je nach Wasserstand können die Zeiten der Überfahrten variieren und diese auf zwei am Tag beschränken. Also nichts für Kontrollfreaks oder Hektiker und uninteressant für Tagesgäste. Wer nach Juist fährt, der bleibt, ein paar Tage oder für länger (wie wir im Laufe unserer Reise immer wieder feststellen). Der Kapitän begrüßt uns traditionell erst auf ostfriesisch, dann in entspanntem Deutsch… „Moin!“. Mehr nicht. Weniger, langsamer, leiser… so empfängt uns Juist.
Mobil unterwegs: per Kutsche, Rad oder einfach zu Fuß
Alle, die Juist autofrei erleben möchten, haben ebenso die Möglichkeit autofrei anzureisen: Die Bahn fährt bis vor die Fährenklappe nach Norddeich. Von Köln aus bequem 4,5 bis 5 Stunden mit einmal bis keinmal umsteigen, je nach Verbindung. Über 10 km vom Festland entfernt heißt auf Juist auch über 10 km Abstand zu dem, was dort ist. Eine Möglichkeit alltägliche Gedanken zu Hause zu lassen und nur mit dem Nötigsten auf die Insel zu reisen. Das was man mitbringt, muss man auch tragen. Zumindest gibt es keine Autos, die man bequem vollpacken kann. Wenn dann Kutschen, Lastenräder oder Handkarren. Nach ein wenigen Tagen auf der Insel wird mir klar, dass nicht Skandinavien oder die Niederlande „das Vorbild“ in Sachen Lastenrad sind, sondern Juist! Hier weiß man sich zu helfen, wenn die noch so kuriosesten Dinge von A nach B transportiert werden sollen.
Daher haben wir auch ganz bewusst nur das Nötigste eingepackt und uns minimalistisch gehalten: Backpack statt Koffer, kleine Dosen für Kosmetik statt großer Verpackungen und Klamotten nach dem Zwiebel-Look-Prinzip. Für alles, was fehlen könnte, hat unsere Unterkunft, das Biohotel Haus AnNatur (unser Bericht folgt noch!), gesorgt. In jedem der insgesamt 11 Wohlfühlzimmer sind Thermoskanne, Brotdose, ein kleiner Rucksack sowie Wärmflasche, Bademäntel und Strandhandtuch bereitgelegt – eine Standardleistung des Hauses, welche unser Gepäck zusätzlich schmälert.
Stille die man hören kann
Das Fenster im Hotel ist geöffnet, und es ist still. Im Vergleich zu Köln ist das definitiv auffallend ungewöhnlich, aber auch im Vergleich zu dem, was ich bisher unter Stille verstanden habe, ist die Stille auf Juist anders. Man kann sie beinahe hören. Geräusche sind, wenn sie ertönen, eindeutig und klar. Ein Vogelgezwitscher am Morgen, ein Gespräch am Nachbartisch, das Hufgeklapper der Pferde auf dem Straßenpflaster. Mehr nicht. Juist wirkt auf mich wie ein Ort, an dem die Zeit auf angenehme Weise angehalten zu sein scheint, ohne dass die Menschen dabei stagnieren würden. Vielleicht kehren genau deshalb jedes Jahr Stammgäste zurück, die bereits als Kind ihren Urlaub auf Juist verbracht haben. Auf der Insel gibt es von allem wenig, aber das bewusst ausgewählt. Das erleben wir zum Beispiel beim Frühstück im Haus AnNatur mit frisch zubereiteten Leckereien aus Kathrins BIO-Garten, genauso wie im Erdbeerfisch, dem Laden für schöne Dinge von Lucia Bröker.