Ein Verbot reicht nicht

Ein Verbot reicht nicht

Deutsche Behörden haben nach Informationen der Berliner Zeitung in den vergangenen zwei Jahren mehr als 800 Waffen bei Rechtsextremisten sicher gestellt. Unter den sichergestellten Waffen waren in den vergangenen Jahren laut BKA auch 15 Faustfeuerwaffen, 16 Langwaffen und sogar 8 Kriegswaffen. In den vergangenen zwei Jahren fand die Polizei bundesweit zudem 40 Spreng- und Brandvorrichtungen bei rechtsextremen Gruppierungen.

Auch unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts wirkt es paradox, dass ein Verbotsverfahren gegen die NPD bisher noch nicht zustande gekommen ist. Allein die Tatsache, dass jemand, der mit einem Messer in der Tasche ein Fußballspiel besucht und damit entdeckt wird, Hausverbot bekommen kann, macht deutlich, wie schnell an anderen Stellen potenziellen Terrors eingegriffen werden kann.

Seit klar ist, dass hinter dem Mord der Polizistin Michéle K. und der unter dem Namen «Döner-Morde» bekannt gewordenen Anschlagserie eine Gruppe Neonazis steckt, wird wieder heftig über ein NPD-Verbot diskutiert. Doch was kann wirklich getan werden, um den rechtsextremen Terror in seine Schranken zu weisen? Die Sprecherin der Mobit (Mobile Beratung für Demokratie und gegen Rechtsextremismus), Katja Fiebinger, beschäftigt sich Tag für Tag mit dem Kampf gegen die Neonazis: «Unser Auftrag besteht in der Stärkung der Zivilgesellschaft und ganz konkret in der Beratung von Menschen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen wollen.» Doch auch Fiebinger kennt ihre Grenzen.

Diese bestünden schon allein deshalb, weil sie mit ihrer Organisation keine präventive Arbeit leisten darf, sondern nur intervenieren kann. «Eine Beratung mit Menschen aus der rechten Szene gibt es bei uns gar nicht. Viele Menschen wünschen sich das, weil sie glauben, so würden wir die Probleme mit den Neonazis sofort lösen können», sagt Fiebinger zu news.de. 70 Prozent der Deutschen wollen ein Verbot der NPD, wie jetzt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid ergeben hat. Der Wunsch nach Veränderung ist also da, doch die Vergangenheit zeigt, dass unüberlegtes Handeln dem Verbotsverfahren eher schadet und die NPD sich am Ende über einen Sieg vor höchstrichterlicher Instanz freuen kann.

Fast immer, wenn die Politik in Aufruhr ist, sind Schnellschüsse vorprogrammiert. Auch das geplante NPD-Verbotsverfahren könnte ein solcher werden: 2001 haben Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat unabhängig voneinander Verbotsanträge beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, die allesamt die Verfassungswidrigkeit der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) feststellen sollten. Nur so ist es möglich, eine Partei zu verbieten.

V-Männer abziehen oder weiter in der NPD arbeiten lassen?

Das Verfahren musste jedoch 2003 eingestellt werden, weil die NPD mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt war. Der eigenliche Verbotsantrag – also die Beantwortung der Frage, ob die NPD eine verfassungswidrige Partei ist – wurde gar nicht mehr geprüft. Ohnehin stand das damalige Verbotsverfahren von Anfang an auf wackligen Füßen: Das Gericht konnte lediglich mit dem Vorwurf verfassungswidriger Propaganda arbeiten. Konkrete Belege für Fälle rechter Gewalt, die eindeutig auf Mitwisserschaft und Duldung der NPD hinweisen, konnten nicht vorgelegt werden.

Jetzt wird erneut über ein NPD-Verbotsverfahren nachgedacht. Doch wie stehen die Chancen? Nicht gut, resümiert der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier in einem Interview: «Mit einer immer noch zu großen Anzahl von V-Leuten, von denen das Bundesverfassungsgericht der Meinung ist, dass sie die Willensbildung der Partei maßgeblich beeinflussen, ist das Verbot nicht zu schaffen.» Bessere Chancen für das Verbot sieht CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach. Grund ist die Verhaftung eines langjährigen NPD-Funktionärs. Ausschlaggebend sei die vermutlich enge Verbindung zwischen der NPD und der Mordserie, die dem Zwickauer Trio zur Last gelegt wird, sagte Bosbach im ZDF-Morgenmagazin.

Doch auch Friebinger von der Mobit weiß das: «Wenn das Verbot erneut nicht gelingt, macht man sich noch unglaubwürdiger. In der aktuellen Lage liegt es wieder an den V-Männern.» Erst wenn klar ist, ob man diese weiterhin in der NPD arbeiten lassen kann oder rausholen muss, sei es auch an der Zeit, über ein Verbotsverfahren der NPD nachzudenken.

Darüber, wie die Lösung für diese Misere aussehen kann, sind sich Politiker noch uneinig. Während Steinmeier sich dafür ausspricht, die V-Leute abzuziehen, weil nur so das einzig echte Hindernis für das angestrebte Verbot der rechtsextremen Partei aus dem Weg zu räumen ist, prüft Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) derzeit, ob ein Verbotsverfahren auch dann eine Chance auf Sieg hat, wenn der Verfassungsschutz seine V-Leute aus der NPD nicht abzieht. Vielleicht pokert Friedrich zu hoch, denn an der mit V-Leuten durchdrungenen NPD-Struktur scheiterte bekanntlich das 2001 in die Wege geleitete Verbotsverfahren.

Daran, dass ein Verbot ausreicht, mag keiner wirklich glauben

Doch noch etwas muss klar werden: Ein NPD-Verbot darf nicht der einzige Weg sein, mit dem versucht wird, den Rechtsextremismus zu bekämpfen. «Wir müssen uns vor der Illusion schützen, ein Verbot allein sei die Lösung», sagt Steinmeier der Nachrichtenagentur dpa. Rechtsextremismus kann sich eben vor allem dort ungehindert ausbreiten, wo sich der Staat mit seinen Gegenmaßnahmen zurückzieht. «Deshalb ist eine Kürzung der Mittel für den Kampf gegen Rechtsextremismus der völlig falsche Weg.» Um ein Verbot erwirken zu können, muss auch nachgewiesen werden, dass eine Partei verfassungsfeindlich ist und den Staat aggressiv bekämpft.

Dass das Verbot einer Partei, die rechtsextreme Einstellungen und Gedanken fördert und verbreitet, erstritten werden kann, ist jedoch nur ein Teil des Weges, der jetzt vor Politik und Gesellschaft liegt. Friebinger kann verstehen, dass es Menschen gibt, die sich ein Verbot wünschen. «Nur löst es ja das eigentliche Problem nicht. Wenn überhaupt, dann ist es deshalb sinnvoll die NPD zu verbieten, um ihnen so Ressourcen zu entziehen, also Geld und Aufmerksamkeit», sagt sie. Dabei weist Friebinger auf eine ZDF-Wahlauswertung in Mecklenburg-Vorpommern hin, wo plötzlich ein Vertreter der NPD vor der Kamera stand. «Der konnte seine Ideale und Einstellungen dann eben einfach an die vielen Millionen Zuschauer richten.» Ein Verbot der NPD würde solche öffentlichkeitswirksamen Auftritte in Zukunft verhindern.

«Es wird immer viel debattiert, wenn Rechtsextremismus gerade mal wieder aktuell ist, aber im Grunde muss da viel mehr getan werden», sagt Fiebinger zu news.de. Ziel muss es also nicht nur sein, Vertretern rechtsextremer Parteien die Bühne zu nehmen, sondern auch verstärkt Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung zu leisten.

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NPD – Ein Verbot reicht nicht

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