Eine Predigt im Tempel der Atheisten

Eine Predigt im Tempel der Atheisten

Ich habe ja schon immer gesagt, der Atheismus sei eine Religion. Bestärkt wurde ich in meiner Ansicht durch die Missionstätigkeit der Atheisten, ein untrügliches Zeichen einer Religion. Nun meldet The Guardian, dass die Atheisten in London einen eigenen Tempel bekommen sollen. Der britische Philosoph und Atheist Alain de Botton meint, die Atheisten hätten die gleichen Bedürfnisse wie die Anhänger anderer Religionen und bräuchten auch einen Ort, wo sie hingehen und Andacht halten könnten.

Da muss ich Alain de Botton zustimmen. Wer an das grosse Nichts glaubt, braucht dringend einen Tempel. Ich melde mich freiwillig als Atheistenpriester und habe mir auch schon eine erste Predigt zurecht gelegt:

Liebe Nichts-Gläubige, liebe Atheisten

Wir haben uns heute im Tempel des Nichts versammelt um uns wieder einmal der Ewigkeit bewusst zu werden, die vor und hinter uns liegt. Jahrmillionen nach dem Urknall hat ein unwahrscheinlicher Zufall uns Menschen geformt. Doch Zufälle, so unwahrscheinlich sie auch sein mögen, sind vergänglich. Und so werden wir wieder zu dem werden, was wir vor unserer Existenz gewesen sind: zu Sternenstaub. Unser Bewusstsein, zusammengehalten von den Nervenknoten unseres Gehirns, wird sich im Augenblick unseres Todes auflösen und vergehen. Denn es gibt keinen Gott ausser dem grossen Nichts. Atheluja.

Wir freuen uns alle auf diesen Augenblick, den er bedeutet ewige Ruhe. Keinen Stress, keinen Streit, keine Alimentenzahlungen, keine Steuern. Nichts als ewigen Schlaf. Diese Gewissheit gibt uns die Kraft, die Schwierigkeiten des Alltags zuversichtlich zu meistern. Im Gegensatz zu anderen Religionen, deren Götter so unwahrscheinlich sind, wie die Tatsache unserer Existenz, brauchen wir uns nicht auf ein Dasein im Jenseits vorzubereiten. Wir brauchen nicht zu beten, denn das Nichts verlangt nicht danach, wir brauchen uns nicht an Gesetze aus tausendjährigen Büchern zu halten, denn dem Nichts ist das egal. Es wird uns, gleich wie wir gelebt haben, in seiner ewigen Finsternis empfangen und willkommen heissen. Atheluja.

Liebe Atheisten, gerade weil wir uns bewusst sind, dass wir nichts anderes sind als ein kurzes Blinken in den Hallen der Ewigkeit, können wir das Leben so richtig geniessen. Wir können tun und lassen, was uns beliebt. Wir können nach Herzenslust sündigen, wir können Schlemmen und Ehebrechen. Es spielt keine Rolle. Natürlich achten wir die Gesetze dieses Landes wie alle anderen anständigen Bürger. Denn wir wollen unsere Tage nicht im Gefängnis verbringen und wir wollen unseren Geist im Augenblick der Auflösung auch nicht mit Reue und Gewissenbissen belasten und damit diesem einmaligen Moment seine Feierlichkeit und Würde rauben. Für uns gilt daher auch: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Atheluja.

Wir wissen, dass nach dem Tode nichts ist, dass es kein „Leben“ danach gibt. Lasst uns also hier und jetzt leben und jeden Moment geniessen. Die Wahrheit unseres Wissens, durch die Wissenschaft untermauert, sollten wir aber nicht für uns behalten. Darum geht hinaus in die Welt und verkündet den Menschen unseren Glauben. Überzeugt sie vom Nichts nach dem Tod, auf dass sie die Mühsal ihrer nutzlosen Gebete und die Einschränkungen ihrer Gebote und Verbote in der Mülltonne der Geschichte entsorgen. Entlastet vom Glauben an ihre Seele, können auch sie die Freuden dieses Lebens uneingeschränkt geniessen, ohne einem nicht existierenden Gott Rechenschaft ablegen zu müssen. Atheluja.

Nun lasst uns zusammen zum Schluss noch ein Lied anstimmen. Es ist von Bobby McFerrin und heisst: Don’t worry be happy.



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